Fundstück / 23.07.2013 / 07:35 / 4 / Seite ausdrucken

Vati war kein Nazi

Jacques Schuster in der WELT:

“…Joachim Langs “George”-Film bemüht sich, diese Schattierungen sichtbar zu machen. Nur: Der Hauptdarsteller und dessen Bruder streichen alles sofort wieder weiß. Schlimmer noch, Götz und Jan George rackern sich ab, die Hakenkreuzfähnchen gleichsam posthum aus dem Garten ihres Vaters zu reißen.

Es war eine schlechte Idee, Heinrich Georges Söhne die maßgeblichen Worte des Filmes zu überlassen. Eltern sind die Portalfiguren des Lebens. Die Kinder sind nur selten in der Lage, am Marmor ihrer Heroen zu kratzen. An Richard von Weizsäcker kann man es genauso beobachten wie am Soziologen Nicolaus Sombart (um nur zwei Söhne angebräunter Eltern zu nennen).

Keiner von beiden war in der Lage, sich in der Öffentlichkeit kritisch mit seinem Vater auseinanderzusetzen. Auch die Georges winden sich. Bei Götz klingt es so: Vater Heinrich habe Hitler nur “so viel Streicheleinheiten gegeben, wie er glaubte, damit leben zu können”. Als ob der “Führer” gestreichelt werden musste.

Jan George wiederum versteigt sich zu der These, die Aufnahme seines Vaters bei Goebbels im Sportpalast sei von einem Standfoto abgelichtet worden. Misslich sind solche Kapriolen.

Können Söhne und Töchter ihre Väter und Mütter nur dann lieben, wenn sie die Eltern von aller Schuld freisprechen? “Ich bin kein ausgeklügeltes Buch, ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch”, heißt es bei Conrad Ferdinand Meyer.

Es hätte Götz George gut angestanden, diese an sich banale Weisheit zum Motto des “George”-Films zu machen. Vielleicht aber ist seine heimliche Regie sogar wohlüberlegt. “George” wird das weichgezeichnete Bild seines Vaters über Jahre hinweg prägen. Ist es das, was Götz George wirklich wollte?…”

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Doderich von Schwarzen / 24.07.2013

Ein schwieriges Thema! Zitat: “Keiner von beiden war in der Lage, sich in der Öffentlichkeit kritisch mit seinem Vater auseinanderzusetzen. Auch die Georges winden sich.” Ich denke, dass es immer auch andere Menschen gibt und geben wird, die sich besonders kritisch mit Menschen auseinandersetzen werden, die in der Vergangenheit falsche Prioritäten gesetzt haben. Ich finde es richtig, dass - gerade wegen der Empathie, die Söhne i.d.R. nun mal empfinden - die beiden Georges eine andere Sichtweise bieten, als das übliche “Heinrich George hat in schlimmen Propagandafilmen mitgespielt, also war er ein böser Mensch”. Vielleicht eröffnet uns diese Sichtweise auch zu zeigen, wie fließend und teilweise unmerklich (!!!) totalitäre Strukturen in Systemen etabliert werden und - an sich - unpolitische Akteure zu “Aushängeschildern” von verachtenswerten Weltanschauungen werden. Gerade Künstler, die auf Anerkennung angewiesen sind, die den Applaus wie das täglich Brot brauchen, sind dafür anfällig, mit totalitären Systemen zu kooperieren. Schlimm ist es, wenn Künstler in solchen Systemen “funktionieren” - ihre Rolle erfüllen. Viel schlimmer ist es, wenn sie selber aktiv werden und “missionarischen Eifer” zeigen, “der guten und gerechten Sache” zu dienen. Mir fällt da spontan - da ich das Dritte Reich nur aus Erzählungen kenne - Hannes Jaennicke ein, der, obwohl er ein Schauspieler (und meinethalben auch Regiesseur) ist, sich einbildet, komplexe - selbst unter Fachleuten sehr strittige - Sachverhalte wie den Klimawandel überblicken zu können. Er verdient gut an seinem erhobenen Zeigefinger! Heinrich George schrieb jedenfalls nie ein Buch mit dem Titel “Die Volksverarsche - wie uns Juden und Kommunisten zum Narren halten”. Es gibt Menschen, die behaupten, Heinrich George sei ein schlechter - im besten Fall ein durchschnittlicher - Schauspieler gewesen. Frage: Haben diese Menschen Heinrich George je auf der Bühne spielen sehen? Dort hat er nämlich die meiste Zeit verbracht. Ich kenne Menschen, die Heinrich George für den größten Schauspieler der 30iger und 40iger Jahre - neben Gustav Gründgens und Erich Ponto - halten. Im Gegensatz zu mir haben sie - nebst anderen - diese Schauspieler live gesehen und waren auch noch Jahrzehnte später tief bewegt von seinem Spiel. Ach ja! Die ältere Dame, die am meisten bewegt war, eine beeindruckende Dame (!), war eine jüdische Intellektuelle, die beklagte, dass “gerade so große Schauspieler sich gerne - nur des Applauses willen - von solchen Systemen missbrauchen lassen!” - Sie nannte dann auch Ernst Busch, den sie für einen der größten Rezitatoren hielt - der sich aber dazu hat breitschlagen lassen, das “Lied von der Partei” (die Partei, die Partei, die hat immer Recht…) zu singen. Ein schwieriges Thema…

James Taylor / 23.07.2013

Ihre Sorge, dass jemand, egal wer, Heinrich George vom Kot der Nazizeit reinigen kann, teile ich nicht. Wäre Heinrich George ein großer Schauspieler gewesen, hätte er niemals im Film Jud Suess mitgespielt. Wäre Heinrich George ein intelligenter Mensch gewesen, der die Situation in einer Diktatur unter Kontrolle hätte haben wollen, hätte er sich verhalten wie andere, denen das halbwegs gelungen ist. Die Söhne werden lernen, dass Vergangenheit niemals revidierbar ist, unabhängig davon, wieviel Kosmetik man verwendet. Heinrich George hätte ein großer Schauspieler werden können,...... wäre er nicht gewesen, wer er war.

Karl Ammann / 23.07.2013

Die Weißwaschung war unerträglich. Heinrich George, völlig überschätzt.

Karl Krähling / 23.07.2013

Wenn nach Jacques Schuster Heinrich George „des Teufels Intendant“ war, ist zu vermuten, dass der Teufel Hitler war – und der Teufel ist die Figur, die – wie alle Kinder schon wissen - die bösen straft. Das kann doch Herr Schuster nicht wirklich gemeint haben. Vermutlich ist das Bedürfnis sehr vieler deutscher Zuschauer seit langem gestillt in die „düsteren Schächte des Dritten Reiches zu steigen.“ Götz George hat einen mutigen Satz über seinen Vater gesagt:  dass er „im besten Sinne nationalistisch war und sein Land liebte.“

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