Gastautor / 01.05.2009 / 10:59 / 0 / Seite ausdrucken

Die wissen alle nicht, was sie tun

Von Sibylle Berg

Jüngst im Zug nach irgendwo. Erste Klasse, so reist man heute, Teakfakefurnier, Hochgeschwindigkeit, warum sieht es immer so aus, wie es immer aussieht, wenn es teuer aussehen soll - umzingelt von denen, die immer da sitzen. Echsenleder am Fuß, feine Tuche, Gesichter in Granit gehauen: Entscheidungsträger. Laut in mobile Telefone redend und Laptop raus, Zeit ist Geld und zwar nicht ihres. Einer schnauft, als liefe er den New York Marathon, macht er sicher auch, denn sterben wollen die ja nie. Bloß nicht . Ewig leben ist die Devise. Also schnaufen, tippen, innehalten, aus dem Fenster sehen, die Welt begreifen, und wieder ein Wort. Was tut der da, was schreibt er in den Computer - er schreibt Notizen für eine Vorstandssitzung, ins Reine bringt das dann die Sekretärin, die kann auch Rechtschreibung und Tabellen. Da steht allen Ernstes: Das Ziel 2008: die Umsätze müssen erhöht werden. Na das ist ja mal ein origineller Ansatz, weiter steht da noch Zeug wie: „Unit, Reibungsverluste, Verantwortungsträger, Brainstorming, Effizienz.“ 

Wahnsinn! Da sitzt ein Spitzenkader, vermutlich 1 Mio. Franken Salär in der Krokotasche in diesem Businesszug, der Hermes heißt oder Starfighter, und schreibt 80er Jahre Worthülsen in seinen Laptop. Nicht zum ersten Mal, aber deutlich in Neonfarbe begreife ich: DIE WISSEN ALLE NICHT, WAS SIE TUN. Die Menschheit ist die Rasse, die sich vermutlich am meisten überschätzt. (Notiz in meinem Laptop; Tiere dazu befragen!) Die verkleiden sich, haben Angst und reden in Worthülsen, die überhaupt nichts bedeuten. Der da schwitzt. Vielleicht hat er ANGST, was immer noch besser ist, als deren Überwindung, denn die heißt: Größenwahn, und macht sie vergessen, dass sie keine Ahnung haben, und wie das geht, das sieht man. Dann wird nur noch agiert und die Kiefermuskeln mahlen ständig, der Testosteronspiegel schwappt über. Infarkt. Aber leider erst nachdem wieder ein Unternehmen bankrott ist.

Und wie wir immer noch glauben, DIE DA OBEN werden das schon hinbekommen, die verdienen Millionen, die tragen diese Anzüge, die schauen so wissend - doch wie kann heute überhaupt noch wer was wissen. Das ist doch eine Eigenschaft aus anderen Jahrhunderten. Uhrmacher wussten, was sie taten. In kleinen Werkstätten Rädchen frickeln. Heute müsste man so viel verstehen, alles gleichzeitig, Umwelt, Auswirkungen, soziale Kompetenz, Vernetzung, Internet, Weltmarkt, Dings - dafür ist ein menschliches Gehirn nicht konzipiert. Das ist überfordert und kann sich nur merken: Umsatz !!!!!Steigern!!!!! Wohin das führen soll und warum, ist irgendwann egal, das Gehirn kollabiert ob der Überforderung und denkt nur noch in 2 Kategorien: Macht (heißt: keiner sieht mir zu beim Nichtwissen, denn das Büro ist schallisoliert) und Geld (ist Macht ist Sicherheit ist Unsterblichkeit). Und so wenige haben die Größe, der eignen Beschränktheit mit Grandezza zu begegnen. Dabei setzt man sich mit seinem Anspruch an Allwissenheit doch einem tüchtigen emotionalen Druck aus. Immer zu allem eine Meinung haben zu müssen, sich permanent aufregen müssen, wegen der viel besprochenen Dummheit auf der Welt, die immer die anderen mit sich herumschleppen, und überfordert sein, im Falle des armen 1 Mio. Managers. Das ist doch, als wenn man sich als Kind per Schwindel in eine höhere Klasse schmuggelt - jeder kann einem jederzeit draufkommen. Da hilft nur eines: Marathon laufen, Macht bekommen, viel Geld verdienen, unantastbar werden und unsterblich. Und wem das zu anstrengend und irgendwie auch egal ist, weil sowieso sinnlos, stünde zu raten: Mund halten. Sich mit dem vergnügen, was man kann, es verfeinern, das kleine Talent, das in jedem steckt, zufrieden sein, einen Platz zu haben, inmitten von Milliarden Dummköpfen, die meinen es besser zu wissen.

Mit einem flotten Zusammenschlagen der Fersen verabschiede ich mich heute von euch, freue mich sehr auf die Verwirrten, die mich anschnautzen: Frau berg ich sagte doch ich will ihre dreckigen newsletter nicht mehr. Und betone drum again: Nur freundliche post an: info@sibylleberg.ch

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