Gastautor / 19.09.2011 / 22:05 / 0 / Seite ausdrucken

Piraten - Ente entern. Enter

Von Gerd Hener

Die gesamte Presse beweist sich frisch und jugendlich: Die “Piraten-Partei” “entert” (

) das Berliner Parlament.Wörtlich genommen wäre diese Nachricht eine Ente. Denn die juvenilen Parteimitglieder haben das Haus nicht überfallen und ausgeraubt.

Was ist geschehen? Der gemeine Journalist, der sich so dem jugendlichen Wähler anbiedert (alles andere wäre ja langweilig und das kann natürlich überhaupt nicht sein!), meint natürlich, dass die Partei, die bei der letzten Bundestagswahl einen Achtungserfolg (mit 800.000 Stimmen!) erzielte, mit fast 9% der abgegebenen Stimmen gewählt wurde und ins Abgeordnetenhaus Berlins mit 15 Abgeordneten einziehen darf (mehr wurden gar nicht aufgestellt).

Nun ist die Spezialität dieser Gruppierung ihre “Vernetzung” über Internet. Das ist nur möglich, wenn sie sich einer Tastatur bedienen und die hat am_rechten Rand _(!) eine Taste, die heißt “Enter”. AHA!
Die Piraten-Partei hat als nicht “geentert” sondern “entert”(!).

Jetzt alles klar?

Nö. Wer ist das eigentlich?
Der Begriff “Freiheit” bzw. “freiheitlich” kommt im Parteiprogramm 43 mal vor.
“Daten” nur 33 mal. “Rechte” kommt 10 mal in Worten vor.
Vorläufige Schlussfolgerung: Die Datenexperten machen sich Gedanken um die Freiheit des Menschen. Eigentlich schön. Bemerkenswert für junge Menschen, über die reden wir hier.
Der Datenschutz ist auch ein hohes Anliegen.

Wo liegen denn nun die Antriebe und Ziele dieser Gruppierung von Internetexperten?

  Im Zuge der Digitalen Revolution

aller
  Lebensbereiche
  sind trotz aller Lippenbekenntnisse die Würde
  und die Freiheit des Menschen in bisher ungeahnter
  Art und Weise gefährdet. Dies geschieht zudem in
  einem Tempo, das die gesellschaftliche Meinungsbildung
  und die staatliche Gesetzgebung ebenso
  überfordert wie den Einzelnen selbst.

Aha! Also nochmal langsam: Die Leute, die heute alles daran setzen, alle Lebensbereiche digital zu vernetzen, beklagen eine Gefährdung der “Würde” und der “Freiheit” des Menschen. Sie beklagen das “Tempo”, das die gesellschaftliche Meinungsbildung und den Einzelnen “überfordert”! Gleichzeitig wollen Sie aber selbst dieses Tempo erhöhen:

  Deswegen ist es Ziel der Piratenpartei, die direkten
  und indirekten demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten
  jedes Einzelnen zu steigern und die
  Partizipation jedes einzelnen Mitbürgers an der Demokratie
  zu fördern.

Hier ist nicht mehr von Überforderung die Rede, sondern von “Mitbestimmungsmöglichkeiten”.
Dieser argumentative Widerspruch ist nicht der einzige, der sofort auffällt, wenn man sich mit dieser Partei beschäftigt. Man sieht: das ENTER hat auch einen HAKEN.

Der wird zum Beispiel am folgenden Text sichtbar:

  Wir Piraten sind überzeugt, dass die Gemeinschaft
  einzelne Mitbürger nicht bevormunden darf.

Hä? (um mal juvenil zu klingen!)
Also mal herhören:
Eine Demokratie ist eine Gemeinschaft, die nur dann funktionieren kann, wenn man Mehrheiten aufbaut, die dann ihren politischen Willen durchsetzen darf. Alles andere ist unmöglich. Es wird immer Menschen geben, die eine andere Meinung haben, die aber als Minderheit nicht zum Zuge kommen. Wenn man es unbedingt “Bevormundung” nennen will, dann soll es so sein. Aber die Wirklichkeit ist eine andere. Gerade in Deutschland ist ein hochkomplexes politisches System in den letzten 60 Jahren entstanden, das gerade Minderheitsmeinungen berücksichtigt und in die Entscheidung einer politischen Willensbildung mit einbezieht. Man nennt es “konsensorientiert”.

Warum wissen das die Piraten nicht?
Weil es sich offensichtlich um politisch ungebildete junge Leute handelt, die mit dem Urheberrecht in Konflikt kommen und gerade das aushebeln wollen:

  Daher fordern wir, das nichtkommerzielle Kopieren,
  Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von
  Werken nicht nur zu legalisieren, sondern explizit
  zu fördern, um die allgemeine Verfügbarkeit von
  Information, Wissen und Kultur zu verbessern, denn
  dies stellt eine essentielle Grundvoraussetzung für
  die soziale, technische und wirtschaftliche Weiterentwicklung
  unserer Gesellschaft dar.


Es ist natürlich das Recht jedes Menschen, Gesetzesänderungen zu verlangen, sie verlangen aber hier lediglich die Sanktionierung der bisher üblichen Regelverstöße, im wohlverstandenen Eigeninteresse. Auch das ist legitim, zeigt aber den Stand der politischen Entwicklung einer Ansammlung von jungen Egoisten. Dagegen behaupten sie ständig irgendwelche Einschränkungen von Bürger- oder Grundrechten, bleiben den Beweis aber schuldig.


FAZIT:
Die Partei möchte eine politische Willensbildung per Mausklick. Parteien und Parlamente sind in dieser Logik nicht mehr nötig. Politische Entscheidungen sind dann permanente Volksabstimmungen. Unterstellt wird der durch das Internet aufgeklärte Bürger, der über alles entscheiden kann. Fehlentscheidungen gibt es per se nicht. Das Problem unterschiedlich informierter Menschen gibt es auch nicht. Natürlich kommt es auch nicht zu Manipulationen bei dieser Art der digitalen Herrschaft. Es ist ein Paradies der Facebook-Generation.
Beliebigkeit und Stimmungen sind für die Piraten kein Grund am Konzept zu zweifeln.
Aber, liebe Leute, das hatten wir alles schon: von Rousseau bis Lenin. Alles schon dagewesen. Es ist immer das gleiche Programm: Man verspricht den Leuten das demokratische Paradies, am Ende kommt nur eine Dikatur heraus. Parlamente sind mit guten Gründen entstanden. Sie haben vor allem einen Zweck: Eine demokratisch legitimierte Willensbildung gilt es vorher zu besprechen, Argumente abzuwägen und dann zu einer reifen wohl überlegten Entscheidung zu kommen.
Die Beliebigkeit beim Zustandekommen einer politischen Entscheidung ist keine Freiheit, sondern das Gegenteil.

Zuerst erschienen auf: http://gerolfh.blogspot.com/

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