Thilo Schneider / 18.12.2018 / 06:03 / Foto: Charles Bird King / 83 / Seite ausdrucken

Go Sarrazin!

Die SPD hat derzeit nichts zu tun und keine Sorgen und besinnt sich auf eine alte Tradition: Ein Ausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin anstrengen. Das macht Laune, das macht Spaß und entspricht dem Denken und Handeln der Nahles-SPD. Und ich hoffe und bete: diesmal geht es durch. 

Bei aller persönlichen Sympathie für meinen Namensvetter: Bei Gott, Herr Sarrazin, gehen Sie. Ihre SPD, die SPD von Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder ist tot. Es gibt sie nicht mehr. Eine SPD, die die Interessen der Arbeiter und Angestellten, der sogenannten „kleinen Leute“ vertreten hat, ist nur noch eine ferne Erinnerung, deren Teil Sie und Ihr Parteifreund Heinz Buschkowsky sind, den ja auch schon der Bannstrahl der SPD getroffen hat. Gut, auch Buschkowsky ist noch im „Club der Mitfühlenden“, auch er ist für die SPD das, was die Grube Asse für deutsche Kernkraftwerke ist: eine Altlast, die man gerne loswerden würde, weil sie gelegentlich noch strahlt. Sie und Herr Buschkowsky sind eine toxische Gefahr für die Beliebigkeits-SPD des Jahres 2018. Sie sind „Volksfront von Judäa“ und nicht „judäische Volksfront“.

Ganz im Ernst, Herr Sarrazin: Die hassen Sie. Alle. Sie sind viel zu pragmatisch, viel zu nüchtern, viel zu sehr verkopft, viel zu analytisch und viel zu deutsch. Begreifen Sie doch: Das, was früher gut war, was der SPD auch zu drei Kanzlern verholfen hat, das ist heute nicht mehr gefragt. Wir leben in der Zeit der „Bätschi, das wird teuer“ – Gerechtigkeit einer infantilisierten Gesellschaft, der Haltung viel wichtiger als das Ergebnis davon ist und die die Öffentlichkeitsshow vor das Regieren gestellt hat. Die Probleme, die Sie und Buschkowsky ansprechen, sind für die Nahles-SPD keine Probleme.

Für die Nahles-SPD gibt es überhaupt keine Probleme von wegen Zuwanderung und Migration. Was die SPD sorgt, ist vielleicht die AfD und warum der Slogan „Gerechtigkeit und so“ immer noch nicht so wirklich beim Wahlvolk ankommt. Sie sind aus der Zeit gefallen, Herr Sarrazin. Sie wollen weder kuschen noch kuscheln, Sie sind auch nicht #wirsindmehr und Sie sind auch nicht #ichbinhier. Sie schreiben sogar für eines der teuflischsten Blogs der Republik! #Siesindeiner und #Siesinddort. Sie sind der Beelzebub von der Bundesbank, der Asmodis der Achse, der Albtraum aller Schneeflöckchen und Einhörner.

Sind Sie Freund von Fremdherzinfarkten?

Warum, Herr Sarrazin, tun Sie sich das an? Ist das von Ihnen so eine Art Sport, Nahles, Stegner oder der konsequent neben der Spur laufenden Frau Giffey Bluthochdruck zu machen? Ist das von Ihnen so eine Art subtile Methode, mit jedem Satz die SPD-Führung in den kollektiven Wahnsinn zu treiben? Sind Sie Freund von Fremdherzinfarkten? Wollen sie derart raffiniert die Führungsspitze der SPD dahinraffen, damit neue Leute nachkommen? Das wären dann Kevin Kühnert und der unsinkbare Schulzzug. Wollen Sie das wirklich? Soll dereinst auf dem Grabstein der SPD ein „…und Sarrazin ist schuld“ als Subtext stehen? Nicht, dass gerade ich nicht dafür Verständnis hätte. Ich mag es, wenn um mich herum die Erde bebt, aber ich bin auch ein heißblütiger Heterosexueller und Sanguiniker. Bei mir ist das so ein Charakterding. Aber doch nicht bei Ihnen, Herr Sarrazin. Sie sind doch dazu viel zu nüchtern (auch im Gegensatz zur SPD-Führung).

Noch einmal: Gehen Sie, Herr Sarrazin. Da, wo Sie Ihre politische Heimat sehen, ist nichts mehr. Da ist verbrannte politische Erde, das ist der Spielplatz der emphatischen Kuscheltiere, das Bällebad aller Queer-Denker, das hat mit Ihrer SPD nichts mehr zu tun. Das ist heute „Grünen-light“ mit roten Plakaten. Die SPD 2018 befindet sich im linken Schlingerkurs, um sich gegen Linke, Union und Grüne durchzusetzen und hat Angst, links überholt zu werden. Und Sie setzen da im Halbjahrestakt den Blinker rechts. Das können Sie nicht machen, Herr Sarrazin! Nicht in der SPD. Sie machen die Leute da ganz wuschig.

Wenn Sie, aus welch nostalgischen Gründen auch immer, meinen, dringend in der SPD bleiben zu müssen, dann ziehen Sie wenigstens los vor das Schiedsschnellstandgericht, stellen sich dort vors Gremium und widerrufen. Sagen Sie, dass Sie sich geirrt haben, das alles falsch war, dass es keine Integrationsprobleme gibt, Zuwanderung aus allen Ländern dringend gefördert werden muss, und brabbeln Sie noch irgendetwas von Gerechtigkeit. Rufen Sie laut „Refugees welcome – and bring your families with you“ und zeigen Sie die Eintrittskarten vom letzten Toten-Hosen-Konzert vor. Und wenn Sie es rund machen wollen, dann strecken Sie Heinz Buschkowsky auch noch nieder. Vielleicht – nur vielleicht – verzeiht man Ihnen dann, dass Sie im doppelten Wortsinn ein alter SPDler sind. 

Herr Sarrazin, geehrter Kollege, lieber Thilo, es geht nicht. Sie können nicht beides sein: Thilo Sarrazin und in der Nahles-SPD. Entweder – oder. Meine Schmerzgrenze wäre schon lange erreicht. Für Ihre Schmerzfreiheit bewundere ich Sie. Aber ich bin ja auch nicht in der SPD. 

Lesen Sie zum gleichen Thema auch das Interview der NZZ mit Thilo Sarrazin.

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Burkhard Minack / 18.12.2018

Ich kann es leider nicht so treffend ironisch formulieren, wie der von mir sehr geschätzte Michael K. auf seiner Acta Diurna von gestern: “Überall in Europa, Australien oder anderswo im sogenannten Westen, wo Muslime in großer Zahl einwandern, gehören sie zu den willkommensten Gästen bzw. Neubürgern, denn sie passen sich komplikationslos den Aufnahmegesellschaften an, überraschen durch Bildungsbeflissenheit, großen Arbeitseifer und religiöse Toleranz, bevölkern rasch die Werkstätten, Büros und Labore, lernen eifrig die neue Muttersprache und exzellieren in ihr, gründen Unternehmen, drängen in die Universitäten, besetzen Lehrstühle, leben nur selten von der Sozialhilfe, werden noch seltener straffällig – in den Gefängnissen sieht man sie fast nie –, melden Patente sonders Zahl an, ihre Kinder glänzen an den Schulen, ihre Frauen sind eine Zierde der neuen Heimatländer, ihre Sitten sind nobel und zärtlich. Wer das Gegenteil behauptet und sogar noch mit Statistiken untermauert, sollte umstandslos von den anständig Gebliebenen aus der SPD ausgeschlossen werden.” Auch ich bin SPD geschädigt, habe ich doch 2005, zwar zähneknirschend (ob der berüchtigten Agenda 2010) den “Sozis” nochmals mein Stimmchen gegeben, um Frau Merkel 2005 zu verhindern, die wir seitdem am Hacken haben. Das war dann mein letztes Rendezvous mit der ehemaligen Partei der Sozialdemokraten. Thilo Schneider hat Recht. Thilo Sarrazin sollte das linksglobalistische Parteirudiment hinter sich lassen. “Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten”, stimmte 1918 und stimmt immer noch 2018!

HaJo Wolf / 18.12.2018

@ Hubert Bauer: lieber eine “nachlassende” (wie meinen Sie das überhaupt?) AfD als irgendeine der anderen Parteien. Ohne AfD wäre Merkels Politik der Deutschlandzerstörung tatsächlich alternativlos.

Petra Conze / 18.12.2018

Herr Bauer, hab ich auch schon oft gedacht: die ADG als Partei wäre eine wahre Hoffnung. Vielleicht käme dann sogar Herr Sarrazin dazu.

Gunther Bartelt / 18.12.2018

Die SPD ist mitnichten “...der Spielplatz der emphatischen Kuscheltiere”, sondern seit Dezember die Partei der Babymörder. Die SPD will sich weder vom JUSO-Mehrheitsbeschluss der Forderung nach straffreier Abtreibung bis zum 9. Monat - bis zur letzten Sekunde vor der Geburt - distanzieren, noch will sie ein Parteiausschlussverfahren gegen jene Mitglieder einleiten, die für diese Menschen verachtende, moralisch völlig verkommene Forderung gestimmt haben. Sarrazin sollte die Konsequenzen ziehen und mit Hinweis auf diese unfassbare Entmenschlichung der SPD die Partei verlassen. Dasselbe giltz für Heinz Buschkowsky.

Alexander Mazurek / 18.12.2018

Es ist sinnvoller, wenn Herr Sarrazin in der SPD bleibt, sozusagen als Erbse, die die selbstverliebte Prinzessin stört. Wie im Midrasch, den Eli Wiesel erzählte, über einen Zaddik, der jahrelang in Sodom und Gomorra erfolglos gegen den Sittenverfall predigte. Nach Jahren auf die Erfolglosigkeit angesprochen sagte er: Mir ist inzwischen schon klar, dass sie nicht auf mich hören, aber ich werde weiter schreien, auf dass ich selbst nicht so schlecht und böse werde wie sie.

Jörg Themlitz / 18.12.2018

Die Fragestellung löst sich im kommenden Jahr von selbst. Für einen Kämpfer wie Herrn Sarrazin gilt die Devise, viel Feind, viel Ehr. In 2019 gegen einen dann 10 prozentigen Feind zu kämpfen, ist nicht mehr ehrenhaft. Ach so, der Schulzzug heißt ” Unsinkbar II ” !

Anders Dairie / 18.12.2018

Was sagt uns SARRAZIN mit dem beharrlichen Verbleibt in der SPD ?  Wahrscheinlich wenig bis nichts.  Den Gabriels, Schulzes und Nahles sagt S.—aus der Stellung materieller Unabhängigkeit heraus—Folgendes:  “Ich bin wegen Brandt und Schmidt eingetreten,  und ihr seid nur die unwürdigen Kinder und Enkel !” Der alte Fuchs weiss,  dass dieser Konflikt in die Partei-Geschichte der SPD eingehen wird.  Und zugleich,  dass ihm historisch Recht gegeben werden wird. Nahles und Co.  enden dagegen in Schande.  Wozu sind Historiker da ?  Subtiler und kompletter kann die Demütigung der Führung der SPD nicht mehr werden.  Klar,  sie werden ihn diesmal hinauswerfen !  Das aber ist das Krönchen,  das sich S.  selbst aufsetzt.  Unbeugsam,  gar unerbittlich,  zu sein bis zuletzt.  Nahles hat den intellektuellen Kampf längst verloren. Sie weiss das.  Wer ist übrigens Klingbeil ?

Robert Jankowski / 18.12.2018

Lieber Thilo, ich war in der SPD und bin so aufgewachsen und auch erzogen worden: stramm protestantisch und stramm auf (linker!) Parteilinie. Ich war bereits mit 12 Jahren Mitglied in einer Jugendorganisation der SPD und für diese auch Mitglied im Schulsprechergremium meiner Schule. Mein Vater und Großvater hatten beide die goldene Gewerkschaftsnadel und waren SPDler und AWO Mitglieder. Aber das, was diese Partei einst ausgemacht hat, existiert nicht mehr. Kurt Schumacher, Herbert Wehner, Willy Brandt und Helmut Schmidt sind tot. Die letzten Genossen, die ich (neben dir!) noch respektiere, sind Rudolf Dreßler und vielleicht noch Hans-Jochen Vogel. Der Rest sind nur noch Parteikarrieristen denen das eigene Schicksal schon immer wichtiger war, als die Partei oder ihre Grundsätze. Sie sind Apparatschiks, die nie wirklich gearbeitet haben! Ich weiß, dass du eigentlich das bist, was man als “Parteisoldat” bezeichnet. Andererseits hast du einen starken Gerechtigkeitssinn und sprichst offen über fehlerhafte Entwicklungen und genau das macht dich für die heutige SPD untragbar. Wir haben es bei der SPD nur noch mit Hinterzimmer-Kunklern zu tun, die jegliche offene Diskussion meiden, weil diese die Gefahr birgt, für sie unkontrollierbar zu werden. Die heutige SPD verrät mittlerweile alle ihre Prinzipien und Grundsätze, für die sie einmal gestanden hat. Entsprechend wird sie auch von ihrer ehemaligen Kernklientel, den Armen und Arbeitern, nicht mehr gewählt! Gerhard Schröder hat diese, ihm anvertrauten Menschen, verraten und verkauft. Verraten mit Hartz4 und der Agenda 2010 und verkauft mit den Riester Renten. Die SPD steht nur noch für eine sozial Gruppe ein: die Migranten und logischerweise versucht sie diese Gruppe zu vergrößern und ihr das Wahlrecht zu geben, in der Hoffnung dann wieder Stimmen zu bekommen. Du bist ihnen ein Dorn im Fleische und ich denke, dass du das weißt. Mach weiter so: SEI DER DORN und erinnere diese Partei weiter an Alles, was sie verraten haben!

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