Gastautor / 10.04.2009 / 13:13 / 0 / Seite ausdrucken

Gil Yaron: Nasrallahs Vampire

Die Beziehungen zwischen den gemäßigten sunnitischen Regimen im Nahen Osten, allen voran Ägypten, und den Schiiten unter iranischer Führung haben einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die regimetreue ägyptische Tageszeitung „al Gumhuriyah“ (die Republik) machte gestern (Freitag) unmissverständlich klar, wer der größte Feind Ägyptens sei. Der Führer der vom Iran gestützten libanesischen Hisbollahmiliz Hassan Nasrallah sei ein „Gräberspekulant“, ein blutsaugendes Vampir, zusammenfassend sogar „schlimmer als die Israelis“. Auslöser der neuesten Krise ist die Verhaftung eines Spionagerings von 49 angeblichen Hisbollahagenten, die laut Angaben der ägyptischen Staatsanwaltschaft Anschläge im Land der Pyramiden planten. Ihre Haft wurde gestern um 15 Tage verlängert.

        Die Verhaftung habe „einen Plan vereiteln können, der wichtige Installationen und touristische Attraktionen zum Ziel hatte“, erklärte Generalstaatsanwalt Abd al Magid Machmud der staatlichen Zeitung „al Aharam“ (die Pyramiden). Seit November wurden demnach 49 Männer aus Palästina, Sudan, Syrien, Israel, dem Iran und dem Libanon festgenommen. Dem Ring wird vorgeworfen, den schiitischen Glauben verbreitet, Attentate vorbereitet, ägyptische Reisedokumente gefälscht und Waffen nach Ägypten geschmuggelt zu haben. Laut Berichten aus der ägyptischen Presse hätten die Spione bereits Wohnungen im Sinai angemietet, den Touristenverkehr ausgekundschaftet und Ziele ausgesucht haben. Dies soll auf direkte Anweisung von Hisbollahführer Nasrallah geschehen sein, der am 28. Dezember seinem eigenen Geheimdienst Angriffe in Ägypten aufgetragen haben soll. Die Hisbollah wies die Vorwürfe aus Kairo auf ihrer Webseite zurück. Nasrallah wollte nach Redaktionsschluss am Abend zu den Vorwürfen in einer Fernsehansprache Stellung nehmen.

        Die Eskalation begann im Januar mit der israelischen Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen. Damals hatte Nasrallah die Regierung in Kairo als Verräter gebrandmarkt, weil sie den Grenzübergang nach Gaza nicht öffnete und dem Angriff zugestimmt haben soll. Er forderte die Ägypter dazu auf, die Grenze unter Einsatz ihres eigenen Lebens gegen den Willen ihrer Regierung zu durchbrechen.

Die Spaltung reicht jedoch tiefer. Kairo betrachtet die Hisbollah als Speerspitze des Ayatollahregimes im Iran. Die islamische Republik ringt als Vorkämpferin extremistischer Elemente mit dem gemäßigten Ägypten, dem wichtigsten Verbündeten des Westens, um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Kairo und Teheran unterhalten kaum diplomatischen Beziehungen, seitdem Ägypten 1979 einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnete. In Teheran wurde sogar der Islambulli Boulevard nach dem Mörder des ägyptischen Staatspräsidenten Anwar Sadat benannt. Immer wieder tauschen Teheran und Kairo Beleidigungen aus. Ägyptens Präsident Hosni Mubarak weigerte sich, an einem Gipfel der arabischen Liga teilzunehmen, zu der auch Irans Präsident Machmud Achmadinedschad eingeladen war.

Doch das ägyptische Regime sorgt sich nicht bloß um seine Vormachtstellung, sondern auch um das blanke Überleben. Im Inland wächst der Unmut über das autoritäre Regime, das seit dreißig Jahren das Land mit Hilfe des Ausnahmezustands regiert. Erst vor wenigen Tagen gelang es tausenden Polizisten nur mühsam, einen landesweiten Protest zu unterbinden. Trotzdem wird die verbotene Opposition der islamistischen Muslimbrüder immer stärker. Die Muslimbrüder verstehen sich als natürliche Verbündete der Extremisten in Nahost, wie der Hisbollah, der Hamas im Gazastreifen und dem Iran. Vor diesem Hintergrund wird der stete Fortschritt des iranischen Atomprogramms in Kairo mit großer Sorge beobachtet.

Ein Sprecher der Muslimbrüder erklärte die Vorwürfe der Ägypter für erfunden und erlogen, Kairo sei über die Annäherung Washingtons und Teherans besorgt. Nachdem Marokko vor wenigen Monaten bereits die diplomatischen Beziehungen zum Iran gekappt hat, ist die Hisbollahaffäre in Ägypten ein weiteres Anzeichen für die wachsenden Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten in der Region.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gastautor / 12.05.2024 / 20:00 / 0

Wer hat’s gesagt? (Auflösung)

Von Klaus Kadir. Unter dem Titel „Wer hat’s gesagt?“ konfrontieren wir Sie am Sonntagmorgen mit einem prägnanten Zitat – und Sie dürfen raten, von wem…/ mehr

Gastautor / 12.05.2024 / 09:00 / 20

Wer hat’s gesagt? “Messerattacken und Sexualdelikte nicht mit Zuwanderung und Migration vermischen”

Von Klaus Kadir. Unter dem Titel „Wer hat’s gesagt?“ konfrontieren wir Sie am Sonntagmorgen mit einem prägnanten Zitat – und Sie dürfen raten, von wem…/ mehr

Gastautor / 07.05.2024 / 13:00 / 9

Israels Geisel-Lobby besiegt die Sieger-Lobby

Von Daniel Pipes.  Die Befreiung der letzten noch lebenden Geiseln im Gazastreifen steht Israels Ziel im Wege, die Hamas entscheidend zu schlagen. Zu diesem Dilemma…/ mehr

Gastautor / 30.04.2024 / 06:15 / 30

Warum belohnt Biden Feinde und ignoriert Verbündete?

Von Michael Rubin. Demnächst wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, ein Feind Amerikas und Israels, in Washington empfangen. Joe Biden sollte besser einen Problemlöser…/ mehr

Gastautor / 17.04.2024 / 13:00 / 15

Islamismus: Täter und Wohltäter

Von Sam Westrop. Die globale islamistische Wohltätigkeitsorganisation Islamic Relief arbeitet mit hochrangigen Hamas-Beamten zusammen, darunter der Sohn des Terroristenführers Ismail Haniyeh. Während Mitglieder des Europäischen Parlaments im Januar…/ mehr

Gastautor / 13.04.2024 / 15:00 / 6

Aufbau eines menschenwürdigen Gazastreifens (2)

Von Daniel Pipes. In Live-Interviews auf Al Jazeera und in anderen arabischen Medien machen immer mehr Bewohner des Gazastreifens ihrer Abneigung gegen die Hamas Luft.…/ mehr

Gastautor / 06.04.2024 / 14:00 / 13

Der Westen muss Geiselnehmer ächten – nicht belohnen

Von Michael Rubin. US-Präsident Joe Biden erlaubt es der Hamas, Geiseln als Druckmittel für Zugeständnisse Israels einzusetzen. Diese Haltung ist inzwischen eher die Regel als die Ausnahme,…/ mehr

Gastautor / 30.03.2024 / 14:00 / 6

Islamische Expansion: Israels Wehrhaftigkeit als Vorbild

Von Eric Angerer. Angesichts arabisch-muslimischer Expansion verordnen die westlichen Eliten ihren Völkern Selbstverleugnung und Appeasement. Dabei sollten wir von Israel lernen, wie man sich mit…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com