Auf einem Elternabend in der Grundschule (Klassenstufe 4) wurde tatsächlich thematisiert, dass knapp ein Drittel der Klasse bei einer Note 2 oder 3 anfängt zu weinen. Zusätzlich wurden die Eltern generell gebeten davon absehen die Lehrerschaft zu kontaktieren um bessere Noten auszuhandeln, da „das Kind den Stoff zu Hause ja beherrscht hat…“.
“Wie schon gesagt, habe ich etwas Mühe mit dieser weinerlichen Protestkultur, die sich durch das Internet großartig artikulieren und organisieren lässt. Ebenso mit den ständigen Beschwerden über die unfairen äußeren Umstände, die den erwarteten und verdienten Erfolg verhindert hätten. Kann er nicht mehr verdient werden, so versucht man wenigstens, ihn einzuklagen. ” Die “Erziehung” scheint Früchte zu tragen. Aber vielleicht kommen alle auch noch in der Politik unter ? Nur wer erarbeitet die Diäten ?
Ich stimme teilweise zu. Ja, die Generation Gänseblümchen jammert zu viel und fühlt sich ständig ungerecht behandelt. Aber es gibt auch tatsächliche Ungerechtigkeiten und inkompetente Lehrer. Meine Tochter (21) studiert jetzt im 6. Semester Medizin, ihre Leistungen dabei bewegen sich zwischen 1 und 2. An Intelligenz und Disziplin mangelt es also definitiv nicht. Dennoch waren ihre Noten - und die Noten vieler Mitschüler - während der Schulzeit teilweise katastrophal. Wenn wir den Stoff im Lehrbuch, in ihren Arbeitsmaterialien und in den Klassenarbeiten verglichen, mussten wir in einigen Fächern feststellen, dass es sich um völlig verschiedene Dinge handelte. Wie kann man gute Ergebnisse im Test verlangen, wenn im Unterricht nicht darauf vorbereitet wurde? Von einem 8.-Klässler kann man kaum erwarten, dass er/sie alles, was eventuell abgefragt werden könnte, selbst zusammenträgt! In anderen Fächern (z.B. Mathematik) hatte ich den Eindruck, dass meine Tochter im Unterricht gar nichts lernte, allerdings schnell begriff, wenn wir ihr den Stoff erklärten. Es liegt also nicht immer nur an den Schülern und Eltern, wenn die Leistungen nicht den Vorstellungen entsprechen! Etwas Selbstkritik könnte auch manchen Lehrern nicht schaden.
Im Interesse der leistungsorientierten Studenten - und um das eigene Überleben zu sichern - sollte die Hochschule nach einer sorgfältigen Analyse angemessene Konsequenzen ziehen. Wenn die Prüfung objektiv unfair war, muss der Dozent zur Rechenschaft gezogen werden. Anderenfalls sind Exmatrikulationen zu erwägen. Ansonsten verliert die Uni ihren bislang guten Ruf - zukünftige Absolventen werden dann bei der Jobsuche nicht einmal mehr zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Als Leiter einer Akademie zur beruflichen Weiterbildung Erwachsener habe ich immer Wert darauf gelegt, dass die Klausuren einen fairen Querschnitt des Curriculums abbilden - und Eingrenzungen des klausurrelevanten Wissens gab es natürlich auch nicht. Unsere Lehrgangsteilnehmer wussten, dass alle Lerninhalte auf die berufliche Praxis hin ausgerichtet sind und ihr persönliches Leistungsvermögen (Können und Wollen!) ihre Karriere maßgeblich beeinflusst. Glücksritter hatten keine Chance - “Pechvögel” gab es aber auch nicht. Und zumindest den Leistungsträgern war klar, dass weinerliches Verhalten und das “Schuldabwälzen auf Andere” nicht gerade karrierefördernd sind. Rückblickend kann ich feststellen, dass die erfolgreichen und sympathischen Absolventen innerhalb weniger Jahre in die Managementebene aufgestiegen sind.
In meinem Lehrauftrag in einem technischen (!) Studiengang hatten die Kandidaten schon vor zehn Jahren Probleme, Zwischenrechnungen des Anforderungsniveaus “drei minus fünf” oder “Ein halb mal ein Drittel” unter dem Zeitdruck einer schriftlichen Prüfung unfallfrei zu lösen. Und heute fehlen der Wirtschaft gut ausgebildete Handwerker - aber gewiss keine Schmalspuringenieure, die gibt es übergenug.
Liebe Frau Buchta,Sie könnten den Müttern in der Empörungsphase von Yehudi Menuhins Tagesablauf, ungeachtet dessen Begabung, berichten.Er bestand nämlich aus morgendlichem Unterricht in allgemeiner Bildung,gefolgt von Geige üben, mit und ohne Korrepetition. Isaac Stern sprach von einem inneren Feuer,welches man besitzen müsse,um weit zu kommen.Letzteres lässt sich auf Studium,aber auch auf die in Deutschland als minderwertig angesehenen handwerklichen und die noch schlechter angesehenen und bezahlten Pflegeberufe übertragen.
Das ist aber schon lange so. Ich selbst wollte gar nicht auf das Gymnasium und hab mich für Realschule entschieden. Auch um 87 oder 88. Ich hab damals durch einen Zufall mitbekommen, dass es an Hauptschulen gar nicht so was wie ein Diktat als Ex gab, sondern lediglich sogenannte “Nachschriften”. Es ist wirklich buchstäblich nachschreiben. Die Schüler bekamen den Text eine Woche zuvor. Und trotzdem hagelte es Fünfen und Sechsen. Ich hätte mir nicht mal die Zeit zum lernen nehmen müssen, Ich hab spaßhalber mitgeschrieben ohne Vorbereitung. Fehlerfrei. Selbst die nicht erwähnten Kommas wurden idiotensicher betont. Meine Meinung seither: viele Menschen, die ich kennengelernt habe, wären im Leben wohl ganz anders, wenn sie etwas mehr Leistungsdruck an einer Wirtschafts- oder Realschule gehabt hätten und nicht an einer Hauptschule. Und wenn ich so lese, wie viele Einser-Abis es inzwischen in (besonders roten) Bundesländern gibt, kann ich mir gut vorstellen, dass das Niveau selbst unter meiner damaligen Realschule liegen muss. Na ja, dumm lässt sich besser beherrschen - pardon - regieren.
Über zehn Jahre lang war ich Vorsitzender der Prüfungskommission (PK) und Studienfachberater unseres Fachbereichs. Was Frau Buchta da schreibt ist traurig aber wahr und ich kann es nur bestätigen. Bei manchen Prüfungen gibt es massenhaft Abbrüche und Anträge auf Annullierung der Prüfung. Bei unseren ach so sensiblen Studenten tritt dann häufig während der Prüfung Gastroenteritis und Kolitis auf, auch Schwindelanfälle und Wahrnehmungsstörungen sind nicht selten. Heerscharen heimtückischer Bakterien scheinen auch unsere Prüfungssäle zu bevölkern. Der Prüfling hat unverzüglich nach Abbruch der Prüfung einen Arzt aufzusuchen und anschließend seinen Antrag beim Prüfungsamt zu stellen. Die Sachbearbeiter dort prüfen die Anträge und besprechen die Fälle mit dem jeweiligen PK-Vorsitzenden. Meistens sind es immer wieder dieselben Kollegen, die selben Studenten und die selben Ärzte, die da betroffen sind. Über Kollegen möchte ich dazu nicht äußern, es sind aber nicht immer die, die unbeliebten schwierigen Fächer geben. Wenn sich bei einem Studenten das allzu oft wiederholt wird der Besuch beim Amtsarzt vorgeschrieben. Scheitert oft bei Prüfungen am Samstag, wenn der Amtsarzt nicht erreichbar ist. Auch Amtsärzte stellen meiner Meinung nach Gefälligkeitsatteste aus. Häufig sind auch Anträge auf Verlängerung der Prüfungszeit wegen Legasthenie und Dyskalkulie. Länger arbeiten werden sie aber später in ihrem Beruf sicher nicht arbeiten wollen. Der Kollege vom Maschinenbau bekam einen Antrag auf Verlängerung der Prüfungszeit wegen gestörten räumlichen Vorstellungsvermögens. Aber hallo, dazu sage ich jetzt lieber nichts mehr.
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