Aus Jungle World:
Nicht wenige Israelis empfanden mehr als klammheimliche Freude, als die Bilder von sich untereinander bekriegenden Palästinensern über die Fernseher flimmerten. Schadenfreude war das jedoch nicht, sondern einerseits die Hoffnung, „dass sie uns solange in Ruhe lassen“. Andererseits ein Gefühl der Bestätigung und die Erwartung, dass die Weltöffentlichkeit vielleicht doch mal zu Kenntnis nimmt, mit was für Burschen man es da ständig zu tun hat.
Doch auf der anderen Seite zeigte etwa Israels Staatspräsident in spe, Shimon Peres, sich auch besorgt, denn die Israelis wissen, dass mit einer Ansammlung mafiöser Banden keine Friedensverträge wie mit Jordanien und Ägypten zu machen sind. Doch solch ein Pessimismus setzt einigen Optimismus voraus, nämlich den, an solche Abkommen überhaupt noch zu glauben, und die Zuversicht, in der palästinensischen Gesellschaft gebe es eine relevante Mehrheit, die tatsächlich an Frieden und an der Errichtung eines eigenen Staats neben Israel interessiert sei.
Die Unterscheidung in „moderate“ und „radikale“ Kräfte, das Vertrauen in Mahmud Abbas, das sind Formeln, die, so sehr die israelische Regierung sie auch immer wieder herunterbetet, zunehmenden auf Widerspruch stoßen. Etwa, wenn genau in dem Moment, da in Mekka medienwirksam die Friedenspfeife herumgereicht wird, das von der Fatah kontrollierte palästinensische Fernsehen einen grotesken Konflikt in der Altstadt Jerusalems um ein paar Bauarbeiten in der Nähe der al-Aqsa-Moschee mit Demoaufrufen eskalieren hilft. Abbas rief auch persönlich zum Widerstand gegen - ja was auch immer auf. Ein schöner Anlass jedenfalls, so konstruiert und abstrus er auch sein mag, in Ostjerusalem und Gaza sofort mit Barrikadenbauen, Steinewerfen und dem Abfackeln israelischer Fahnen zu beginnen. Nach fast zwei Tagen Waffenruhe und ohne Blutvergießen untereinander begannen sich die die palästinensischen Massen offenbar zu langweilen. Radikale und Moderate haben sich geeinigt? Ja, hinter der brennenden Israelfahne.
Und hinter eine Milliarde US-Dollar aus Riad. Die Konkurrenz zwischen dem Iran und Saudi-Arabien um den Einfluss im Mittleren Osten belebt vor allem das palästinensische Geschäft. Die Hamas bekam erst aus Teheran 240 Millionen Dollar zugesprochen, und die neue Einheitsregierung steckt nun dankend auch den saudischen Jackpot ein. Wer sagt denn, dass Terror sich nicht lohnt?
Die Sorge vor einer Warloardisierung in den territories ist daher für die Israelis das geringste Problem. Für Israel ist die Einigung von Mekka kein Grund zum Aufatmen. Wo soll der vom Nahost-Quartett ebenso wie vom Iran gefeierte Fortschritt liegen, wenn die Palästinenser nun wieder zusammen Juden attackieren, anstatt sich gegenseitig die Hütten anzustecken? Im Gegenteil: Nur ein Zerfall der palästinensischen Einigkeit ist ein Fortschritt, weil nur er eiskalt eine Utopie zerstört, der Israel, die arabischen Staaten, die USA und alle anderen Akteure in der Region, Linke wie Rechte, Hippies wie Militärs, immer noch anhängen; der eines autonom verwalteten und vor allem autonom und freiwillig errichteten palästinensischen Staates. Trotz aller bitteren Erfahrungen - auch und gerade nach dem Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen - wird diese Illusion bockig am Leben erhalten, womit nur eins bewirkt wird, nämlich dass es ein bisschen weniger auffällt, dass sich der Nahostkonflikt in einer endlosen, blutigen Zeitschleife befindet.
(Ivo Bosic ist Mitherausgeber der Wochenzeitung Jungle World und hält sich derzeit in Tel Aviv auf)