Vera Lengsfeld / 12.01.2021 / 10:40 / 49 / Seite ausdrucken

Merkel heuchelt Meinungsfreiheit

Bundeskanzlerin Merkel hat über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert die Twitter-Sperre des US-Präsidenten Trump für „problematisch“ erklärt. Die Meinungsfreiheit könne nur vom Gesetzgeber, nicht nach Maßgabe von Unternehmen eingeschränkt werden. Das lässt ausgerechnet die Frau sagen, die als Regierungschefin das berüchtigte „Netzwerksdurchsetzungsgesetz“ verantwortet, das Diktatoren wie dem Weißrussischen Präsidenten Lukaschenko als Blaupause für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit seines Landes im Netz gedient hat.

Dieses Gesetz des ehemaligen Justizministers Maas ist europarechtswidrig, verfassungswidrig, wurde von einem UNO-Sonderbeauftragten gerügt, in einer Anhörung im Bundestag von 80 Prozent der geladenen Experten für untauglich erklärt – und wurde trotzdem im Parlament von einer Handvoll Abgeordneten verabschiedet. Der Experte Bernd Holznagel erklärte vor dem Justizausschuss des Bundestags, um den im Gesetz festgeschriebenen hohen Bußgeldzahlungen zu entgehen, könnten die Netzwerke dazu neigen, auch legale Beiträge zu löschen. Dafür gibt es seither zahlreiche Beispiele. Davon nur zwei, die mir spontan einfallen: So wurde eine Rede des ehemaligen US-Justizministers Robert Kennedy gelöscht und das Foto eines Mädchens, das im Vietnamkrieg vor dem Angriff der Amerikaner auf ihr Dorf floh. Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen Christian Mihr warnte, die Methoden erinnerten an autokratische Staaten. Das Gesetz schaffe die Gefahr des Missbrauchs. Man dürfe keinen Präzedenzfall für Zensur schaffen. 

Wenn sich das jetzt 1:1 bewahrheitet und die Netzwerke sich so verhalten, wie man befürchten musste, also sich von der deutschen Regierung genötigt sehen, freihändig zu löschen, tut Kanzlerin Merkel so, als hätte sie damit nichts zu tun. 

Deshalb muss man daran erinnern, dass es die Regierung Merkel war, die rechtsstaatliche Verfahren mit diesem Gesetz komplett ausgehebelt hat. Unter Androhung von bis zu 50 Millionen Euro Strafe werden soziale Netzwerke gezwungen, innerhalb von 24 Stunden gemeldete Inhalte zu löschen. Deshalb glüht die Löschtaste. Nicht mehr Gerichte, sondern Privatpersonen – im schlimmsten Fall 450-Euro-Jobber – entscheiden, ob ein Inhalt gelöscht wird. Natürlich gibt es im Gesetz keinen Rechtsanspruch auf Wiederherstellung zu unrecht gelöschter Inhalte.

Nur wenige hundert Urteile wegen solcher Delikte

Unbestimmte Rechtsbegriffe wie Hass und Hetze wurden aus politischen Erwägungen in das Gesetz implementiert. Die Meinungsfreiheit schützt aber in gewissen Grenzen auch die sogenannte Hassrede, sagt das Bundesverfassungsgericht. Hier setzt sich das Gesetz einfach über diese höchstrichterliche Feststellung hinweg.

Es gibt die Straftatbestände der Beleidigung, der üblen Nachrede oder der Volksverhetzung. allerdings gab es in der Vergangenheit nur wenige hundert Urteile wegen solcher Delikte im Netz. Mit der Einführung der unbestimmten Begriffe Hass und Hetze wird ein Klima der Verunsicherung und Diffamierung geschaffen, das abschrecken soll.

Nun wird die Politik die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Im Gegenteil, manche Politiker machen schon einen Kotau vor ihnen. Der EU-Kommissar Thierry Brenton sieht laut Süddeutscher Zeitung in der Kontosperrung für Trump einen Wendepunkt in der Regulierung von Online-Netzwerken. Mit der Sperrung von Trumps Internetkonten hätten die Digitalkonzerne gezeigt, dass sie mehr seien als Wirtschaftsgiganten: "Ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft können sie nicht mehr leugnen". Mit der dauerhaften Sperrung des persönlichen Twitter-Accounts von US-Präsident Donald Trump werde dies nun endlich anerkannt. Geht es nach Politikern wie Thierry, soll diese Macht also erhalten bleiben, allerdings in seinem Sinne eingesetzt werden. 

Es gelten fortan nicht mehr die Gesetze, nur noch die AGBs der Konzerne, die zudem willkürlich ausgelegt und angewendet werden können. Die perfekte globale Zensur. 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Vera-Lengsfeld.de

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Gerhard Schmidt / 12.01.2021

Habt euch doch nicht so wegen “Zensur”! Einfach Maul halten und gut is´. So überlebt wenigstens EINE deutsche Tradition…

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