Hansjörg Müller / 18.02.2014 / 11:35 / 4 / Seite ausdrucken

Schulz For President!

Ich bin Euroskeptiker und als solcher ein grosser Fan von Martin Schulz, dem amtierenden Präsidenten des EU-Parlaments. Der deutsche Sozialdemokrat ist nämlich so etwas wie ein lebender Werbespot für die EU-skeptische Bewegung. Derartig tapsig bewegt er sich über die diversen Bühnen der Weltpolitik, dass man sich gelegentlich fragt: Hat dieser Mann denn gar keinen Ratgeber?

Das jüngste Beispiel seiner Neigung, das falsche Wort am falschen Ort zu wählen, gab Schulz in Israel, wo er meinte, seinen Gastgebern ins Gewissen reden zu müssen. Doch, doch, man darf Israel durchaus kritisieren, auch als Deutscher. Dass die Siedlungspolitik, die der jüdische Staat im Westjordanland verfolgt, nicht unbedingt zu einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beiträgt, wird kaum jemand abstreiten wollen.

Allein, auf diese Feststellung mochte sich Schulz nicht beschränken: Nachdem er in seiner Rede vor der Knesset, dem israelischen Parlament, ausgiebig seinen eigenen Umgang mit der deutschen Geschichte sowie die EU gelobt hatte, die eine Antwort auf die Schrecken der Vergangenheit gefunden habe, sagte er diesen Satz: «Eine der Fragen (…), die mich am meisten bewegt hat – wobei ich die genauen Zahlen nicht nachschlagen konnte –, war: Wie kann es sein, dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17?»

Nun, was Schulz, der als Parlamentspräsident über einen ansehnlichen Stab von Mitarbeitern verfügen dürfte, nicht nachschlagen konnte, vermochten andere innerhalb kurzer Zeit ganz allein zu recherchieren: Der Besucher aus Brüssel, so berichtete etwa der Nahost-Korrespondent der „Basler Zeitung“, hatte Zahlen genannt, die von den realen Verhältnissen weit entfernt waren .

Was ist das für ein schofeliger Gast, der einen freundlichen, ehrenvollen Empfang damit vergilt, dass er sich erst einmal ausführlich selbst lobt, um später seinen Gastgeber mit falschen Vorwürfen zu konfrontieren? Einige Zuhörer reagierten empört, doch Schulz wäre nicht Schulz, wenn er aus dem Vorfall die angemessenen Konsequenzen gezogen hätte. Anstatt dass er seinen Fehler eingestanden und bedauert hätte, ging er zum Gegenangriff über: Von den wütenden Reaktionen, die seine Rede hervorgerufen hatte, sei er «überrascht und betroffen», liess er verlauten, um die Israelis gleich noch einmal zu schulmeistern: «Gegenseitige Kritik», so Schulz, sei in Demokratien doch ganz normal.

Eine Feststellung, die in den Ohren manches EU-Parlamentariers wie Hohn geklungen haben muss. Denn auf Kritik reagiert Schulz, der doch so gerne austeilt, äusserst dünnhäutig. Wer in Strassburg oder Brüssel auch nur den leisesten Zweifel am Friedensprojekt EU äussert, wird von Schulz wahlweise als «Populist», «Demagoge» oder «Rattenfänger» geschmäht. Dabei scheint der gelernte Buchhändler, der seine politische Karriere einst als Gemeinderat in der rheinischen Kleinstadt Würselen begann, nicht einmal zu merken, wie sehr solche Vorwürfe auf ihn selbst zurückfallen: Indem er in seiner Kritik zwischen klassischen Liberalen wie den Briten Daniel Hannan und Nigel Farage einerseits und rechten Volksverführern wie der Französin Marine Le Pen und dem Österreicher Andreas Mölzer andererseits keinerlei Unterschiede macht, beweist Schulz wieder und wieder, wie sehr es ihm an intellektueller Redlichkeit, Anstand und Toleranz gegenüber Andersdenkenden mangelt.

In der Schweiz ist Schulz jüngst durch ein Interview aufgefallen, dass er der «NZZ am Sonntag» am 9. Februar, dem Tag der Abstimmung über die von der SVP lancierte Masseneinwanderungs-Initiative, gab.

Eine Art umgekehrter König Midas, in dessen Händen alles verdirbt, statt zu Gold zu werden, vermochte es Schulz auch in diesem Fall, dem eigenen Anliegen grösstmöglichen Schaden zuzufügen: «Es kann nicht sein, dass die Schweiz nur nimmt, was ihr nützt, und die EU auf allem anderen sitzenbleibt», meinte er die Stimmberechtigten ermahnen zu müssen.

Belehrungen, die nicht gut ankamen. Letztendlich habe er gegen die Initiative gestimmt, schrieb der Schriftsteller Thomas Hürlimann in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», doch nachdem er gelesen habe, dass Schulz der Schweiz mit Schwierigkeiten gedroht habe, sei er noch einmal «sehr unsicher» geworden. Weniger als 20.000 Stimmen hätten den Ausschlag gegeben, und für die, so glaubt Hürlimann, habe Schulz gesorgt.

Tatsächlich gibt es für Euroskeptiker kaum einen besseren Verbündeten als Martin Schulz. Ende 2014, wenn die Amtszeit José Manuel Barrosos als Präsident der Europäischen Kommission zu Ende geht, will der Deutsche den Portugiesen beerben. Es wäre ein erfreulicher Personalwechsel. Denn mit Schulz als oberstem Repräsentanten hätte sich eine EU, die zunehmend rechthaberisch und aggressiv auftritt, endgültig zur Kenntlichkeit entstellt.

Zuerst erschienen in der „Basler Zeitung“ vom 18.2.14

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Christian Weyland / 19.02.2014

Sehr geehrter Herr Bleser, vielen Dank für den Buchtipp und die interessante Ausführung zum israelischen Wasserprojekt. Man kann jeden Tag noch etwas lernen. :-) cw

Paul Bleser / 19.02.2014

Einer der vielen Beschuldigungen die gegen Israel erhoben werden, ist der Vorwurf, den Palästinensern das Wasser abzuschneiden. EU- Parlamentspräsident Martin Schulz traute sich kürzlich,  diesen Vorwurf an die Abgeordneten der Knesset in Jerusalem zu richten: Eine wahrhaft mutige Aussage! Sie ist zwar nutzlos, gar ärgerlich für die laufenden Friedensgespräche, kann aber bei den Europa-Wahlen dem Kandidaten Schulz die Unterstützung breiter anti-zionistischer Wählerschichten zusichern! Es würde den Ruf eines Politikers allerdings zieren, wenn er in voller Sachkenntnis von einem Problem reden würde und nicht nur vom Hören und Sagen, dass ein Palästinenser etwa 17 Liter Wasser, der Israeli jedoch 70 Liter täglich zur Verfügung hat. Was heißt übrigens eine solche pauschale Aussage? Handelt es sich insgesamt um den täglichen Wasserverbrauch für Menschen und Tiere, Industrie- und Landwirtschaftsverbrauch ?  Prachtvolle Villas mit Waterpools in Galiläa vergeuden angeblich das für die Palästinenser lebensnotwendige Trinkwasser. Uno- und Menschenrechtskommissionsberichte mit Schauermärchen, die schon vor einer Inspektion des Gebietes verfasst und abgesegnet wurden, werden immer wieder als sakrosankte Dokumente von unseren Medien anerkannt,.. wer würde es denn auch wagen, die Aufrichtigkeit des damals Gaddafi- libyschen Vorsitzes der Menschenrechtskommission anzuzweifeln…? Wie auch immer die jetzige Lage ist, ob der Vorwurf (noch) stimmt oder nicht, interessant sind immerhin die historischen Begebenheiten über die Entstehung des Wasserprojektes am See Genezareth, Beim Studium der Geschichte Israels fallen mir immer wieder historische Unwahrheiten auf, die anscheinend nicht genug Brisanz haben, zu Richtigstellungen in unseren Medien zu führen. Einige dieser Geschichtsverdrehungen, deren Ursprung natürlich meistens von der arabischen Seite, oft über die UNO zu unseren Medien gelangen, gehört eben auch das Wasserprojekt das, wie soviele konstruktive Vorschläge zur Zusammenarbeit von Arabern und Israelis, an der sagenhaften Sturheit der arabischen Haltung scheiterten. Den Konflikt nähren und erhalten, bis 1948 gerächt werden kann, diese Leitlinie der Arabischen Liga gilt bis heute noch! Die vielleicht grösste israelische Leistung Anfang der 60er Jahre war das nationale Wasserprojekt,der „israelische Assuandamm“, das 1964 seiner Bestimmung übergeben wurde und Wasser aus dem See Genezareth, dem natürlichen israelischen Wasserspeicher, bis in den nördlichen Negev brachte.1958 hatte eine amerikanische Kommission unter dem Vorsitz von Eric Johnston eine Empfehlung zur gerechten Verteilung der Wassermengen des Jordanquellgebiets zwischen den Anrainerstaaten Libanon, Syrien, Israel und Jordanien ausgearbeitet. Die arabischen Länder hatten aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt, (Die drei NEIN zu Israel) wonach es kein Abkommen mit Israel geben dürfte.. Der Plan war damals sogar von arabischen Experten (!) als gerecht und ausgewogen bezeichnet worden. Da der Plan durch die arabische Ablehnung nicht zur Ausführung kommen konnte, hatte sich Israel in den nächsten Jahren daran gemacht, selbstständig, für seinen Teil, entsprechend dem Plan, zu verfahren und sich dabei an die Quote des Johnston-Planes zu halten. Jordanien hatte mit amerikanischer finanzieller Hilfe bereits vorher angefangen, den Jarmukfluss, der in den See Genezareth fliesst, abzuleiten und entlang des Jordangraben umzuleiten, um so das gesamte Gebiet des östlichen Jordangrabens fruchtbar zu machen. Hier waren bevorzugt palästinensische Flüchtlinge angesiedelt worden. Von Anfang an hatten die Syrer versucht, die israelischen Pläne zur Ableitung des Jordanwassers zu vereiteln. Israel war dadurch gezwungen, die Ableitungsprojekte am oberen Jordan aufzugeben und das Wasser aus dem mehrere hundert Meter tiefer liegenden See Genezareth selber von 200 m unter dem Meeresspiegel bis auf eine Höhe von 200 m über dem Meeresspiegel zu pumpen. Das nationale Wasserwerk war dadurch verzögert, aber nicht verhindert worden. Nach Abschluss des Wasserprojekts rief Nasser zu einer Konferenz in Kairo auf. Es wurde beschlossen, das Wasserprojekt der Israelis durch die Ableitung von zwei Quellflüssen, die auf syrischem,bzw.libanesischem Boden entsprangen, zu vereiteln. Als Syrien dreieinhalb Kilometer von der israelischen Grenze entfernt mit Ableitungsarbeiten begann, zerstörten in syrisch-israelischen Grenzgefechten israelische Flugzeuge die syrischen Baumaschinen. Israel befand sich zu der Zeit militärisch in keiner schlechten Situation. Die Waffenkameradschaft mit Frankreich hatte nach dem Sinai-Abenteuer weiter angehalten.Frankreich wurde wirklicher Verbündeter Israels, was an einem regen Verkehr zwischen den beiden Staaten ablesbar war. Israel erhielt von Frankreich die neuesten Waffen; so lieferte De Gaulle 1958 24 Super Mystère B-2 Kampfmaschinen, die ersten Überschallkampfmaschinen im Nahen Osten… So entwickelte sich der Streit um das Wasser Israels, ein Kampf der vielleicht schon in kurzer Zeit durch die hochentwickelten israelischen Technologien der Trinkwassergewinnung aus dem Meerwasser beendet werden kann, wäre da nicht die Frage des Boycott’s von Israel..?.. Mehr über einige interessante Geschichtsepisoden des Staates Israel können Sie im Buch “Die Geschichte Israels” von Michael Krupp nachlesen.                                                                                       Pol Bleser 16.2.2014

Klaus Kalweit / 18.02.2014

Martin Schulz ist ein ganz gewöhnlicher Mensch. Er ist nicht anders als Hinz oder Kunz oder mein Nachbar. Er verfügt über keinerlei herausragende Fähigkeiten, keine besondere Intelligenz, keinen bemerkenswerten Charakter und nicht einmal über eine erwähnenswerte Bildung. Auch eine warme Herzensgüte vermisst man schmerzlich. Dafür zeigt er sich empfindlich, rechthaberisch und unbelehrbar. Er ist eine wandelnde Karikatur der Mittelmäßigkeit. Fragt sich nur, warum er so hoch oben an der Spitze steht.

Pavel Hoffmann / 18.02.2014

Man sieht aber auch bei Ihnen Herr Müller, dass Sie ohne die objektive Gründe in Erwägung zu ziehen die “Siedlungen” automatisch als das Hindernis für die Friedensgespräche betrachten. Ihr Mainstream Zitat: ” Dass die Siedlungspolitik, die der jüdische Staat im Westjordanland verfolgt, nicht unbedingt zu einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beiträgt, wird kaum jemand abstreiten wollen” Die wahren Gründe waren, sind und noch lange werden die totale Ablehnung der Arabischen Ländern wie auch der palästinensischen Araber in der Westbank und Gaza des Staates Israel. Sie könnten anstatt Siedlungen auch z.B. Tragen von gelben Schnürsenkel als Friedenshindernis betrachten. Es spielt keine Rolle wie die Araber, Iran, Ägypten oder auch Herr Schulz es definieren. Die Gründe sind immer die gleichen. Hass, Neid, Rückständigkeit und eine unermessliche Dummheit. Mit einem Wort Antisemitismus.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Hansjörg Müller / 23.11.2017 / 18:00 / 0

Hang on, Berlin busy

Verglichen mit anderen europäischen Ländern und gemessen an seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung ist Deutschland in weiten Teilen der britischen Presse eher untervertreten. Das westliche…/ mehr

Hansjörg Müller / 02.10.2017 / 16:05 / 8

Ein Besuch in der “Islamischen Republik Tower Hamlets”

Von Hansjörg Müller. Es scheint, als sei es im Rathaus von Tower Hamlets nicht überall ratsam, laut zu reden. "Willkommen in Grossbritanniens dysfunktionalstem Bezirk", raunt…/ mehr

Hansjörg Müller / 16.08.2017 / 15:25 / 4

Wegschauen bis zum Gehtnichtmehr

Die skandalösen Vorgänge, die Grossbritannien derzeit beschäftigen, haben sich über Jahre hingezogen. Dasselbe gilt für ihre Aufklärung: Am Mittwoch befand ein Gericht in Newcastle 17…/ mehr

Hansjörg Müller / 23.04.2017 / 06:25 / 0

Der neue Klassenkampf: Bodenpersonal gegen Raumfahrer

Interview. Hansjörg Müller sprach mit David Goodhart. Diejenigen, über die wir an diesem Nachmittag reden, sieht man an David Goodharts Wohnort nicht: Wer in Hampstead…/ mehr

Hansjörg Müller / 12.11.2016 / 06:20 / 0

Wenn Donald die Brechstange wegpackt

Donald Trump ist eine politische Blackbox. Für Journalisten macht ihn das attraktiv: Man kann endlos darüber spekulieren, was er als Präsident wohl tun wird. Zwar…/ mehr

Hansjörg Müller / 10.06.2016 / 06:15 / 2

Brexit: Reden wir doch mal mit den Briten statt über sie

Wer sich als britischer Historiker dieser Tage politisch äussert, scheint gar nicht vorsichtig genug sein zu können: Einen Reporter von Le Devoir aus Montreal hat…/ mehr

Hansjörg Müller / 24.05.2016 / 09:05 / 1

Österreich: Der weniger problematische Obskurant hat gewonnen

Es fiel schwer, in diesem Wahlkampf Partei zu ergreifen. Alexander Van der Bellen, Österreichs neuen Bundespräsidenten, verband mit seinem Gegner Norbert Hofer mehr, als beider…/ mehr

Hansjörg Müller / 26.04.2016 / 10:45 / 3

Bundespräsidentenwahl: Österreich lechts und rinks

Auf das Wahlergebnis folgte – wie meist – der Moment der Phrasendrescherei: Heinz-Christian Strache, der Chef der rechten FPÖ, trat vor die Kameras, überdreht, das…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com