Gastautor / 06.08.2013 / 22:19 / 6 / Seite ausdrucken

“Europa-Diplom” für Rechtsradikale

Gerald Praschl

So eine Dienstreise ist auch für den Bürgermeister einer 250 000-Einwohner-Stadt nicht alltäglich. Aus den Händen von Jean-Claude Mignon, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, bekam der Bürgermeister der ukrainischen Stadt Ternopil, Sergij Nadal, 38, Anfang Juli ein “Europa-Diplom” verliehen. Diese Auszeichnung wird jährlich an Kommunen verliehen, die sich besonders aktiv für die “Verbreitung der europäischen Idee” einsetzen. Ternopil ist, neben Städten in Frankreich, Italien, Deutschland und anderen EU-Ländern, in diesem Jahr einer von 26 Preisträgern. Nadal dankte der parlamentarischen Versammlung des Europarats für die Auszeichnung, die er als Würdigung der “traditionellen europäischen Werte” sehe, die seine Stadt vertrete - spätestens seit er 2010 das Amt des Bürgermeisters antrat. Zum Dank, so versprach er, werde er künftig vor dem Rathaus zu allen Feiertagen die Flagge des Europarates hissen lassen.

Was genau sich Nadal unter solchen “traditionellen europäischen Werten” vorstellt, ist allerdings alles andere als EU-preisverdächtig. Nadal gehört der ukrainischen Partei Swoboda an, deren Politiker in der Ukraine regelmäßig mit rechtsradikaler Optik und Rhetorik auf Stimmenfang gehen. Daran habe auch der Einzug der Partei in das ukrainische Parlament, die Verchowna Rada, im Jahr 2012 nichts geändert, konstatiert der deutsche Ukraine-Experte Andreas Umland. Die Partei setze ihre ethnozentrische und homophobe Skandalmacherei fort. http://ukraine-nachrichten.de/eine-typische-spielart-europ%C3%A4ischem-rechtsradikalismus-drei-besonderheiten-ukrainischen-freiheitspartei-vergleichender-perspektive_3785_meinungen-analysen

Auch der kahlgeschorene Bürgermeister von Ternopil macht da keine Ausnahme. “Nur die Rechten, nur der Nationalismus, nur die Rückkehr zu den eigenen Traditionen gibt den Ländern Europas - die jetzt unter der illegalen Migration und Kriminalität leiden - die Möglichkeit, ihre Selbst-Identität zu bewahren”, sagte er 2010 anlässlich der Vorstellung eines Buches aus seiner Feder mit dem Titel “Gerechtigkeit. Verantwortung. Ordnung”. http://m.20minut.ua/Novyny-Ternopolya/Polityka/10182396

Nach dem Einzug von Swoboda in das ukrainische Parlament forderten zahlreiche Intellektuelle, überwiegend Gesellschaftswissenschaftler und Journalisten, von den Parteien der Ukraine, insbesondere den im “Komitee gegen Diktatur” vereinten “orangen” Kräften, eine konsequente politische Ausgrenzung von Swoboda, ähnlich in nahezu allen EU-Staaten gegenüber rechtsradikalen Parteien die Praxis ist. In dem Aufruf heißt es: “Swoboda behauptet, eine pro-europäische Partei zu sein. Aber ihre ethnozentrierte und homophobe Weltanschauung ist in vieler Weise das genaue Gegenteil der Prinzipien, auf denen die Integration des Nachkriegs-Europas aufgebaut wurde. Swoboda behauptet, eine typisch europäische Partei zu sein. Aber sie gehört zu der ultranationalistischen Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen, der einige der rechtsextremsten Parteien der EU angehören ...” http://www.change.org/petitions/committee-against-dictatorship-re-consider-the-inclusive-of-svoboda-into-the-cad

Die Bande von Swoboda zur “Front National” in Frankreich oder der rechtsradikalen ungarischen Partei Jobbik, Teil dieser “Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen”, sind eng - auch zur deutschen NPD: Nur wenige Wochen vor der Preisverleihung war eine Gruppe von Swoboda-Abgeordnete aus dem Stadtrat von Ternopil und dem ukrainischen Parlament zu Gast in Sachsen, bei der NPD-Landtagsfraktion, wo sie von NPD-Frontmann Holger Apfel herzlich empfangen wurde. Apfel sagte bei dem Treffen, er halte Swoboda für eine der “bedeutendsten europäischen Rechtsparteien”. Nadal gab der Mai-Ausgabe der NPD-Zeitung “Deutsche Stimme” ein Interview https://www.dropbox.com/s/yb5zgxbwjnrrl8h/Foto%2004.08.13%2014%2002%2038.jpg

Dort erklärte er seinen braunen Freunden aus Deutschland, er stünde “natürlich” jenen politischen Kräften nahe, die “die eigenen Interessen ihrer Nationen verteidigen. Das sind die rechten Parteien (...). Wir stehen für die Unterstützung der nationalen Produktion, für den staatlichen Schutz der nationalen Grundrechte der Nation. Ein Europa starker nationaler und eigenständiger Kulturen und Volkswirtschaften kann den Herausforderungen der Moderne widerstehen.”

Das könnte und sollte man als das genaue Gegenteil jener “europäischen Idee” lesen, für die die Parlamentarische Versammlung des Europarats das “Europa-Diplom” vergibt. Dort sieht man den Europapreis für den Rechtsradikalen allerdings locker.  Bei der Auswahl von Ternopil habe eine Rolle gespielt, dass die Stadt viele Kooperationen mit anderen Kommunen in Europa unterhalte, wie Elblag, Tarnow und Radom in Polen, Shumen in Bulgarien oder Syrmia in Serbien und jährlich einen europäische Sing-Wettbewerb für Kinder und Jugendliche veranstalte. Allerdings habe man sich, so räumt Europarat-Sprecher Panos Kakaviatos auf Anfrage ein, bei der Entscheidung ausschließlich auf die Unterlagen gestützt, die Nadal habe einreichen lassen. Der politischen Situation vor Ort sei sich die Jury nicht bewusst gewesen.

Dann allerdings sollte sie dort auch besser keine Preise verleihen.

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Leserpost

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Daniel Leon Schikora / 08.08.2013

Ich habe mir die Augen gerieben, als ich lesen musste, wie sich (Stamm-)Leser eines liberalen Blogs wie der Achse des Guten allen Ernstes darüber echauffieren, dass in einem Beitrag dieses Blogs eine neonazistische Partei - und deren Hofierung auf Europaratsebene - in kritischer Absicht thematisiert wird. Vergessen wir nicht, dass Sergij Nadal einer Partei angehört, die sich dem Vermächtnis der (west-)ukrainischen Hitler-Kollaborateure der Bandera-Bande verpflichtet sieht und - in deren Geist - in den vergangenen Jahren eine Pogromagitation gegen alle von ihr als “anti-ukrainisch” denunzierten Bevölkerungsteile entfaltete, die nicht zuletzt auf eine ethnische Vertreibung der Juden zielt. Bereits Nadals Parteichef Oleg Tyagniboks Feindbestimmung, die “moskowitische jüdische Mafia”, führt vor Augen, dass es sich bei der Titulierung von Swoboda als einer “rechtsradikalen” Partei keineswegs um eine Dämonisierung, sondern viel eher um eine Verharmlosung handelt. Signifikant für das “Freiheits”-Verständnis von Swoboda sind die geschichtspolitischen Vorstöße der Partei, in von ihnen regierten Kommunen in der Westukraine unter Missachtung nationaler gesetzlicher Bestimmungen den 9. Mai offiziell als Tag der Trauer zu institutionalisieren, indem Verbote von Feiern des Sieges über den Hitlerfaschismus angestrebt werden und auf der anderen Seite etwa die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS im öffentlichen Raum glorifiziert wird. Zumindest irreführend ist die Darstellung “orangener” Kräfte als konsequenter Gegenspieler der Neofaschisten. Tatsächlich übten die “moderaten” Repräsentanten des als “prowestlich” gehandelten Lagers, einschließlich Timoschenkos und Klitschkos, stets den Schulterschluss mit Tyagnibok, wo es um die “Delegitimierung” des Konzepts einer Ukraine ging, die nicht auf eine Abgrenzung ukrainischer ‘Nationalinteressen’ von ‘russischen’ oder ‘jüdischen’ Interessen rekurrieren muss. Zu begrüßen ist daher die - durch das Ergebnis der jüngsten Parlamentswahlen ermöglichte - Nichtbeteiligung “orangener” Nationalchauvinisten jedweder Varianz an der ukrainischen Regierung. Der ukrainische Premierminister Nikolai Asarow ist darin zu unterstützen, wenn er im Hinblick auf die Haltung von Swoboda zum 9. Mai 1945 feststellt: “Sie trauern, weil sie die geistigen Nachfolger dieser menschenfeindlichen Ideologie sind. Deswegen werden wir alles tun, damit die Keime des Nazismus in unserem Land nicht aufgehen.”

Axel Wahlder / 07.08.2013

Lieber Herr Nowak, das Merkwürdigste an alledem ist, dass es kein Einheitsmodell à la USA geben wird, sondern es wird überall Kongo sein. Und diesesmal ohne Chance auszuwandern.

Peter Merbt / 07.08.2013

Sehr seltsam. Schwingt sich jetzt auch die Achse auf das Schlachtross gegen das Böse Nicht-Linke? Wenn schon die Überschrift das schöne Schlagwort “Rechtsradikal” aufzeigt, können wir uns ja beruhigt zurücklehnen. Rechts=Rechtskonservativ=Rechtsradikal=Nazi. Und natürlich: Wenn die Politik im Einklang mit der (leider) schweigenden Bevölkerungsmehrheit (populistisch! pfui!) geht und der aggressiven Werbung einer Minderheit, welche sich anscheinend nur über ihre abweichende Sexualität definiert, einen Riegel vorschiebt, dann ist diese Politik homophob. Bitte, liebe Achsenmacher, kein Schwarz-Weiß Denken zulassen!

Heinz Thomas / 07.08.2013

Der Artikel ist ein typisches Beispiel für Mainstream - Journalismus. Weil Herr Nadal nicht in das vorgegebene politische Korsett passt, werden zur Verunglimpfung dann andere Aspekte bemüht. Die Freiheit des Denkens und der Rede wird wie selbstverständlich Menschen abgesprochen, deren Gedankengut man nicht teilt oder unerträglich findet. Es wird immer so sein, dass man die eine oder andere Ansicht von Leuten nicht mag oder gar grässlich findet. Diese stark denunzierende Art des Artikels ist so typisch für das Klima in Deutschland. Man sollte sich mal in Amerika umsehen. Dort ist es für den einfachsten Mann auf der Straße die pure Sebstverständlichkeit, dass andere Menschen anderer Meinung sind. Sich darüber aufzuregen, käme dort kaum jemand in den Sinn. Deshalb ist es dort sehr angenehm, auch mit Menschen die andere Positionen vertreten, zu streiten - sebst oft erlebt.

Karsten Troyke / 07.08.2013

Deutschland den Deutschen, Türkei den Turkmenen, die Roma nach Rom und China den Chilenen. Wer eigentlich liest noch die Achse? Ich glaub, ich bin falsch hier. Sogar ein Artikel gegen rechte Parteien wird angegriffen. Jaja, die bösen Gutmenschen. Dann bin ich gerne Gutmensch, danke an Leserbrief Nowak für die Klarstellung.

Joachim Nowak / 06.08.2013

.....und immer noch sehe ich keinen Fehler darin, wenn Deutschland auch Deutschland bleibt. Genau so, wie der Kongo auch Kongo bleiben soll. Brasilien bleibt Brasilien und Saudi Arabien bleibt auch Saudi Arabien. Was ist daran verkehrt etwas zu bewahren, was Jahrtausende gebraucht hat um zu entstehen? Will ich eine langweilige Welt? Möchte ich in Frankfurt in ein Flugzeug steigen und dann nur noch an der Sprache zu erkennen, dass ich woanders bin? Wenn wir alle bei Mc Donalds essen und nur noch Hollywoodfilme sehen, im Fernsehen überall die gleichen doofe Quizshows laufen und die Zeitungen alle über den selben Einheitsbrei berichten, dann haben wir geschafft die Welt zu retten? Früher war Urlaub allein schon in einem Nachbarland spannend und jetzt?

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