Henryk M. Broder / 10.03.2020 / 11:00 / Foto: Pixabay/Montage Letsch / 95 / Seite ausdrucken

Max Moor, das Corona-Virus und die Leipziger Buchmesse

Ich gebe es zu: Sich zweimal hintereinander in kurzen Abständen Max Dieter Moor anzutun, das grenzt nicht an Masochismus, das ist Masochismus. Aber einer muss es ja tun, for the record of history, und weil jeder, der es tut, für jede Minute MDM später 100 Jahre in der Hölle erlassen bekommt. 

Letzten Sonntag, wenn die Igel in der Abendstunde still nach ihren Mäusen gehn, hing auch ich verzückt an seinem Munde, und es war um mich geschehn. MDM nahm sich das Corona-Virus vor. Und das war etwa so stimulierend, als würde Mutter Beimer vom Shoppen in Elista, der Hauptstadt der Republik Kalmückien, erzählen. Nach den Menschen, der Wirtschaft, der Börse und den Messen "beeinträchtigt Corona nun auch die Kultur", sagt MDM. "Vor diesem winzigen und doch weltbeherrschenden Angsterreger sind alle Menschen gleich."

Ja, das ist schon seltsam, dass so ein winziger Angsterreger, den man mit bloßem Auge nicht mal sehen kann, so reinhaut. Und dass er jetzt auch die Kultur versaut, nehmen wir diesem Winzling besonders übel. Kein Respekt vor gar nichts! Fehlt nur noch, dass er die ttt-Truppe angreift. "Wie wirkt sich das alles aus, auf unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft?", fragt MDM. Sie ahnen es, es ist eine rhetorische Frage. 

Auch in erotischer Hinsicht ging es hoch her

Die Antwort gibt eine Philosophin, die sich noch an die letzte Corona-freie Leipziger Buchmesse erinnern kann. "Es wird getanzt, es wird Party gefeiert, auch in erotischer Hinsicht geht es hoch her", jetzt würde sich diese "Art katholische Messe in protestantischer Einzellektüre" auflösen. Schrecklich! Jeder wixt, Pardon: liest für sich allein! 

Wie das geht, erklärt ein Schriftsteller und Literaturmanager. Er ist überzeugt davon, "dass es im Augenblick nichts Besseres und nichts Gesünderes, der Situation gegenüber Angemesseneres gibt, als zu sagen, komm, ich schnapp mir jetzt ein Buch und setz mich hin". Corona, Freund und Helfer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, könnte auch den Friedenspreis in diesem Jahr bekommen. In Zusammenarbeit mit der gleichnamigen Biermarke.

Dann kommt die schräge Philosophin wieder dran und erinnert daran, was ihr Kollege, "der berühmte Philosoph und Historiker Michel Foucault" schon mal "am Beispiel der Pest gezeigt hat", nämlich, "dass der Kampf gegen Ansteckung so etwas ist wie die Urszene der modernen Disziplinierung". 

Lieber Sanft & Sicher als Foucault

Wir überspringen den Auftritt eines Medizinhistorikers, der die fünf Phasen einer Seuche erklärt, und tauchen wieder in die Urszene der modernen Disziplinierung ein. Da geht es zu wie bei Sloterdijks unterm Sofa: "Nach den ersten Opfern stirbt als nächstes der Gemeinsinn", sagt eine Stimme aus dem Off, "den Hamsterkäufern fehlt das Klopapier, den Dichtern und Denkern, die in ihrer Kammer sitzen, fehlt der Austausch mit ihrem Publikum". Endlich ein Satz, den ich unterschreiben kann. Vor die Wahl gestellt, zwischen einem Buch des berühmten Philosophen und Historikers Michel Foucault und einer Rolle Klopapier wählen zu müssen, würde ich mich immer für Sanft & Sicher entscheiden. 

"Man muss natürlich sehr aufpassen", räsoniert die Philosophin, "dass man sozusagen da nicht auch ins Regressive oder gar Reaktionäre abgleitet, weil natürlich, ein Virus, der von Außen eindringt, das sind alles Konzepte, die, das wissen wir als Deutsche sehr genau, uns tatsächlich in den Abgrund geführt haben".

Ja, haben denn die doofen Deutschen, von MDM und der depperten Philosophin abgesehen, nichts aus ihrer Geschichte gelernt? Dass man nicht ins Regressive oder gar Reaktionäre abgleiten sollte, nur weil so ein winziges Virus von Außen eindringt, uns sozusagen penetriert, bis wir tot umfallen? Ist das mit der Willkommenskultur vereinbar? Hat nicht auch ein Virus ein Recht auf Leben und Entfaltung? 

Her geht es zu der Ursuppe. Viel Vergnügen.

Foto: Pixabay/Montage Letsch

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Leserpost

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Sabine Schönfelder / 10.03.2020

Ich ringe noch nach Luft, werter Herr Broder, vor Lachen!!! Zweimal Schade. Einmal, daß das Virus nicht nur Blöde penetriert und zweimal, daß die Infizierung nicht zu Sprech-und Fernsehverbot führt. Und jetzt lese ich Ihren Artikel noch mal von vorne, bin vergnügungssüchtig…..

Peer Munk / 10.03.2020

Ich hab schon Restle bzw. Monitor geguckt, das müssten zum Ausgleich auch 100Jahre weniger sein in der Hölle. Ein Beitrag darüber, ob man unsere Zeit mit Weimar vergleichen könne. Ja, das könne man durchaus, heisst es auf Monitor - die bösen Rechten, Höcke sage im Prinzip dasselbe wie Hugenburgusw… Von der LINKE auch nach der berüchtigten Strategiekonferenz kein Wort. Das ist nicht Dummheit, das ist Absicht. Monitor (und der ÖR) arbeitet an der Überwindung unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates.

Daniela Wagner / 10.03.2020

Der ĎIETER wahr früher mal ganz sehenswert. Das ist lange her. In den 90ern. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass so eine ursprünglich mal harmlose, leicht links-progressive Gesinnung bei manchem zu einer dicken Verkrustung, gleich einer Borke, geführt hat. Traurig, das!

S. Lenz / 10.03.2020

Irgendwo im Netz schnappte ich jüngst diesen markigen Slogan auf: “Open Borders - Kein Virus ist illegal!”

Gereon Stupp / 10.03.2020

Der Ihnen die 100 Jahre Nachlaß in der Hölle versprach, muß ein Lutheraner gewesen sein. Diese Häretiker haben nicht nur keine Ahnung von Tuten und Blasen, sie sind obendrein auch noch bösartig. Also zur Klarstellung, Rabatt gibt’s nur im Fegefeuer und das ist nur für ordentliche Kathoholiker. Juden, wie Sie und Heidenlümmel, wie ich kommen direktemang in die ewigen Spaßgründe. ... apropos, schreibt man w***n nicht mit **chs**? Komisch, beim Hexen weiß jeder wie man’s schreibt, aber keiner, wie man’s macht ..

Frances Johnson / 10.03.2020

Wenn man glaubt, dass man im Verlauf des nächsten Jahres sterben kann, kauft man möglicherweise nicht auch noch Bücher für die Erben zum Wegwerfen. Mit Neuwagen, die mit mindestens zehn Prozent Verlust vom Hof fahren, könnte es ähnlich sein. Zuerst erkannte diesen Zusammenhang die Stadt Genf. Messen? Wozu im Moment? Die Modeindustrie hat sich auch schnell angepasst, aber zu spät. Die Feudel wird es am Ende des Sommers mit 80 Prozent Nachlass geben. Es wird sich irgendwann alles erholen. Ein paar SUVs mehr werden nach Polen verkauft werden, die Luft in Polen wird etwas schlechter, hier besser. Der Staat wird sich die Hände reiben, mehr Anwälte, mehr Erbschaftssteuer, weniger Renten oder ist das zu böse? Liedvorschlag für den WDR: Und Corona fährt im Omastall den Panzer, den Panzer. Es ist noch Luft nach oben beim Absurden.

H. Wess / 10.03.2020

@hajo Wolf: Ich will mich konzentrieren… es geht nicht… mir laufen Tränen ins Gesicht… ich nenne diesen Virus “Lachflash” Danke! “Zu Poten chleutern! Chleutert den Wicht zu Poten!”

Roland H Müller / 10.03.2020

@ Heike Richter: “Endlich sind alle gleich, zumindest vor dem Virus!” Vor dem Virus vielleicht, aber nicht vor der Intensivstation. Schon wird überlegt, wen man an die, sollte diese knapp werden, lebensrettende Apparatur hängen soll, den 21 -jährigen Antifaschisten, oder den 84-jährigen honorigen alten weißen Mann.

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