Beda M. Stadler, Gastautor / 03.07.2008 / 06:58 / 0 / Seite ausdrucken

Fanatische Kapuzenmänner

Wollen wir nicht hoffen, dass es den Ku-Klux-Klan in der Schweiz gibt. Es gibt allerdings etwas Vergleichbares. Der rassistische Klan bedrohte Andersdenkende: seine Mitglieder verrichteten ihre Taten meist vermummt und nachts. Seit dem 13. Juni kann man daher eine Parallele mit radikalen Gentechnik-Gegnern konstruieren. Vermummt und nachts haben sie, ein Versuchsfeld mit gentechnisch verändertem Weizen der Forschungsanstalt Agroscope in Zürich Affoltern zerstört und die dort anwesenden Personen bedroht…

Die klandestine Aktion rechtfertigt allein noch keinen Vergleich mit dem Ku-Klux-Klan. Es gibt aber weitere Parallelen. Die Kapuzengewänder der Klan-Mitglieder wurden mit der Zeit weiss, weil sie damit die „Reinheit und Sauberkeit“ in Abgrenzung zu den angefeindeten Gruppen, wie etwa den Schwarzen, symbolisieren wollten. In Deutschland nennen sich die Feldzerstörer „Gendreck-weg“. Neben diesem Reinheitsfimmel steht auf ihrer Homepage: „Es sind nicht nur die Menschen, die sich entscheiden, aktiv Gentechnik-Feldern zu Leibe zu rücken - hinter ihnen stehen Hunderte, Tausende von Menschen, die sich solidarisch erklären.“

In der Schweiz nennen sich die Gläubigen an den sozialen Ungehorsam: „Kollektiv Freitag 13.“, wahrscheinlich in Anlehnung an eine schwarze Katze. In einem Bekennerschreiben prangern sie „Reichtum und Macht einiger Multinationaler Konzerne“ an. Die Schweizer Saubermänner sind trotzdem nur gewöhnliche Fundamentalisten und solche Leute brauchen Rückendeckung, ein Bett, in das sie sich verkriechen können. Der Ku-Klux-Klan betrachtet sich als eine radikale christliche Organisation. Die moderaten Christen tadeln ihre Methoden, aber die Wärme des Betts hat man ihnen nie entzogen. Dieses Heimspiel haben auch unsere radikalen Gentech-Gegner.

Die Schweizerische Arbeitsgruppe Gentechnologie distanzierte sich lau vom Vandalen-Akt. Die Organisationen unter diesem Dach, wie etwa Swissaid, die Stiftung für Konsumentenschutz, Greenpeace, WWF und Pro Natura gaben keine Kommentare ab. Seit Jahren behauptet hingegen Greenpeace: „Jede Gentech-Freisetzung kann die Umwelt schädigen“. Genau auf solchen Glaubenssätzen basiert der Widerstand der Fundamentalisten.

Auch der Bauernverband verurteilt die Zerstörung des Freisetzungsversuchs bloss mit der Formulierung „in aller Deutlichkeit“. Deutlich ist das nicht, weil im nächsten Satz bereits die bundesrätliche Verlängerung des Gentech-Moratoriums um drei Jahre unterstützt wird. Das tönt wie: Die Gentechnik ist derart gefährlich, dass die Schweiz weitere drei Moratoriums-Jahre braucht! Der Bauernverband muss realisieren, wie viel moralische Unterstützung damit den Fundamentalisten geliefert wird.

Es wird interessant sein, zu erfahren wie lange es dauert, bis die 35 Vandalen gefasst sind. Wird je auffliegen, welchen moderaten Anti-Gentech-Vereinigungen die Vermummten angehören? Die stummen Gentechnik-Gegner sind aufgefordert, ihr verbales Spiel mit den so genannten „unabsehbaren Risiken“ zu hinterfragen. Virtuelle Risiken dürfen nicht ausreichen, damit gewalttätige Leute nachts vermummt durch die Schweiz ziehen. Jeder, der von nun an vor der Gentechnik warnt, sollte einmal eine konkrete Gefahr aufzeigen müssen. Jede Technologie hat Risiken, aber wo sind die konkreten Gefahren der grünen Gentechnologie, die eine Gewaltanwendung rechtfertigen würden?

Die den Blick einschränkenden Kapuzen der Vermummten könnten ironischer nicht sein. Dank der grünen Gentechnik haben wir während den letzten zehn Jahren bereits gewaltige Umwelt Vorteile. Wegen der gentechnisch veränderten Pflanzen musste weniger zu Acker gefahren werden und es wurde weniger gepflügt, wodurch mehr CO2 im Boden blieb. 2006 betrug die Einsparung 14.8 Milliarden Tonnen CO2, was gleichviel ist, wie wenn jährlich 6.6 Millionen Autos von der Strasse genommen würden. Leider sind die Autos, die nachts Vandalen herumkutschieren, nicht dabei.

Die Kolumne erschien zuerst am 29. Juni 2008 in der NZZ am Sonntag

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