Artur Brauner im FOCUS (Nr. 30/ 2013) über Heinrich George:
“…Heinrich George war nicht wehrlos. Er war dem Regime zu Diensten, das den größten Massenmord aller Zeiten befohlen hat. Er hat den Ruhm, die Rollen, die Auf-tritte mit Goebbels und Hitler genossen. Und all die anderen Vorteile. Diese Einstellung war im Nazi-Reich weit verbreitet. Oft standen die Nachbarn schon bereit, um die Wohnungen der Juden zu plündern, die gerade deportiert wurden.
Dabei hätte George wie jeder Schauspieler frei entscheiden können, ob er Mensch bleiben oder ob er um der Karriere willen die Verbrechen der Nazis ignorieren und an der Verbreitung ihrer Ideologie tatkräftig mitwirken will. Es gab eine Reihe von Schauspielern und Regisseuren, die erklärt haben, dass sie bei propagandistischen Filmen nicht mitmachen – auch auf die Gefahr hin, alles zu verlieren. Hans Söhnker und Rudolf Platte waren solch anständige Menschen.
Auch der Regisseur Helmut Käutner, mit dem ich später gearbeitet habe, hat sich geweigert, Propagandafilme zu machen – es hat ihn niemand gezwungen. Goebbels dachte ganz richtig: Wenn ich jemanden, der nicht zu uns steht, zwinge, einen Film zu machen, wird es nicht der Film sein, den ich haben will. Dieser Teufel arbeitete deshalb lieber mit Veit Harlan.
Heinrich George spielte in Harlans Film „Jud Süß“. Gemeinsam mit Ferdinand Marian und Werner Krauß stachelte er dadurch Zigtausende auf.
Eine Jüdin, die den Holocaust überlebt hat, erzählte mir, was sie nach einer Vorführung von „Jud Süß“ in Lemberg gesehen hat. Deutsche Soldaten und Zivilisten sowie Ukrainer sind wie ausgehungerte Bestien aus dem Kino gestürmt. Sie haben jüdische Menschen gesucht, die sie umbringen konnten. Sie haben Männer und Frauen, Kinder und Greise erschossen, erschlagen oder ertränkt. Sie waren voller Mordlust, aufgepeitscht von diesem schrecklichen Film.
Heinrich George wusste genau, was es bedeutete, wenn er da mitmachte. Er war ja intelligent genug. Ihm war es egal. Hauptsache, er war bei allem vorne dabei. Man sieht es im Film: Als Hitler paradiert, sitzt er in einem Wagen hinter ihm und gibt freudig Autogramme. Er hat das genossen, statt nachzudenken. Seine Frau Berta Drews, die ich später kennen lernte, hatte ihn gewarnt. Vergeblich.
George war ein Mitläufer im höchsten Sinne des Wortes, ihm hat es gefallen, dass er als Volksschauspieler hofiert wurde, gute Rollen bekam und wunderbar gelebt hat. Die Millionen Menschen, die anderswo von seinen Förderern umgebracht wurden, haben den Günstling nicht interessiert…”
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