Gastautor / 02.07.2008 / 13:05 / 0 / Seite ausdrucken

Gil Yaron: Loddar kommt!

Die Aufregung über das neue Engagement von Fußballstar Lothar Mathäus ist in Deutschland weitaus größer als bei seinen neuen israelischen Gastgebern. Die Ankunft Matthäus am Flughafen von Tel Aviv wurde von deutschen Medien aufmerksam verfolgt. Israelische Zeitungen hingegen räumten dem ersten deutschen Trainer im Land selbst auf Sportseiten kaum Platz ein, in Radio und Fernsehen wurde Mathäus nicht einmal nebenbei erwähnt. Das liegt vor allem daran, dass die Israelis zwar Matthäus Qualitäten als Spieler schätzen, seinem Können als Trainer gegenüber aber eher skeptisch eingestellt sind: „Eigentlich ist es aufregend – eine Fußballlegende kommt nach Israel”, kommentierte die Tageszeitung Haaretz. „Aber er kommt unter dem falschen Titel. Er hätte vor einem Jahrzehnt als Spieler kommen sollen”, wünschte sich Haaretz, bevor sie die Unbeständigkeit und Impulsivität der Fußballkoryphäe lamentierte. Matthäus hat in seiner siebenjährigen Karriere als Trainer bereits fünf Mal den Arbeitsplatz gewechselt.

Dabei wird das von Deutschen als „historisch” betrachtete Ereignis von einer gewissen geschichtlichen Ironie begleitet. Die Weltbewegung der jüdischen Maccabi Sportvereine wurde 1921 in Deutschland gegründet. Eines ihrer Ziele war, Antisemiten zu beweisen, dass auch Juden Sport treiben können. Die andere Absicht der Maccabivereine war, sportliche junge Juden zum Zionismus zu erziehen und zur Einwanderung nach Palästina zu bewegen. Maccabi Netanyah, Matthäus neues Heim, ist von diesen Zielen nun ein wenig abgewichen: Der Verein hat einen Deutschen nach Israel geholt, damit er hier seine Fähigkeiten als Trainer unter Beweis stellen kann. Vielleicht ist es ein weiteres Beispiel für die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Deutschland.

        Trotz aller Skepsis wurde der 150-malige deutsche Nationalspieler bei seiner Landung in Tel Aviv am Dienstag bereits im Flughafenterminal von zig Fans überrascht, die bei seinem Erscheinen fröhlich grölten und ihn in schwarz-gelbe „Maccabi” Fanschals hüllten. Gleich zu Beginn erklärte Matthäus der Presse, eines seiner Ziele sei es, mit Maccabi Netanyah den Titel der israelischen Liga holen zu wollen und beim UEFA Pokal auf seinen Altverein Bayern München zu treffen.

Doch vorher wird er als Trainer viel Arbeit vor sich haben. Der 1934 gegründete Maccabi Netanyah gehört zwar zu den ältesten und besten Clubs im Land. Seine Glanzzeiten liegen aber schon 25 Jahre zurück. Nachdem sie in den vergangenen zwei Jahren die Saison als Tabellenzweiter beendeten, sehen sich die gelb-schwarzen „Diamanten” aus Netanyah dieses Jahr großen Herausforderungen gegenüber. „Ihr Budget beträgt nicht einmal ein Drittel der anderen großen Clubs im Land, die von bekannten Milliardären aufgekauft wurden und in den vergangenen Monaten die besten Spieler der Liga bei sich verdingen konnten”, erklärt Hanan Kristal, Sportkommentator des staatlichen Radios „Kol Israel”. Während die anderen Vereine aus Haifa, Tel Aviv und Jerusalem aufrüsten, muss Netanyah vorerst weiter in der „Büchse” spielen, einem alten Stadion, das gerade 7500 Zuschauern Platz bietet. „Selbst für die Trainer der spanischen oder russischen Nationalmannschaft wäre diese Saison bei Netanyah eine große Herausforderung, und Matthäus ist schließlich nur ein mittelmäßiger Trainer”, gibt Kristal zu Bedenken. Der zynische Kristal vermutet in der Anstellung Matthäus „einen Versuch des neureichen Besitzers von Maccabi, dem deutschen Geschäftsmann Daniel Jammer, sich mit den Federn einer Fußballlegende zu schmücken”. Matthäus würde Jammer die gesellschaftlichen Tore in Deutschland öffnen: „Denn hier in Israel wissen die meisten Anhänger ja kaum noch, wer Matthäus eigentlich ist”, sagt Kristal.

Doch der 47-jährige Matthäus, der ein Jahr nach dem Bruch mit Red Bull Salzburg für jährlich geschätzt 400.000 € nach Israel zieht, gibt sich optimistisch und zufrieden: „Ich freue mich darauf, Maccabi zu trainieren und mindestens in den nächsten zwei Jahren in Israel zuhause zu sein.”

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