Keine Frage: Den iranischen Botschafter in aller Öffentlichkeit zur Begrüßung mit einem lässigen High-Five abzuklatschen, ist ziemlich daneben. Was Claudia Roth sich da am vergangenen Wochenende während der Münchner Sicherheitskonferenz geleistet hat, war wirklich nicht gerade ein Glanzstück deutscher Diplomatie. Man darf von einer altgedienten Politikerin doch etwas mehr Feingefühl im Umgang mit Massenmördern oder ihren Vertretern erwarten. Die Begründung, die Claudia Roth für diese „vermeintlich freundschaftliche Geste“ abgibt, macht die Sache indes auch nicht besser.
Ali Reza Sheik Attar wird in Wahrheit nicht sonderlich begeistert darüber gewesen sein, dass er unaufgefordert von einer Frau an der Hand berührt wurde, wenn er diese Frauen sonst nicht einmal zum Gruß anbietet. Aus seiner Sicht war dieses Abklatschen wohl keine höfliche Reaktion auf seine erhobene Hand, sondern eher übergriffig. Und damit doppelt daneben: Dem Botschafter gegenüber respektlos, und in seiner ganzen losgelösten Fröhlichkeit gleichzeitig dem überwiegenden Rest der Welt nur schwer vermittelbar.
Ob es aus Überraschung, Verlegenheit, Dummheit oder Wiedersehensfreude zum High-Five kam, weiß in Wirklichkeit nur Claudia Roth. Als erfahrene Politikerin hätte sie aber auch wissen müssen, wie diese unkonventionelle Art der Begrüßung von anderen wahrgenommen werden würde. Und eines kann man ihr in jedem Fall vorwerfen, nämlich dass sie das getan hat, was noch vor dem High-Five passierte: Claudia Roth, kaum entdeckte sie den iranischen Botschafter, knickste. Nicht gerade grazil, aber sie knickste. Und dieses Knicksen war kein subversives, ironisches Zitat, sondern im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus ordentlich ausgeführt.
Nun hat der Knicks eine gewisse Tradition. Ihm voraus geht das auf die Knie fallen, vor Hochachtung oder als Ausdruck tief empfundener Demut. Der Knicks an sich ist Frauen vorbehalten – Männer verbeugen sich – und somit heute alles andere als gendergerecht. Schon als Queen Elizabeth 1965 Deutschland besuchte, erwartete sie keine Hofknickse mehr von den Damen, aus „Rücksicht auf die deutschen Verhältnisse“, wie der Spiegel damals schrieb. Geknickst wird hier also aus vielen guten Gründen schon seit gut einem halben Jahrhundert nicht mehr, außer vielleicht gegen Ende einer Ballettveranstaltung vor Publikum, in der Kirche oder in adeligen Kreisen. Und all diesen Knicksen ist gemein, dass sie gegenüber Höherrangigen ausgeführt werden.
Claudia Roth aber, eine etablierte Politikerin, eine Frau von 57 Jahren, knickst im Jahr 2013 wie ein kleines Schulmädchen, weil der iranische Botschafter freundlich lächelte und seine Hand zum Gruß erhob. Das ist ihr gutes Recht. Sie kann knicksen, so oft und vor wem sie will – in ihrer Freizeit. Und auch dann bitte, wenn es irgendwie geht, in dem Bewusstsein, was sie ihrem Gegenüber damit signalisiert: „Ich erkenne an, dass Du über mir stehst.“ Sowas kann durchaus auch mal Charme haben – es sei denn, man jammert anschließend über männlichen Sexismus. Denn mit einem Knicks gibt man für den Moment jegliche Augenhöhe freiwillig auf – und macht sich also im Fall von Claudia Roth und ihrem lautem Kampf für Gleichberechtigung einfach unglaubwürdig.