Ulli Kulke / 30.11.2013 / 21:16 / 1 / Seite ausdrucken

Geschnappt: die 90 Klimakiller

Wir haben sie, endlich. “Sie passen alle in zwei Autobusse”, jubelt Richard Heede, und sieht die 90 bösen Buben insgeheim wahrscheinlich schon vor sich vorüberfahren, in zwei Bussen der Justiz, mit Gitterstäben vor den Fenstern, an denen sie rütteln. Und dann wird alles gut, die Welt grün, das Klima wieder kälter und Al Gore wird der nächste Papst.

Richard Heede hat in der Fachzeitschrift “Climate Change” eine Studie veröffentlicht (wie es aussieht sogar überprüft, “peer reviewed”), in der er diejenigen Firmen und deren Bosse ausfindig macht, die für etwa zwei Drittel des Kohlendioxidausstoßes seit 1751(!) verantwortlich sein sollen. Da die Hälfte des Ausstoßes in den letzten 25 Jahren erfolgt sei sollen, trifft es fast nur die aktuellen Konzerne. Darunter natürlich alle üblichen Verdächtigen, die Ölmultis, Kohleunternehmen, aber auch Zementhersteller. Er nennt in einer parallelen Aufstellung auch Staaten, deren Regierungschefs dann logischerweise die Verantwortung tragen.

Sie sind dingfest gemacht. Al Gore jubelt: “Die Studie ist ein entscheidender Schritt vorwärts für unser Verständnis der Evolution der Klimakrise”. Naomi Oreskes, eine Buchautorin, die sich schon lange als Kriminalistin auf den Spuren einer angeblichen Klimamafia sieht, meint allen Ernstes: “Das könnte den Durchbruch bringen”. Auch Michael Mann, Erfinder der Hockeyschlägerkurve, mit der er uns mal weißmachen wollte, dass es in vorindustrialisierter Zeit so gut wie gar keinen Klimawandel gab, sagt, die Studie “macht die Verantwortlichkeit der fossilen Energieträger deutlicher als bisher. Niemand kann sie verbrennen, ohne dass der Rest der Welt dies mitbekommt.” Ach so?

Die Frage liegt auf der Hand: Was bringt die Studie eigentlich Neues, und daran die Folgefrage: Was hat die Prüfkommission, die ihr den Stempel der Wissenschaftlichkeit gegeben hat, da geritten. Gilt das Kriterium der Relevanz nicht mehr? Dass fossile Brennstoffe im Verdacht stehen, den Treibhauseffekt auszulösen, haben wir schon mal gehört. Dass der Energiemarkt nicht aus lauter Ich-AGs besteht, ist sattsam bekannt.

Neu an dem Papier ist allerdings der unterschwellige aber deutliche kriminalisierende Unterton, der die Energieproduzenten in die Nähe von Drogenhändlern und Waffenschiebern stellt, ja, der in letzter Konsequenz die Industrielle Revolution als ein Menschheitsverbrechen hinstellt. Klar: Niemand wollte ja auch die Umwälzungen beim Verkehr, in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen, das war alles nur das Werk von ein paar Dunkelmännern an der Spitze von Manufakturen, Fabriken und später von Weltkonzernen.

Dass die Konsumenten bei den Herstellern einkaufen, das dürfte Heede lediglich als Verirrung interpretieren. Natürlich wollen alle mit dem Fahrrad fahren und nicht mit dem Auto, sie wissen es nur nicht. Keiner mag von sich aus in den Urlaub fliegen, wenn die Konzerne ihn nicht dazu prügeln würden. Natürlich will ein jeder ein Windungetüm im Garten haben und den dreifachen Strompreis bezahlen. Wir müssen es ihm nur mal sagen. Und dieser Blödsinn mit dem Zement zum Häuser bauen: Wer hat eigentlich gesagt, dass wir von den Bäumen runterkommen sollten und uns Behausungen errichten?

Das hätten wir also geklärt. Und dann, wenn sie erst alle im Bus sitzen, dann kommt die große Gerichtsverhandlung, die alle 90 Klimasünder hinter Gitter bringt. Der Nürnberger Prozess war nichts dagegen.

Heede bringt – auch wenn er es so nicht schreibt (die Prüfer hätten ihm das sicher auch durchgehen lassen) – den alten Klassenstandpunkt wieder ins Spiel. Dazu nur noch ein kleiner Hinweis: Karl Marx war da schon weiter. Der hat wenigstens dialektisch gedacht.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT

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Leserpost

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Christoph Wickert / 01.12.2013

Ach Kulke, das ist doch schwach, was Sie hier betreiben: Sie übertreiben oder verallgemeinern Aussagen, nur um sie anschließend lächerlich zu machen, Sie reißen Zitate aus ihrem Kontext und konstruieren einen neuen und Sie phantasieren und unterstellen schlichtweg Dinge. Niemand – auch nicht Richard Heede – behauptet, es gäbe “die 90 Menschen, die den Klimawandel verursacht” hätten. Den Klimawandel verursachen wir alle (mit), der eine mehr, der andere weniger. Und die 90 Entscheidungsträger, die direkt oder indirekt die Verantwortung für einen Großteil der CO2-Emissionen haben, halt eben mehr. Mehr sagt die Studie nicht aus. Naomi Oreskes hatte auch nicht einfach nur von einem “Durchbruch” gesprochen, sondern das ausführlich begründet: Weil die Studie auch die Anteil von Ländern erwähnt, “über die wir normalerweise nicht sprechen. Also ist es nicht nur reicht gegen arm, es ist auch Produzenten gegen Verbraucher und ressourcenreiche gegen ressourcenarme.” Diese Begründung enthalten Sie ihren Lesern natürlich vor. Hand aufs Herz, Kulke: Hatten Sie Mexiko und Polen auf dem Schirm? Wohl kaum. Haben Sie die Studie überhaupt gelesen? Darf man bezweifeln. Damit wäre dann auch schon die Frage geklärt, welche neuen Erkenntnisse die Studie bringt: Wussten Sie etwa, wie viel CO2 die Menschheit in den letzten 25 Jahren ausgestoßen hat? Wussten Sie, sich 2/3 davon letztendlich auf so wenige Entscheidungsträger zurückführen lässt? Wenn nicht, dann ist der Erkenntnisgewinn und die Relevanzfrage geklärt. Übertreiben, unterstellen, aus dem Zusammenhang reißen, das sind typische Argumentationsmuster der Rabulistik. Mehr haben Sie nicht drauf, Kulke?

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