Walter Krämer / 27.05.2015 / 07:00 / 21 / Seite ausdrucken

German Muschi by Christian Lindner

Mut hat er schon, mein Parteifreund und FDP-Chef Christian Lindner, mit seinem neuen Motto „German Mut“. Oder hat er nicht gewusst, dass mut im australischen Englisch Vagina bedeutet (populär auch übersetzbar mit einem anderen deutschen Wort, das so wie Mut mit M beginnt).

Das ist zwar nicht ganz so peinlich wie die Überschrift, mit der die schöne Domstadt Worms in einem Touristenprospekt einmal ihr altes Judenviertel vorstellte („Jewish Worms“), aber würdelos und missverständlich genug. Deshalb gönne ich ihm diese mediale Bauchlandung von ganzem Herzen. Genauso wie einem mittelständischen Fliesenleger und Bad-Ausstatter, der in einem teuer aufgemachten Werbeprospekt seine Dienstleistungen als „Bad design“ hoffte anpreisen zu können, oder die Deutschen Lufthansa mit ihrer Werbung für die erste Klasse („die first class“).

Darüber könnte man lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Denn dieses fast schon psychopathische Verpflanzen angelsächsischer Wortbrocken in deutsche Texte zeugt nur allzu deutlich von einem seltsamen Streben der selbsternannten Eliten unseres schönen Landes, ihre eigenen kulturellen Wurzeln subkutan als minderwertig darzustellen. Es ist eine Sache, ein offenes Land zu präsentieren, das sich gern am großen Tisch der Weltkultur bedient. Aber es ist eine ganz andere Sache, den eigenen Beitrag zu dieser Weltkultur durch systematisches Bevorzugen von Konkurrenzprodukten kleinzureden. Kann man sich die öffentliche Entrüstung vorstellen, wenn ein englischer Politiker (oder - Gott behüte - gar ein französischer) eine positiv besetzte deutsche Vokabel in einem Wahlplakat platziert? Aber in Deutschland sind nicht nur einzelne Teile, oft ganze Werbesprüche auf Wahlplakaten in einer fremden Sprache formuliert: „Vote yellow“ (die FDP zur NRW-Kommunalwahl 2002), „We can do it“ (die Grünen zur vorletzten Landtagswahlkampf in Bayern), „Education now“ (Junge Union 2002) oder „Take it Gysi“ von der PDS.

Die Londoner Times bezeichnet dieses Gebaren gern als „linguistic submissiveness“ – sprachliche Unterwürfigkeit. Dieser Einschätzung kann man nicht oft genug der deutschen Denglisch-Fraktion unter die Nase reiben. Und die Times schätzt das als „typically German“ ein. Denn in keinem anderen Land ist dieses Anbiedern so verbreitet wie bei uns. Der Ex-Feuilletonchef der Hamburger Dieter E. Zimmer hat einmal aus den je nach Land verschiedenen Prozentsätzen nicht assimilierter englischer EDV-Begriffe einen „internationalen Servilitätsindex“ abgeleitet - je mehr Begriffe aus dem Englischen die eigene Sprache übertragen, dessen selbstbewusster, die mehr Begriffe im Englischen verbleiben, desto serviler. Und wer führt diese Servilitätsliga mit großem Abstand an? Die Antwort erübrigt sich.

Klassenbester ist übrigens nicht unser Nachbar links des Rheins, sondern das Land, das auch regelmäßig bei der Pisa Studie besten abschneidet: in Finnland entsprechen nur 7% - aller EDV-Begriffe dem englischen Original, verglichen mit 46% hierzulande, der Rest ist in das Finnische übertagen.
Wenn dann wenigstens dieses Anschleimen die erhofften Gunstbeweise brächte! Aber dieses Schwenken fremder Fahnen erscheint unseren ausländischen Freunden keineswegs als das Zeichen von Weltoffenheit und Toleranz, als das es die Fahnenschwenker gern verkaufen. Im Gegenteil, siehe die Einschätzung der Times. Und nicht nur die der Times. Viele meiner ausländischen Freunde stehen sprachlos dem kulturellen Harakiri Deutschlands gegenüber, sie sehen dieses systematische Anstecken von fremden Federn genau als das an was es ist: als rückgratlose Verleugnung der eigenen Heimat und Kultur. „Die Deutschen hat man entweder an der Kehle oder an den Füßen“, hat Winston Churchill dieses Verhalten einmal kommentiert. Aktuell hat man sie an den Füßen. Hat man sie jemals in den Armen?

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Wolfgang Schmid / 27.05.2015

Denglischbashing vom Feinsten. Hi5, You made my day!    

Helfried Richter / 27.05.2015

Bravo, Prof. Krämer! Vermutlich kommt zur Unterwürfigkeit und Pseudo-Internationalität bei vielen Leuten auch noch dazu, dass fehlendes Wissen durch engl. Schlagworte kaschiert werden muss. Soweit ich weiß, rudert immerhin die Bahn bereits zurück, aus Flyer wird ein Handzettel. Kriecher und leider auch die Spezies der Denunzianten sind überdurchschnittlich häufig in D. anzutreffen; mit den Ursachen könnten sich Soziologen und Historiker befassen. Wer “Der Untertan” von H. Mann gelesen hat (Ironie der Geschichte: Pflichtliteratur in DDR-Schulen), wird feststellen: Der Mann hat recht.

Götz Ruprecht / 27.05.2015

Guter Artikel, der mir aus der Seele spricht. Nur die Beispiele sind nicht unbedingt günstig gewählt. Z.B. ist “German Mut” ja gerade keine gedankenlose Adaption aus dem Englischen, sondern eine Persiflage der “German Angst”, die ihrerseits längst ein deutscher Exportschlager ist. “Take it Gysi” ist ebenfalls eine parodierte Form eines längst importierten englischen Spruches. Auch “We can do it” und “Education now” sind lediglich Anspielungen auf Modesprüche, nicht Neuimporte ohne Sinn und Verstand. Dabei gibt es wirklich Beispiele zuhauf. Spontan fallen mir die sinnlosen “SALE”-Schilder ein, die seit Jahren den Schlussverkauf ersetzen. Und es gab mal eine Geschichte eines Kaufhauses, das seine Rucksäcke als “Body Bags” (Leichensäcke) anpries, doppelt sinnlos, weil Rucksack auf englisch “Rucksack” heißt.

Andreas Gerlach / 27.05.2015

Nun übertreiben Sie, Professor Kramer. Der gewählte Anglizismus hat ja einen gewissen Hintergrund: “German Angst”, ein Begriff, der in der angelsächsischen Welt gerne genutzt wird, um deutsche Befindlichkeiten (Waldsterben, Atomausstieg, gegen Gentechnik, gegen Fracking usw.) zu benennen. “German Mut” dagegen zu setzen, finde ich gut.

Berthold Bohner / 27.05.2015

Es ist schon merkwürdig , dass man in Deutschland meint, man müsse sich der Sprache Kants , Goethes und Hermann Hesses zu schämen. Die Krone dieser Bewegung hat sich allerdings vor längerer Zeit der EU Kommissar Öttinger aufgesetzt , in der er der deutschen Spache nur die Rolle der privaten Familiensprache zugedacht hat. Besonders pikant , weil er selbst von der Beherrschung der englischen Sprache meilenweit entfernt ist. Es scheint in Deutschland keinen Mittelweg zwischen Anmaßung und Unterwerfung zu geben.

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