Ulli Kulke / 04.04.2013 / 08:30 / 0 / Seite ausdrucken

Klimastatistik - es kommt drauf an, was man draus macht

Der März war erheblich kälter als ein „normaler“ März, darüber sind sich alle einig, die berufsmäßig mit Thermometern umgehen, irgendwo zwischen drei und vier Grad war die Abweichung, was schon eine ganze Menge ist. Wie aber der meteorologische Winter (Dezember bis Februar) einzuschätzen war, darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Deutsche Wetterdienst sagt, der vergangene Winter (Dezember bis Februar) sei um 0,1 Grad wärmer als der entsprechende langjährige Mittelwert, der Meteorologe Dominik Jung von wetter.net behauptet, die drei Monate seien zusammengenommen um 0,5 Grad kälter als jener Mittelwert. Beide haben Recht. Beide gehen von den selben Märztemperaturen aus, vergleichen diese aber mit verschiedenen „Referenzzeiträumen“. Da beide Seiten mit ihren Ansichten nicht allein stehen sondern jeweils „Verbündete“ haben, lohnt es sich, diese Unterscheidung einmal genau anzuschauen, und die beidseitigen Begründungen zu beleuchten.

Der Deutsche Wetterdienst vergleicht alle aktuellen Daten mit den jeweiligen durchschnittlichen Vergleichsdaten der Jahre 1961 bis 1990. Die Klimafolgenforscher des Potsdam Instituts und viele andere ebenso, und alle berufen sich dabei auf die World Meteorological Organization (WMO). Die anderen – wie Jung – nehmen als Vergleich die Jahre 1981 bis 2010, so auch der Wetterdienst Finnlands oder auch die amerikanischen Klimaforscher der NOAA. Wieder andere, wie der Österreichische Wetterdienst, nehmen 1971 bis 2000. Es ist also ein ziemliches Durcheinander und deshalb auch kein Wunder, dass die einen „zu warm“ rufen und die anderen „zu kalt“.

Ein großer Unterschied ist es dabei, ob im Referenzzeitraum die 90er Jahre enthalten sind oder nicht. Es war der Zeitraum, in dem die globalen Durchschnittstemperaturen (auch die deutschen) von Jahr zu Jahr am steilsten anzogen (und mancher Klimaforscher schon dachte, es werde keine Winter mehr geben, was er jetzt bitter bereut). Natürlich macht es auch etwas aus, ob die Jahre 2000 bis 2010 dabei sind, das wärmste Jahrzehnt seit Aufzeichnungsbeginn (dies unabhängig davon ob es in dem Jahrzehnt schon wieder sehr leicht bergab ging oder nicht). Je kälter (i.e. weiter zurückliegend) der Vergleichszeitraum, desto höher fällt ein aktuell wärmerer Wert aus, und umso geringer die Differenz zu den ganz eisigen Frosttagen.

Die WMO argumentiert damit, dass ein Durcheinander in den aktuellen Zahlenreihen entstünde, wenn sich andauernd die Referenzzeiträume änderten. Sie wollen erst nach Ende dieses Jahrzehnts umschalten, dann aber gleich auf 1991 bis 2020. Dieser Standpunkt hilft natürlich nebenbei denjenigen, die nicht müde werden zu erzählen, dass die Welt auch derzeit immer wärmer wird, womöglich auch noch immer schneller. Was seit etwa eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr stimmt, was sich aber dennoch deutlich so anhört, wenn man heute immer Temperaturen misst, die meist erheblich wärmer sind als in den Jahren 1961 bis 1990.

Eine ehrlichere Grundlage für den Begriff „langjähriges Mittel“ wäre ein möglichst zeitnaher Dreißigjahres-Zeitraum, der idealerweise sogar jedes Jahr mitlaufen würde. Wenn man es genau nimmt, müsste man ja nach allen Seiten vergleichen, um den aktuellen Wert wirklich aus der Mitte eines Zeitraumes heraus angeben zu können. Das geht natürlich nicht, weil wir künftige Temperaturen nicht kennen, auch nicht die in 15 Jahren, obwohl man bei vielen Klimaforschern ja den Eindruck hat, dass sie dieses Wissen für sich beanspruchen. Gerade sind wir dabei die Temperatur im Jahr 2100 feinzujustieren und auf 2 Grad festzuschrauben am großen Wetterhahn.

Wenn wir aber schon nicht in die Zukunft messen können, sollte der Vergleichszeitraum so nah wie möglich sein, ansonsten wäre „langjähriges Mittel“ falsch, es müsste heißen: „verglichen mit Großvaters Wetter“, oder, „eineinhalb Generationen zurück“. Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, zu vertuschen, dass es heute wärmer ist als in den 60er Jahren. Darüber besteht kein Zweifel. Das ist aber eine andere Baustelle der Klimastatistik, dabei geht es nämlich um den Vergleich von verschiedenen Dekaden oder auch Jahrhunderten. Beim aktuellen Mittelwert und dem langjährigen Mittel aber geht es darum, was der neue Wert, eingebettet in die gerade herrschende Klimalage aussagt über eine eventuell bestehende Dynamik nach oben oder unten, über Ausreißertage, -monate und -jahre, egal ob es um Temperaturen, Niederschlag oder Sonnenscheindauer geht.

Womöglich sind diese Daten, wie sie hier offiziell verglichen werden, denn auch manchem Klimaforscher so zu Kopf gestiegen, dass er uns immer noch erzählt, es werde gerade jetzt immer schneller immer wärmer. Da täte eine Umstellung der Vergleichszeiträume vielleicht ganz gut.

Der Meteorologe Markus Müller von WetterOnline (wo man ebenfalls 1981 bis 2010 zugrunde legt) schreibt dazu völlig zu Recht: „Übertragen wir dieses Vorgehen beim Klima auf andere Bereiche. Die Inflationsrate könnte man mit den Jahren 1971 bis 1980 oder die Unfallstatistiken mit einem ‚Normal’ von 1985 bis 2000 vergleichen.“ Der DWD vergleiche da mit Werten, die heute ein 40jähriger gar nicht mehr erlebt habe, so verabschiede man sich immer mehr vom Empfinden der Menschen. „Man könnte meinen, mit dieser Vorgehensweise soll sichergestellt werden, dass das Thema Klimaerwärmung hochgehalten werden kann“. Könnte man meinen.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT

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