Hisham Maizar, der höchste Muslim-Vertreter der Schweiz, über die Auswirkungen der Minarett-Initiative
Ab Neujahr soll nach Angaben von SVP-Politiker Ulrich Schlüer der Abstimmungskampf zur Minarett-Initiative eröffnet werden. Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Organisationen in der Schweiz, sagt, wie er dem begegnen will.
VON KATIA MURMANN
Ulrich Schlüer bereitet derzeit nach eigenen Worten die Kampagne für den Abstimmungskampf vor. Wie werden die Muslime darauf reagieren?
Hisham Maizar: Wir werden Herrn Schlüer sicher nicht daran hindern, für seine Initiative zu werben. Allerdings sollte allen Menschen in der Schweiz zu denken geben, dass sich diese Initiative nicht nur gegen Minarette richtet, sondern gegen den Islam und die Muslime. Deshalb erachten wir die Initiative als Angriff auf die Demokratie und die Staatsrechtlichkeit in der Schweiz. Niemand kann glaubhaft Menschenrechts-Verstösse anprangern – wie sie zweifelsohne in so genannten muslimischen Ländern vorkommen –, wenn er doch in der Schweiz dieselben Menschenrechte missachtet.
Wenn die Initiative, wie Sie sagen, gegen die Menschenrechte verstösst: Werden Sie dagegen klagen?
Nein. Herr Schlüer und die Initianten der Minarett-Initiative müssen beweisen, dass das, was sie bezwecken, mit den Grundrechten vereinbar ist. Wir Muslime haben absolutes Vertrauen zu den Wächtern des Rechtsstaates in der Schweiz.
Also werden die Muslime tatenlos zusehen, wenns eine Hetzkampagne gibt?
Sicherlich werden wir reagieren. Aber wie genau unsere Antwort ausfallen wird, will ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ich bin überzeugt, dass die Kampagne für die Initianten ein Schuss ist, der nach hinten losgehen wird. Und: Sie kann sogar etwas Gutes bringen – sie wird zeigen, wie viele Leute in der Schweiz wirklich gegen den Islam sind.
Immerhin haben mehr als 100 000 Menschen die Anti-Minarett-Initiative unterschrieben.
Das ist richtig, und das gehört respektiert. Aber durch weitere öffentliche Auseinandersetzungen werden viele einsehen, wie unsinnig und rechtswidrig diese Initiative ist.
In der Vergangenheit waren Gespräche zwischen Muslimen und den Initianten der Minarett-Initiative geplant. Sie wurden abgesagt. Steht die Tür für Gespräche weiter offen?
Wir haben immer gesagt, dass wir stets gesprächsbereit sind. Letztlich liegt es aber an Herrn Schlüer selbst, die Initiative zurückzuziehen.
Halten Sie dies für denkbar?
Nichts ist unmöglich. Denn auch in der SVP ist die Minarett-Initiative nicht unumstritten. Ich habe sogar den Eindruck, dass unter vielen Politikern ein Konsens herrscht, dass das, was Herr Schlüer anstrebt, nicht mit der Bundesverfassung vereinbar ist.
Wie erleben Sie als Muslim derzeit die Stimmung im Land?
Antiislamische Parolen und Hetzkampagnen häufen sich leider in der letzten Zeit. Die Fremdenfeindlichkeit hat sich in eine Feindlichkeit gegenüber dem Islam gewandelt. Das merken viele Muslime täglich, vor allem im Berufs- und Bildungsbereich. Wir bedauern diese Diskriminierung zutiefst, halten sie aber dennoch für vorübergehend.
Warum wehren sich die Muslime nicht stärker dagegen, etwa mit Kampagnen?
Leider fehlen uns derzeit die Unterstützung und die Mittel, um Aufklärungskampagnen zu starten. Dabei wäre es gut für alle, über den wahren Islam zu informieren, statt es den Populisten zu überlassen. Hierin liegt Nachholbedarf.
Woher sollen die Mittel kommen? Stehen den Muslimen Ihrer Meinung nach Steuergelder zu?
Das wäre eine optionale Möglichkeit. Damit könnten Muslime ihre Kommunikation mit der Gesellschaft stärken. Das ist für die Schweiz im Ganzen gut. Denn ohne Unterstützung zur Beschaffung von Ressourcen und ohne die nötigen Mittel bleibt das ein Wunschtraum. Wir wissen, welche Dienste der Staat den anerkannten, etablierten Glaubensgemeinschaften leistet. Langsam muss die Schweiz erkennen, dass eine wachsende Minderheit nicht unberücksichtigt bleiben darf – besonders, wenn die Muslime anstreben, hier ein würdiges Gebetshaus zu bauen.
Sind neue Moscheen in der Schweiz geplant?
Derzeit gibt es, soweit ich weiss, keine neuen Projekte. Es fehlen Möglichkeiten und finanzielle Mittel.
Hisham Maizar
Als Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS) spricht Hisham Maizar (66) für mehr als 130 muslimische Vereine in allen vier Landesteilen. Der gebürtige Palästinenser ist Schweizer Bürger, Facharzt für Innere Medizin und lebt in Roggwil TG. Als FIDS-Präsident ist Hisham Maizar zudem Mitglied im Schweizer Rat der Religionen.
C: SONNTAG Aargauer Zeitung 12.10.2008