Matthias Matussek
Dass die Nation schrumpft, wissen wir ja nun, aber dass plötzlich 1,5 Millionen Deutsche fehlen ist dann doch eine Größenordnung, die nach entschiedenen Maßnahmen rufen. Nachdem wir festgestellt haben, daß die Deutschen im Weltmasstab zwar einerseits sehr beliebt sind, andererseits aber mit einer Geburtenrate von 1,7 erheblich unter dem Reproduktionsniveau bleiben, also an der Selbstabschaffung arbeiten, müssen wir uns über den Artenschutz Gedanken machen.
Wir sind so was wie die Pandabären. Man mag uns, aber wir sterben aus.
Natürlich wären Appelle an die Unesco allmählich ins Auge zu fassen. Schützt die Deutschen. Doch die schtzen sich ja nicht selber. Anthropologen könnten einst die Geburtenunwilligkeit in Gründen in der berüchtigten German Angst finden, ein Syndrom, das mittlerweile verstanden wird und das auf eine genetische Prädisposition für Befürchtungen aller Art bedeutet, die umso intensiver empfunden werden, je gestaltloser sie sich ausnehmen.
Impfprogramme könnten aufgelegt und Schutzzonen eingerichtet werden. Geld allein übrigens tut es nicht – die bisher zusammengerechnet 200 Milliarden Euro jährlich an Familienförderung versickern so wirkungslos wie Gießkannen in der Sahel-Zone.
Doch nicht nur die Reproduktionsquote ist unterirdisch, auch der Wunsch nach Kindern ist bei uns so gering wie nirgends sonst. Nie wieder Deutschland, diese Kampfparole der Grünen aus den achtziger Jahren, scheint Wirklichkeit zu werden.
Wir anderen, wir Nichtgrünen, die wir aus igendwelchen sentimentalen Gründen an diesem Land hängen, in dem wir aufgewachsen sind, und deren Nationalmannschaft wir bei der WM anfeuern, sollten uns daher kreativen Strategien nicht verschließen.
Jetzt müssen alle ran. Besonders zwei Gruppen schieben sich da ins Blickfeld: katholische zölibatäre Priester und schwule Päärchen.
Schon seit Jahren sind zölibatäre Priester dem gesellschaftlichen mainstream ein Dorn im Auge. Wieviel demografisches Potential da verloren geht! Schon seit Jahren fordern sogar rund drei Viertel der Katholiken eine Aufhebung des Zölibats. Wie lange soll es noch dauern, bis sich die deutsche Bischofskonferenz zu einem Sonderweg auch in dieser Frage entschließt, egal was aus Rom kommt?
Die andere Gruppe wären die gleichgeschlechtlichen Paare. Die stehen zunächst vor einer ungleich größeren Hürde. Da die Schöpfungsordnung zur Zeugung der Nachkommenschaft die Polarität von Mann und Frau voraussetzt, ist es hier mit einer neuen Verordnung nicht getan.
Geht einfach nicht. Hat die Natur anders gedacht.
Aber wer sagt denn, dass wir das einfach so hinnehmen? Gerade bei Gleichgeschlechtlichen scheint der Kinderwunsch enorm groß. Und zum zum Glück gibt die Möglichkeit der Leihmutterschaft. Die Sache rechnet sich: Auf der einen Seite haben wir Eizellen von Frauen, die in Geldnöten sind, etwa in Indien, oder der Ukraine, oder in Kalifornien.
Auf der anderen Seite schwule Päärchen mit einem brennenden Kinderwunsch wie Jürgen und Axel Haase, er in der Papierbranche, sein Partner Hausmann, früher Industriekaufmann. Sie wurden in der SZ kürzlich vorgestellt.
Ihnen fehlte was. Kinder.
„Viele Heterofamilien lassen sich scheiden, wenn Kinder kommen, das kann uns nicht passieren.“ So sehr wollen sie Kinder. Sie sind das Modell Zukunft.
Sie schauten sich in Fertilitätskliniken in Mumbai um. Sie fanden eine Eizellenspenderin und eine Leihmutter. Ihr Wunschkind wurde zur Welt gebracht. „Aber dann begann der Albtraum“. Axel musste eineinhalb Jahre, wegen der Hartnäckigkeit deutscher Behören, die Leihmutterschaft als sittenwidrig verbieten und besonders ausländische Geburtsurkunden nicht anerkennen, auf Ausreisepapiere für das Mädchen warten.
Ein Martyrium, wie der SZ-Reporter mit Tremolo schrieb. Das Kind selber hat nicht soviel gekostet, aber die Nerven, der lange Aufenthalt, die Hitze, eine Qual! Unser SZ-Reporter litt mit.
Unkomplizierter war das Verfahren in Kalifornien, wie Jürgen und Axel Haase herausfanden, denn dahin wandten sie sich, da der Kinderwunsch immer noch nicht befriedigt war. Sie wandten sich an die Firma „A perfect match“, die weibliche Eizellen anbieten und Mütter, die ihren Bauch vermieten.
Hier kommt das End-Produkt, das Kind, zwar dreimal so teuer wie in Indien, dafür ist aber die Ausreise einfacher. Schon zwei Wochen nach der Geburt war Jürgen als Vater eingetragen und die Kinder – Zwillinge!- hatten ihre Papiere.
In Kalifornien kostete die Sache von der Eizelle bis zur Geburt zwar runde 50 000 Dollar, aber für die wohlhabenden Kruses war die Sache zu stemmen. Doch wie sieht die Sache (Kind) mit den weniger betuchten kinderlosen Kinderfreunden aus?
Abhilfe schafft nun der Billiganbieter Biotexcom aus der Ukraine. Hier gibt es alles – von der Eizelle, der Mietmutter, den einkalkulierten Fehlversuchen, samt aller nötigen Papiere – zu Festpreisen.
Dazu sind verschiedene Paketlösungen im Angebot. Das „Successpaket“ ist soeben von 12000 auf 9000 Euro reduziert worden. „Für diesen Preis kann sich eine deutsche Kundin die Eizelle einer ukrainischen Spenderin einsetzen lassen“, weiß die FAZ. Will die deutsche Klientin die fremde Eizelle jedoch nicht selber austragen, wie einst die Schauspielerin Kidman, die Angst um ihre Figur hatte, ist das „Idealpaket“ die Alternative. Dafür findet sich eine ukrainische Leihmutter. Das Produkt „Kind auf den Arm“ beziffert sich dann auf 27 900 Euro.
Dass sich bereits in den 80er Jahren deutsche Rechtswissenschaftler dagegen ausgesprochen haben, daß Kinder zur Ware werden, „die zum Preis eins Mittelklassewagens“ zum Verkauf stehen, kann die Begeisterung unserer schönen neuen Welt nicht eintrüben.
Wir sind einen Schritt, ach was, Kilometer weiter. Die Haases auf jeden Fall haben Fotos ihrer Eizellenspenderinen an der Wand hängen. Die Kalifornierin wollte tatsächlich ihre Kinder einmal auf dem Arm halten. Sie war danach so beruhigt wie die beiden männlichen Elternteile: da war keine übermäßige Reaktion. Sie hat sich den Kindern nicht verbunden gefühlt. Was für ein Glück!
Was den Durchbruch zu Homoehe und Adoption angeht, scheinen die Meinungsstrategen in den Redaktionen dann doch Zweifel beschleichen. Irgendetwas unaussprechbar Rückschrittliches scheint sich zu sträuben.
Als Minister Schäuble vorpreschte mit Reformen zum Adoptionsrecht für Homosexuelle, zeigten die „heute“-Nachrichten zwei Männer mit Kleinkind. Einer von ihnen küsste den kleinen Jungen auf den Mund. Doch für weitere Ausgaben einigte man sich auf die optisch weichere Variante – fortan waren es zwei Mütter, die sich liebevoll über ihr Kleines beugten.
Tief in uns gibt es wohl einen Urgrund nicht manipulierbarer Instinkte und Abwehrreflexe, die sich auch nicht mit noch so großen Selbsterziehungsanstrengungen beschwichtigen lassen. Dazu gehört offenbar, daß sich gleichgeschlechtliche Männer Kinder machen lassen.
Möglicherweise hängen sie mit uralten naturrechtlichen Vorstellungen über Fruchtbarkeit und Schöpfung zusammen, über die Polarität von Mann und Frau, die mehr bedeutet als nur eine kulturelle Zuschreibung, und über das Geheimnis des Lebens, das man nicht der Petrischale überlassen möchte.
Da wäre eine Menge zu tun.
Doch einstweilen engagiert sich unsere christdemokratische Kanzlerin auf die Förderung der Familie durch Elterngeld und Ausbau von Krippen.
Denn auch das ist von eminenter Bedeutung. Man stelle sich vor, dass der Axel irgendwann protestiert, weil ihn der Jürgen in diese vermaledeite Rolle aus Kindern und Küche drängt, in der er sich dann unfrei fühlt. Schließlich hat er mal Industriekaufmann gelernt. Da will er sich vielleicht auch mal wieder verwirklichen, sich irgendwo spüren als eigenständige Person. Und wenn dann keine Kita-Plätze zur Verfügung stehen, ist die Beziehung stark gefährdet.
Weshalb der Ausbau von Krippen forciert vorangetrieben werden muss. Wir Deutschen kriegen zwar immer weniger Kinder. Aber wir denken an alles!