Freie Wähler jetzt im Sächsischen Landtag

Sachsens Ministerpräsident droht neues Ungemach. Der erste Landtagsabgeordnete hat die Regierungspartei CDU verlassen. Offenbar sieht er in der Partei mehr Last als Hilfe für seine politische Zukunft und wechselte zu den Freien Wählern. Werden ihm weitere folgen?

Der gelernte Bergbautechnologe und Elektrotechniker Stephan Hösl veröffentlichte auf seiner persönlichen Website die Gründe für seine Entscheidung. Die Website ist bereits in Design und Farben dem Stil der Freien Wähler angepasst. Bis Ende der Legislaturperiode will der Reichenbacher weiter im sächsischen Landtag als fraktionsloser Abgeordneter tätig sein, doch de facto sitzt er dort nun für die Freien Wähler. So schnell kann es gehen. Für die Freien Wähler möchte Hösl auch am 1. September in den Landtag einziehen, vorausgesetzt, er wird aufgestellt, wovon fast auszugehen ist.

Die Gründe für seinen Austritt wiegen schwer und sind eine schallende Ohrfeige für den sächsischen CDU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Hier einige Auszüge aus Hösls Erklärung:

„Diese Entscheidungen habe ich keineswegs leichtfertig getroffen. Vielmehr sind sie Resultat monatelanger Überlegungen sowie zahlreicher Gespräche. 

Als ich 2008 in die CDU eintrat, war sie eine Partei der Macher. Eine Partei, in der das Wohl des Landes im Fokus stand. Eine Partei, in der das Wort „christlich“ noch Gewicht hatte. 

Ich hätte mir gewünscht, dass es uns als CDU gemeinsam gelingt, dieses Bewusstsein wiederzubeleben. Ich hätte mir gewünscht, dass das „C“ im Namen unserer Partei wieder an Bedeutung gewinnt. Stattdessen wurden entsprechende Bemühungen sehr stark kritisiert …

… die umfangreichen Proteste Anfang dieses Jahres zeigten deutlich die Unzufriedenheit in großen Teilen der Bevölkerung. Die Menschen fühlen sich nicht ernstgenommen, nicht gehört. Sie empfinden sich als „Spielball“ der Politik, die verlernt hat, zuzuhören. Es ist nahezu fahrlässig, dass wir es nicht geschafft haben, direkte und offene Kommunikation zwischen Kommunal-, Landes- und Bundesebene zu schaffen … 

Politiker sind gewählte Volksvertreter. Sie sind direkt ihren Wählern verpflichtet. Dieses Bewusstsein ist uns abhandengekommen. Die Unzufriedenheit über die Gesamtsituation, den Umgang miteinander, aber auch mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ist auch bei mir in einem Maß gestiegen, das ich so nicht mehr tolerieren kann und will … 

… Das führte mich zu der Erkenntnis, dass es für mich keinen weiteren Weg mit der CDU mehr geben kann …“

Ist der Austritt von Stephan Hösl aus Partei und Landtagsfraktion möglicherweise ein weiterer Warnhinweis darauf, dass die CDU im Herbst im sächsischen Treibsand versinken könnte? 

Die Bindungen an den eigenen Parteiapparat lockern sich

Zumindest scheint das Teilen der CDU-Basis zu schwanen, denen die Vorgaben der Parteiführung immer weniger bedeuten. Sie orientieren sich lieber an politischen Realitäten, mit denen sie pragmatisch umgehen. Beispielsweise stimmten CDU, AfD und Freie Wähler zweimal im Kreistag von Mittelsachsen mehrheitlich gegen eine Erhöhung der Ausgaben für Migranten um 3,5 Millionen Euro (Achgut berichtete). Sehr zum Ärger von Landrat Dirk Neugebauer (parteilos), der von Linken, SPD und Grünen unterstützt wird. 

Der Dresdner CDU-Stadtverband kritisierte, dass die Landesdirektion Sachsen (die dem CDU-geführten Innenministerium untersteht) im Stadtteil Dresden-Prohlis, inmitten von Plattenbauten, einen ehemaligen Supermarkt als Erstaufnahmeeinrichtung für 150 Migranten herrichten lässt. 

Im Kreistag in Bautzen hatte die CDU-Fraktion fast geschlossen einem AfD-Antrag zugestimmt, der vorsah, dass "Integrations­leistungen" für Migranten gestrichen werden, die kein Aufenthalts­recht haben und ausreisepflichtig sind. Während die CDU-Führung in Dresden schöne Sonntagsreden hält, verfolgt die CDU-Basis vielerorts längst einen eigenen Kurs. Da lockern sich die Bindungen an den eigenen Parteiapparat deutlich sichtbar immer mehr.

Bis zur Landtagswahl in Sachsen sind es noch ein paar Monate. Zuvor kommen Kommunal- und Europawahlen. Doch die Zeit vergeht rasend schnell. Und damit zurück zum Ausgangspunkt dieses Artikels. Mit den Freien Wählern Sachsen hat inzwischen eine kommunal stark verwurzelte, professionell agierende und sachsenweit bestens vernetzte politische Kraft die Bühne betreten, die eine realistische Chance hat, am 1. September in Fraktionsstärke in den sächsischen Landtag einzuziehen. Bisher undenkbare Machtoptionen bzw. Regierungskoalitionen könnten möglich werden.

 

Stephan Kloss ist freier Journalist. Er lebt bei Leipzig und studiert Psychologie.

Foto: Ralf Roletschek CC BY 3.0, Link

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Jörg Haerter / 02.02.2024

Stündlich dämmert es den Leuten, was hier gespielt wird. Manche brauchen gefühlte Ewigkeiten, das zu erkennen, manche lernen es nie. Man kann voraussagen, das Ende des Systems ist nahe. Mal sehen, ob es wie nach Abwicklung der DDR läuft. Fett schwimmt ja bekanntlich immer oben, es sei denn, man gibt einen Tropfen Spülmittel hinzu.

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