Gunnar Heinsohn / 23.01.2015 / 18:35 / 2 / Seite ausdrucken

Griechenland und der Islam

Mit Griechenland ist es wie mit dem Islam. Was man dafür oder dagegen auch vorbringen mag, bleibt den treibenden Kräften vollkommen äußerlich. Bei den Islamisten sind das Hekatomben chancenloser, aber durchaus kompetenter junger Männer in muslimischen Staaten oder chancenlose Schulversager in den Sozialsektoren der Ersten Welt. Geschliffene theologische Debatten und hitzige Integrationsdiskurse sind denen absolut schnurz. Haben aber die Geburtenraten den Fall von 8 auf 2 Kinder pro Frauenleben geschafft, dann verkümmern – wie etwa in Algerien oder Libanon – blutmächtigste Bürgerkriege zu gelegentlichen Politmorden selbst dann, wenn die Hassprediger weiter hetzen.

Bei Griechenland setzen deutsche Ökonomen auf den Wiedergewinn internationaler Konkurrenzfähigkeit, wenn es endlich keine Geschenke mehr bekomme, sondern mit eigener und deshalb jederzeit abwertbarer Währung nach vorne blicken dürfe. Den Gegnern reichen die bisher verabreichten 240 Milliarden Euro vorne und hinten nicht. Nur unbegrenzt mehr davon bringe Griechenland wieder an die Weltspitze und die Europäische Union in Harmonie.

Griechenland war ökonomisch noch nie oben und hat jetzt schlechtere Aussichten als je, auch nur im Mittelfeld zu bleiben. Beim vierteljährlichen Bruttoinlandsprodukt sackt es von 63 Milliarden Euro 2008 (Juni-August) auf 48 Milliarden Euro sechs Jahre später. Von den wenigen Talenten, die man bei einem 39. Matherang in PISA-2009 (nach stolzem 28. von 2006) überhaupt noch aufbieten kann, machen sich immer mehr davon.

2013 gehen von je 10.000 Griechen fast fünfzig der Beweglichsten außer Landes (Bloomberg-Businessweek; 19.-25.1.2015). Hatte Hellas beim €-Beginn 2002 noch ein vitales Durchschnittsalter von gut 38 Jahren, so werden 2015 fast 44 Jahre erreicht. 2030 will die Mutter der Demokratie mit knapp 50 Jahren das drittälteste Volk der Menschheit sein, während selbst sein Zahlmeister Deutschland mit gut 48 Jahren auf dem 6. Platz springlebendig anmuten will (http://www.euromonitor.com/greece-in-2030-the-future-demographic/report).

Weder der Euro noch eine neue Drachme können irgendetwas für die Griechen leisten. Bei der Kaufkraft wird 2013 global der 63., beim Wirtschaftswachstum sogar nur der 116 Platz belegt. Vor totaler Verzweiflung bewahrt bestenfalls eine EZB, die Athen über Staatspapierkäufe immer wieder wuchtige Staatseinnahmen zukommen lässt. Am besten verstehen das die Griechen selber. Von ganz links bis weit rechts wollen bei gebotenem Heulen und Zähneklappern 74,2 Prozent im Euro bleiben (http://greece.greekreporter.com/2015/01/04/new-opinion-poll-shows-greek-citizens-want-syriza-samaras-and-euro/).

Auch Alexis Tsipiras und seinen Syriza-Wählern muss niemand erklären, was eine Transferzahlung ist. Wie ein Hartz-Vierer nicht in Länder ohne gesicherte Bezüge auswandert, so will auch keine Nation weg von Brüssel, dessen Megamilliarden man 2025 viel dringender braucht als heute.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Stephan Bergmann / 24.01.2015

Sehr geehrter Herr Kranzkowski, die Gemeinsamkeit wird doch erläutert: “Was man dafür oder dagegen auch vorbringen mag, bleibt den treibenden Kräften vollkommen äußerlich.” Beim Islam hängt das Gewaltpotential nicht an theologischen Debatten und Integrationskursen, sondern an der Anzahl junger Männer ohne Aussicht auf Status und Erbe. Analog hängt das Wohlergehen Griechenlands nicht an der EZB-Politik ab, sondern an der Fähigkeit des Nachwuchses und dessen Wanderungsverhalten. Die “treibenden Kräfte” der Probleme zeigen sich in beiden Fälle von den Manipulationen, auf die man seine Hoffnung setzt, unbeeindruckt.

Matthias Kranzkowski / 23.01.2015

Sehr geehrter Herr Heinsohn, Sie schreiben “mit Griechenland ist es wie mit dem Islam” und erklären in den nachfolgenden Sätzen nicht was Sie damit meinen. Das ist ein populistischer, plakativer Einleitungssatz ohne inhaltliche Substanz. Ist es nicht eher richtig, dass Griechenland und der Islam nichts gemeinsam haben, ausser Ihren schlechten Versuch zwei in Deutschland aktuell populäre Themen zu verknüpfen, um einer biederen Schlagzeile willen. Ich habe gerade den heutigen Beitrag “Entwarnung” von Herrn Broder gelesen. Der schafft es doch tatsächlich neue Erkenntnisse über Oralsex, Frau Merkel, eine Antimoslemseife von Aldi, die Autobahnmaut und in Strömen fliessendes Bier in einen Topf zu schütten. Da kann man was lernen.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gunnar Heinsohn / 01.01.2023 / 12:00 / 17

Whoopi Goldberg und „Jewish Race”

Nicht aufgrund ihrer „Rasse“, sondern wegen der „Unmenschlichkeit des Menschen gegen den Menschen“ habe Hitler die Juden ermorden lassen, erklärt Whoopi Goldberg im Magazin der…/ mehr

Gunnar Heinsohn / 01.11.2022 / 10:00 / 133

Putinsturz durch heimkehrende Truppen?

Eroberungskriege aus einer demografisch so desolaten Nation wie Russland hat es bisher nicht gegeben. Das weiß auch Putin. Seine Fehlkalkulation, was die Motivation der eigenen…/ mehr

Gunnar Heinsohn / 27.09.2022 / 12:00 / 114

Putins nukleare Vorsicht

Putin droht zwar gelegentlich mit dem Einsatz von Atomwaffen, doch wird er ihn wohl nicht befehlen. Nicht weil er Skrupel hätte, sondern weil er weiß,…/ mehr

Gunnar Heinsohn / 21.09.2022 / 13:50 / 136

Putins Teilmobilisierung: Wofür die einzigen Söhne verheizen?

Schon am 20. September berichtet Igor Sushko über die Panik russischer Mütter, die ihre Söhne – überwiegend einzige Kinder – vor Putin Teilmobilisierung ins Ausland schaffen…/ mehr

Gunnar Heinsohn / 13.07.2022 / 12:00 / 134

22 Jahre Ostpolitik gegen die Ukraine und Polen

Deutschland macht seit spätestens dem Jahr 2000 Politik zu Lasten der Ukraine und Polens- Hier eine Auflistung. Prolog 1997 Deutsche Firmen wollen ihr Gasgeschäft mit Russlands…/ mehr

Gunnar Heinsohn / 28.06.2022 / 12:00 / 84

Patent und Verstand: Ex-Kolonie Südkorea überholt Deutschland

Südkorea ist überaltert, holt sich keine ausländischen Arbeiter ins Land, hat nahezu keine Bodenschätze, war unterdrückte Kolonie der Japaner und vom brutalen Korea-Krieg verwüstet –…/ mehr

Gunnar Heinsohn / 09.05.2022 / 10:00 / 98

Putins Nukleardoktrin

Wer Putins Äußerungen zum Einsatz nuklearer Waffen verstehen will, muss beachten, dass Russland seit dem Jahr 2000 einer neuen Nukleardoktrin folgt. Sie erlaubt es Moskau,…/ mehr

Gunnar Heinsohn / 02.03.2022 / 08:06 / 188

Putin verrechnete sich mit dem kampflosen Sieg und steht nun mitten im Krieg

Dass Putin an die schnelle Kapitulation Kiews und das Überlaufen der ukrainischen Truppen wirklich geglaubt hat, belegt ein am Samstag, den 26. Februar bereitgestellter und…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com