Ulli Kulke / 30.09.2013 / 21:54 / 1 / Seite ausdrucken

Im Alarmismus gefangen

Und ich sag noch… So ungefähr könnte dieser Blog beginnen. In meinem Leitartikel in der gestrigen „Welt am Sonntag“ hatte ich noch darauf hingewiesen, wie durch ständige Übertreibungen des Weltklimarates IPCC dessen Glaubwürdigkeit in Gefahr gerät. Das völlig überzogene Wachstum im Alarmismus gefährdet quasi die Nachhaltigkeit der Argumente in der Klimadiskussion. Die Apokalypse-Vorräte sind auch endlich, wie die von Kohle und Erdöl, sie erschöpfen sich.

Heftiger als die Forscher rühren allerdings manche Journalisten die Alarmtrommel, wie ich dabei auch ausführte. Auch dafür schließlich war die Diskussion um den gerade vorgelegten fünften Sachstandsbericht des IPCC ein gutes Beispiel. Und es geht weiter: „Die globale Temperatur erwärmt sich schneller als je zuvor in einem Erdzeitalter“ heißt es in dem Kommentar des Berliner Tagesspiegel vom Montag, gleich vorne auf der Titelseite. Gewichtige Worte, die zunächst mal nicht ganz einleuchten: Was heißt: In einem Erdzeitalter? Hat sich die Temperatur über die Dauer von zwei Erdzeitaltern schon mal noch „schneller“ erwärmt? Dann müssen sie sich selbst überholt haben. Ich vermute mal, „Erdzeitalter“ hört sich einfach sehr gewichtig und bedeutsam an, deshalb wird es hier bemüht.

Aber lassen wir das mal mit dem Erdzeitalter. Die Behauptung der Einmaligkeit ist auch ohne dasselbe fragwürdig genug. Wenn die Kommentatorin mit ihrer Behauptung Recht haben sollte, dann weiß sie mehr als alle Klimaforscher zusammen. Wohl niemand von denen würde so etwas über die viereinhalb Milliarden währende Erdgeschichte mit all ihren Zeitaltern so pauschal behaupten. Im Gegenteil.

Wir brauchen gar nicht so weit zurückzugehen. Kein geringerer als Phil Jones, einst einer der großen Scharfmacher unter den alarmistischen Klimaforschern, um den es allerdings etwas stiller wurde, nachdem besonders von ihm 2009 sehr viele peinliche Emails im Zuge der „Climategate“-Hacker-Affäre ans Licht kamen, hat 2010 auf einen Fragekatalog der BBC festgestellt: Die letzte Erwärmungsphase der Erde (Ende 20. Jahrhundert) fand in einer vergleichbaren Rate statt wie drei andere Perioden seit 1860. Die letzten beiden Jahre seit dieser Feststellung ändern daran gar nichts, weil es da bekanntlich nicht mehr wärmer wurde.

Übrigens will Jones in diesem Interview mit dem BBC auch nicht ausschließen, dass de mittelalterliche Warmzeit ebenfalls vergleichbar sein könnte mit dem heutigen Geschehen. Für die nördliche Hemisphäre ist sie gesichert, für die südliche ist sie – laut Jones wiederum – nicht widerlegt, sondern nur mangels Messergebnissen von Proxidaten (noch?) nicht belegt.

Nochmal zurück zu den Erdzeitaltern, dem Großen und Ganzen: Die Dansgaard-Oeschger-Ereignisse, die in der letzten Eiszeit im regelmäßigen Abstand von knapp 1500 Jahren auf der Nordhalbkugel die Temperaturen innerhalb von 30 oder 40 Jahren um bis zu zehn Grad erhöhten, sind auch nicht außer acht zu lassen. Gewiss, sie fanden zunächst nur im Norden statt, verzögert dann allerdings wirkten sie sich auch im Süden aus. Die Annahme, dass sich die Temperaturen dabei zwischen Nord und Süd stets gegenläufig verhielten und letztlich ausglichen, ist überholt. Auch wenn der Schwerpunkt damals im Norden lag, im Durchschnitt würde die Erwärmngsgeschwindigkeit von 0,9 Grad in knapp 10 Jahren locker erreicht. Auch heute übrigens liegt der Schwerpunkt der Erwärung auf der Nordhalbkugel.

Als Ursache dieser genannten früheren Ereignisse kommen auch Schwankungen der solaren Intensität in Frage, was selbst solche Forscher einräumen, die ansonsten die Sonne aus allen aktuellen Diskussionen heraushalten wollen. Aber die Ursache sind egal, hier geht es lediglich darum, ob ein solcher Fakt vorliegt oder nicht.

Es bestätigt sich ein ums andere Mal. Gerade Journalisten und Journalistinnen fühlen sich legitimiert, im Sinne einer – vermeintlich –  guten Sache zu übertreiben. Damit tun sie auch sich selbst keinen Gefallen.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT

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Leserpost

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Christian Schulz / 01.10.2013

Ach ja, der Tagesspiegel. Dort finden sich auch richtig kluge Sätze von Politikredakteurin und Klimaexpertin Dagmar Dehmer zu physikalischen Grundlagen des Klimawandels.: “Die Erde ist schließlich kein lineares System, in dem jede Ursache zu exakt einer Folge führt” oder “Die Ökosysteme der Erde sind nichtlineare Systeme, auf die viele verschiedene Faktoren Einfluss haben und deren Wirkung nicht immer ganz genau absehbar ist.” Richtig, nur sollte man daraus dann auch die notwendige Schlussfolgerung ziehen, dass Voraussagen in solchen Systemen eben schlicht nicht möglich sind. Die Klimaforscher jagen den “Laplaceschen Dämon”. Auch die werden ihn nicht fangen, auch dort ist er unmöglich.

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