Maxeiner & Miersch / 08.10.2011 / 16:06 / 0 / Seite ausdrucken

Klimaschutz über Leichen

Die Soldaten schossen in die Luft, trieben die Dorfbewohner aus ihren Hütten und legten dann Feuer. Über 20 000 Einwohner des Mubende Distrikts in Uganda sind nach Angaben der britischen Entwicklungshilfe-Organisation Oxfam auf diese Weise obdachlos geworden. Bei einer dieser Vertreibungsaktionen verbrannte ein achtjähriges Kind. Die Menschen mussten weichen, weil die Firma New Forest Company dort Bäume pflanzen will, eine Investition im Rahmen des internationalen Emissionshandels zur Rettung des Klimas.

Wenn Firmen mehr Kohlendioxid (CO2) ausstoßen als sie dürfen, können sie dafür Zertifikate kaufen, wodurch anderswo auf der Welt Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden, zum Beispiel Aufforstung in Uganda. Das klingt nach einer pfiffigen Idee, den Anstieg des CO2 in der Atmosphäre zu drosseln. Dieses Gas, das Pflanzen zum Leben brauchen, soll nach Ansicht vieler Experten Hauptverursacher einer künftigen globalen Erwärmung sein.

Seit in der EU solche Zertifikate eingeführt wurden, strömen Vertreter von CO2-Handelshäusern hinaus in alle Welt, um passende Klimaschutzprojekte zu finden. Was diese Projekte für Nebenwirkungen hervorbringen, wird dabei gelegentlich übersehen. Nicht nur in Uganda kosteten solche Vertragsgeschäfte Menschenleben. Aus Honduras wurde berichtet, dass von Großgrundbesitzern angestiftete Killer 23 Kleinbauern ermordeten, weil sie einer Ölpalmplantage im Wege standen, die im Rahmen des europäischen CO2-Zertifikatehandels angepflanzt werden sollte. Leider kann man solche Meldungen über die gruseligen Folgen der Klimarettung fast nur in ausländischen Zeitungen lesen.

In den Zukunftsszenarien von Al Gore, Norbert Röttgen und anderen Klimaschützern ist viel von künftigen Opfern einer globalen Erwärmung die Rede. Die Toten in Uganda und Honduras haben jedoch nicht hypothetisch sondern ganz real ihr Leben verloren – im Dienste des Klimaschutzes. Auf ein bisschen öffentliche Empörung darüber wartet man in Deutschland vergebens.

Es gibt jedoch auch hoffnungsfrohe Nachrichten. Manchmal siegen die betroffenen Menschen über rücksichtslose Klimaretter. Im Nordosten Chinas erreichten Tausende Demonstranten durch hartnäckigen, tagelangen Protest, dass eine Fabrik für Solarmodule geschlossen wurde. Die Produktionsanlage für klimafreundliche Energiegewinnung hatte die Luft verpestet und so viel giftiges Abwasser in einen Fluss geleitet, dass Fische und Wasservögel in Massen starben. 

Erschienen in DIE WELT am 07.10.2011

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Maxeiner & Miersch / 24.11.2014 / 22:19 / 4

Cash fürs Gucken

Die kulturelle Innovation des Jahres kommt aus Hamburg und wurde von einem Veganer erdacht, der seinen Mitmenschen das Fleischessen abgewöhnen möchte. Dafür hat er einen…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 16.11.2014 / 10:00 / 6

Kuscheln im Schoße des Staates

Einst waren sie groß und mächtig: Energiekonzerne wie RWE, Eon und Vattenfall verdienten Milliarden, ihre Aktien galten als sichere Bank. Dann kam die Energiewende. Atomkraftwerke…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 08.11.2014 / 19:43 / 8

Orientalische Nostalgie

Der Früher-war-alles-besser-Mythos gedeiht in Deutschland in allen Schichten. Viele glauben, Omas Welt sei sicherer, gesünder und gemütlicher gewesen. Die Grünen und die AfD leben von…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 26.10.2014 / 06:00 / 1

Die Träumer waren Realisten

Nachher ist man immer klüger. Auch wir haben manchmal das Gefühl, irgendwie hätten wir den Mauerfall kommen sehen oder zumindest so ein bisschen geahnt. Gedächtnis…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 18.10.2014 / 19:31 / 13

Die Einsamkeit des Carnivoren

Das feuilletonistische Segment der globalisierten Gesellschaft zieht es jedes Jahr zur Frankfurter Buchmesse. Es versammeln sich sehr belesene und sehr schwarz gekleidete Menschen, die am…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 08.10.2014 / 10:24 / 1

Wir sehen uns in Frankfurt

Noch fünf Tage, dann liegt „Alles grün und gut?“ in jedem Buchladen. Wer vorher schon mal reinschauen möchte, kann dies am KNAUS-Stand auf der Buchmesse…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 05.10.2014 / 20:32 / 7

Analoger Widerstand

In den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts propagierten Automobilindustrie und Automobilverbände die „Freie Fahrt für freie Bürger“. Es ging damals darum, ein Tempolimit zu verhindern. Auch…/ mehr

Maxeiner & Miersch / 27.09.2014 / 09:45 / 3

Pfeif’ auf den Tropenwald, es geht ums Prinzip

Seit alle Menschen grün sind, weiß niemand mehr so recht, was grün eigentlich bedeutet. Es gibt grüne Windkraft-Inverstoren und grüne Vogelschützer, die sich spinnefeind sind.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com