Matthias Matussek
Da wir nun alle so „Charlie“ sind, so gratismutig im Angesicht des Todes, dieses blutigen Mordes in Paris, muss ich gestehen: Ich bin es nicht. Ich bin feige. Ich möchte nicht sterben.
Sicher, die frechen und nicht immer geistreichen Künstler-Angreifer des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ hatten Mohammed beleidigt; nicht nur ihn übrigens, das sei hier kurz erwähnt, sondern auch immer wieder und durchaus eklig die Katholische Kirche, was mich allerdings bisher nie veranlasste, in ihren Büros mit der Kalaschnikow aufzutauchen.
Vielleicht in Gedanken. Aber auch das wäre eine Sünde, die ich beichten müsste.
Zu meiner Feigheit: Vor einigen Wochen war ich zu einer Talkshow eingeladen, zum Thema Toleranz. Notgedrungen kam die Rede auf den Islam. Und da rutschte mir raus, dass ich den Koran mit all seinen mörderischen Strafen für die Erfindung eines nicht sehr sympathischen Kerls halte, der im siebten Jahrhundert Visionen hatte.
Gut, ich habe mich drastischer ausgedrückt, weniger kultiviert, eher mit einer derben mündlichen Hebdo-Karrikatur.
Ein paar Tage nach der Aufzeichnung wurde mir mulmig und ich bat die Redaktion, den Satz rausschneiden zu lassen, schließlich habe ich Familie und hänge irgendwie an diesem Leben.
„Ach“, hieß es dort großzügig, „wir haben doch Meinungsfreiheit, das ist nicht wild“. Na klar, dachte ich, für euch nicht, ihr Pappnasen, aber für mich könnte es wild werden!
Die Sendung ist ungeschnitten ausgestrahlt worden und ich lebe noch.
Was mir ermöglicht immerhin das noch zu sagen: Längst ist die Meinungsfreiheit bei uns nicht mehr nur von den Islamisten bedroht, sondern von innen, von einer Schweigespirale, an der wir Presseleute mitarbeiten, in vorauseilendem Gehorsam, aus Gedankenfaulheit oder in fürsorglicher Belagerung der Leserschaft, leicht überheblich, um sie zur rechten, das heißt im Falle der deutschen Presse überwiegend linksgrünen, Gesinnungsart zu führen, die im „Islamfeind“ gleich den „Rassisten“ sieht, und in dem, na wen wohl, den „Faschisten“.
Das Volk, „der große Lümmel“ (Heinrich Heine), muss erzogen werden. Merke: Gefahr geht immer von rechts aus. Und wenn sie mal vom Islamisten ausgeht, dann stecken trotzdem Rechte mit drin. Diese einfache Wandteller-Gewissheit wandert querbeet durchs politische Geschäft und durch das der Kolumnisten.
Da war die Neujahrsbotschaft der Kanzlerin, tatsächlich ganz besorgte Mutti, allerdings auch eine entsetzlich bevormundende, sie gängelte, was einen schalen Geschmack hinterließ. Geht nicht demonstrieren, sagte sie: „Diese Leute haben Vorurteile, bisweilen auch Hass in ihren Herzen.“
Mit einer gewissen Konsequenz wächst seitdem der Strom der Pegida-Demonstranten, jener leicht drolligen Vaterlandssucher und Globalisierungs-Verlorenen und –Ratlosen, und sicher, Kleinbürger, aber das ist kein Verbrechen.
Immerhin, sie sind nicht alleine: 60 Prozent der Deutschen so eine jüngste Untersuchung, möchten, dass „unsere Identität, unsere Werte du Eigenschaften wieder stärker in den Mittelpunkt rücken.“ Auf 14 Prozent kommen die, die das nicht wollen, unter denen ganz sicher auch die Antifa-Radikalen, die „Nie wieder Deutschland“ brüllen.
So gesehen war Pegida in Beginn eine Avantgarde, die auch für die Stummen in anderen Städten auf die Straße gehen. Dass die Angst vor Islamisierung lächerlich sei, hieß es und heißt es, wo es doch so wenig muslimische Türken gibt in Dresden. Ich würde sagen: gerade deshalb. Sie kennen den Islam aus den Nachrichten, als politisches und kriegerisches System mit Hinrichtungen, Steinigungen, Fatwas, verhüllten Frauen, Terroranbschlägen.
Auch ich sehe im Islam als System das pure Grauen. Dennoch habe ich türkische Freunde, türkische Nachbarn, mit denen ich mich bestens verstehe, und über Religion rede ich nicht mit ihnen, warum auch.
Die Anschläge von Paris dürften nun endlich den Beweis geliefert haben, dass Pegida recht hatte mit ihren Ängsten. Dennoch lassen sie weiterhin stoisch die anschwelenden Beschimpfungen über sich ergehen. Wenn Pegida nicht den Mut und den Verstand verliert, könnte es eine wichtige demokratische Widerstandsbewegung sein, eine wirkliche Apo.
Währenddessen sind die Volkserzieher von Presse und Politik fieberhaft mit Sprachregelungen beschäftigt, die wie ein Tanz durchs Nirgendwo sind. Es gilt: Was immer passiert, ob bei diesem jüngsten Terrorakt oder all anderen davor, (sowie bei allen, die noch kommen werden): Wenn es Tote gibt und „Allahu akbar“ gerufen wird, hat das NICHTS mit dem Islam zu tun.
Höchstens mit Islamismus, was allerdings ein ziemlich schmaler Spalt ist, durch den das Volk da soll, gedanklich und mental, weil ja doch all die Grausamkeiten im Koran abgesegnet sind. Im Kampf gegen die Kuffar ist alles erlaubt, also gegen Christen und Juden, die letztlich sowieso verloren sind, wenn sie sich nicht freiwillig unterwerfen und konvertieren.
Ziel: das Weltkalifat.
Wüstenstaub und siebtes Jahrhundert wehen einen an aus diesen Seiten. Erobererliteratur, Kriegsliteratur, streng genommen. Doch in ihr steht die Gebrauchsanweisung für den Alltag 2015. Selbst das Steinigen ist wieder auf der Welt. Und das gilt es offenbar zu respektieren, jede Religion hat ihre Vorschriften.
Selbstverständlich sind die Muslime bei uns friedlich. Es sind nur bisweilen ihre Söhne, die sich freiwillig zum Dschihad melden, auf der Suche nach action, nach einer Lizenz zum Töten, gemeinsam mit anderen mit konvertierten Teenagern, die das Ballern auf ihren Spielekonsolen überdrüssig sind, da ist die Religion schon wieder zweitrangig - bei einem jungen britischen Dschihadisten hat man Buchbestellungen wie „Islam for dummies“ ermittelt, es musste offenbar schnell gehen.
Das Verarbeitungskunststück unserer Vorkoster nach dem Paris-Massaker war absolut sehenswert. Erste Reaktion: Trauermine, sicher, aber sofort die Mahnung gegen rechts. Manchmal gabs die Mahnung gemeinsam mit der Nachricht, ntv meldete: „Nach dem Terroranschlag von Paris – CDU warnt AfD und Pegida.“
Überhaupt war es wichtig an diesem Abend, neben der Trauer, klar, Pegida zu bekämpfen, weil Pegida offenbar Schuld an dem Attentat war. FAZ-Herausgeber Berthold Kohler bog zu Beweiszwecken eine skurrle Metapher zurecht, das Blut der Opfer nämlich verwandelte sich bei ihm in Wasser, und das wiederum floß auf die Mühlen der Pegida.
Ein zweiter Gedanke war darüber gelegt, nämlich die Mitschuld der Pegida an diesem Anschlag auf die Freie Presse. Schließlich waren sie es, die den Begriff „Lügenpresse“ erfanden. (Der Terminus „Lügenpresse“ allerdings war schon häufiger in Gebrauch, die Nazis nutzten ihn, aber auch die linke Apo nach dem Attentat auf Dutschke)
Parolen gegen die „Lügenpresse“ also und die Tatsache, dass auch die Islamisten die freie Presse nicht mögen, bewies Kohler und anderen Leitartiklern, daß Pegida mit den Terroristen in einem Boot sitzt.
Der Verband der deutschen Zeitungsverleger hat diese Perfidie von einem Karikaturisten in Szene setzen lassen: Pegida-Demonstranten im Hintergrund und vorne zwei Attentäter, von denen der eine sagt: “Die reden ja nur, wir handeln.“
Die also, das Pegida-Pack im Boot des Verderbens, und wir demokratischen Leitartikler in dem anderen, in dem der Helden: „Wir sind Charlie“.
Allerdings wurde „Charlie Hebdos“ Vermächtnis merkwürdig verstanden. Deren Redalkteure hatten ihre antiislamischen Provokationen mit dem Leben bezahlt, während unsere statt des Islam doch eher, na wen wohl, Pegida aufs Korn nahmen. Eine klassische Übersprunghandlung.
In dem Bemühen, die islamische Welt nicht zu verstören, hat sich ein Schleier aufs Land gelegt. Und auf die Wahrheit. So ist es zum Beispiel mittlerweile Brauch, bei antisemitischen Übergriffen die Täterschaft mittlerweile möglichst lange zu verschweigen - wenn sie islamisch ist.
Was zum Beispiel der Fall war bei jenem Synagogenbrand, der zum letzten „Aufstand der Anständigen“ führte. Schröders Linksgrüne hatten die Republik zum Kampf gegen rechte Glatzen aufgefordert - die Täter jedoch waren ein Marokkaner und ein Palästinenser.
Nachrichten, das Geschäft der Presse, sind offenbar ein vorsichtiges, homöopathisches Unternehmen geworden. Noch bis in die späten Abendstunden sprach die ARD nur von einem „mutmaßlich islamistischen“ Verbrechen.
Spät in der Nacht lud Plasberg, hart aber fair, eine Runde von Islamverstehern zu sich, die sich einig darin waren, dass die Sache „nichts mit dem Islam zu tun hat“, und Michel Friedmann glänzte einmal mehr dadurch, dass er die Islamkritiker, warum auch immer, als „Rassisten“ schimpfte.
Sigmar Gabriel vermied die Wörter „Islam“ oder „Islamismus“ peinlichst in einer ersten Reaktion, und warnte nach rechts. Sein SPD-Parteifreund Heiko Maas, Justizminister, hatte ja die islamkritischen Pegida-Demonstranten schon vorher einen „Schandfleck für Deutschland“ genannt.
Nach dem Attentat ging er eine Moschee besuchen – warum keine Synagoge? Bei ihrer anschließenden Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt hatten die Killer vier jüdische Kunden getötet.
Nun, der Schandfleck, den der SPD-Justizminister in den Pegioda-Demonstranten sah und sieht, ist mittlerweile enorm gewachsen - rund die Hälfte der Deutschen sympathisierten zweitweise mit dieser merkwürdigen rechten Apo. Nur haben sie mittlerweile gelernt, nicht öffentlich darüber zu reden. Sie werden sich bei den kommenden Wahlen ganz sicher mit ihren Stimmzetteln äußern.
Natürlich habe ich auch Angst. Siehe oben. Doch wenn ich mir die Generalmobilmachung der Gesinnung aus Politik, Presse, Kirchen und Showleuten gegen Pegida anschaue, krieg ich auch Angst, um mich, um meine Haltung, um meinen Beruf, denn ich weiß: der Terror hat gewonnen. Wir sollen alle den offiziellen Sprachregelungen folgen. Wir sollen alle in die gleiche Richtung.
Allerdings: Wenn alle in die gleiche Richtung marschieren, krieg ich ganz schwere Füße. Und wenn Sprachregelungen getroffen werden, bekomme ich Atemnot. Dabei geht es mir erst mal gar nicht um die Parolen, sondern um das Recht darauf, gegen den Strom zu laufen. Kurz: Um Meinungsfreiheit.
In Wahrheit ist keiner von uns „Charlie“, auch wenn wir uns – aus Solidarität und Grandiosität - so nennen. In Wahrheit hätte „Charlie Hebdo“ bei uns gar keine Chance, der Konformitäts-Zwang, der Ächtungsdruck wäre zu groß!
Vor zwei Jahren, als „Charlie Hebdo“ seine beleidigenden Karikaturen brachte, schäumte die linke Multikulti-Intelligenz, von SZ bis Grass, über diese Beleidigug religiöser Gefühle. Oft waren es die gleichen Leitartikler, die angesichts antikatholische Entgleisungen ungerührtes „Aushalten“ empfehlen.
Unser Verständnis dem Islam gegenüber geht dagegen sehr weit, wir dulden Zwangsverheiratungen, Verschleierungen, ja sogar die Scharia, wenn eine Frankfurter Richterin die Prügelstrafe eines Mannes an seiner Ehefrau mit dem Hinweis auf eben die Sharia-Gesetzgebung entschuldigt.
Da sind die Vorschläge, „Weinachtsmärkte“ in „Wintermärkte“ umzuwidmen oder einen Sternsingertreffen in Potsdam zu untersagen, weil es eine „religöse Vereinnahmung“ bedeuten würde - man ist gegen solche Indoktrinationen sehr streng geworden im christlichen Abendland.
Gleichzeitig wird vorgeschlagen, muslimische Lieder in unseren Kirchen zu singen.
Und wenn es mal wieder hapert mit dem interkulturellen Dialog, dann schicken sich die Publikumslieblinge und Stimmungskanonen Mathias Schweighöfer oder der unglaublich mutige Jan Böhmermann selbst durch sperrangelweite Türen, um im Chor mir anderen Lämmern, mä-ä-ääää, über die dumpfen Dresdner herzuziehen.
DAS macht mir Angst, dieser Herdentrieb. DAS verursacht Übelkeit. DAS ist die totalitäre Gefahr, egal ob die geächteten Demonstranten Pegida heißen oder „Interessengemeinschaft zur Einführung des Verzehrs von Kindern“
Wie sagte der italienische Schriftsteller Ignazio Silone: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus’.”
Heutzutage sagt er: Ich bin eine Religion, rührt mich nicht an.
Nach den Morden von Paris hätte ich mir Massenproteste von Moslems in unseren Straßen gewünscht, einen großen Aufschrei unter dem Titel „Nicht in unserem Namen.“ Es blieb ruhig, sehr ruhig, wieder einmal. Tatsächlich war mehr Lametta, als der (vom Verfassungsschutz beobachtete )islamistische Verband Millis Görüs untergehakt wurde beim Marsch der Anständigen gegen die Islamkritiker.
Wäre es nicht an der Zeit für die muslimische Welt, den Aufforderungen des ägyptischen Präsidenten al-Sisi zu einer großen islamischen Kurskorrektur zu folgen? Zu einer Revolution? Zu einem neuen Verständnis der Bücher?
Während Merkel in ihrer Neujahrsansprache mit den Islamkritikern ins Gericht ging, sprach der ägyptische Präsident zu Neujahr Klartext: „Wir Muslims sind 1,6 Milliarden“ rief der ägyptische Präsident aus, „wir können nicht die übrigen 7 Milliarden umbringen, nur um leben zu können“.
Wo uns die Geschichte des Islam hinführen wird? Vielleicht ja in jene heitere, sedierte, schöne neue Welt, die Michel Houellebecq in seinem satirischen neuen Roman entwirft. Houellebecq, der den Islam früher mal eine Idiotenreligion nannte, erträumt eine Zukunft der „Unterwerfung“, so der Titel seines Meisterwerkes.
Der Plot: Frankreich 2022. Es wird von Muslimbrüdern regiert, die säkulare Gesellschaft hat sich lustvoll ergeben. Sie hat es nicht anders verdient, sie ist ausgepumpt und lächerlich, ihre Presse, dominiert von „linksliberalen Journalisten“, war längst dazu übergegangen islamistische Gewalt zu verschweigen, denn sie arbeitet pädagogisch.
Eine Art Pegida mit dem Namen „Ureinwohner Europas“ hat sich noch gewehrt, doch die Mehrheit ist bereit zur Unterwerfung. Alle sind glücklich. Die Frauen bleiben zuhause und kümmern sich um die Kinder, von denen wieder mehr geboren werden und die Männer genießen die Polygamie.
Hm, Moment, das allerdings wäre ein Argument. Gefolgsame, biegsame Frauen, die die Hausarbeit machen?
Wie war das noch mal mit dem Islam?