Manfred Haferburg / 04.09.2018 / 12:00 / Foto: Pixabay / 24 / Seite ausdrucken

Dunkeldeutschland hat tiefe Spuren in mir hinterlassen

Diese Woche habe ich viel von den klugen, in den Medien schreibenden Menschen gelernt. Sie haben ausführlich, objektiv und differenziert berichtet, wie denn die Ostdeutschen, speziell die Sachsen, so ticken. Durch die Nazi-Aufmärsche in Chemnitz sind nicht nur die guten Deutschen, sondern auch das ganze Ausland erschrocken und angeekelt über die Ostler. Politiker mussten sich in Sachsen von ihren eigenen Landeskindern distanzieren, die da „aufmarschieren“, „skandieren, grölen und brüllen“. Sogar die UNO ist entsetzt über die Sachsen. Der über Chemnitz so entgeisterte UNO-Hochkommissar Said Raad al-Hussein kommt aus der lupenreinen Demokratie Jordanien, wo Redefreiheit zu religiösen Themen als Blasphemie noch mit Gefängnis geahndet wird – wie es sich gehört.

Wenn die Ostdeutschen von westdeutschen Qualitätsjournalisten einer gründlichen Ferndiagnose unterzogen werden, fühle ich mich betroffen. Ich bin im Osten Deutschlands, in der ehemaligen DDR, geboren und sozialisiert worden. Ich komme also aus „Dunkeldeutschland“, wie der ehemalige Pfarrer und Bundespräsident Gauck es zu nennen beliebte. Schlimm genug.

Dunkeldeutschland hat tiefe Spuren in mir hinterlassen, Furchen, derer ich mir so gar nicht bewusst war. Im Anhaltinischen geboren, habe ich an der Technischen Universität Dresden in Sachsen studiert. Es wurde das Tal der Ahnungslosen genannt, weil es kein Westfernsehn gab. Doch die Sachsen waren helle, sie traten auf der Stelle. Das hieß: Sie machten bei der DDR nicht so richtig mit.

Heute sind die Sachsen die hässlichsten unter den „hässlichen Deutschen“. Dort, in dem braunen Freistaat, sieht man sie auf der Straße, „die dicken, stiernackigen Männer, die mit ihren Glatzen aussehen wie Pimmel mit Ohren – allerdings Pimmel mit Sonnenbrillen. Sie sind das Fleisch gewordene Rülpsen und Tölpeln, das die sozialen Medien durchflutet“. Dies hat niemand geringerer festgestellt als der feinsinnige westdeutsche Top-Journalist und Multimillionär Jakob Augstein.

Gut, solche Vergleiche müssten mich ja nichts angehen. Meine Kopf-Eichel ist noch voll behaart. Auch Springerstiefel und Kapuzenpullis von Thor Steinar trage ich nicht. Außerdem lebe ich schon lange nicht mehr im Osten. Dennoch ist mir die Leichtigkeit, mit der die Ossis als Rechte mit Beleidigungen überschüttet werden – um sich anschließend erschrocken zu wundern, wie wütend die Beleidigten sind –, zutiefst zuwider.

Der Tanz auf dem Grab

Aber wen interessiert das? Viele meiner Landsleute gelten den politischen Verantwortungsträgern als „Pack“. Und wenn soziologische Experten und Politiker den Ostlern mit größtmöglichem Wohlwollen begegnen, dann erklären sie sie für unmündig. Die Ossis können nämlich gar nichts dafür. Sie sind so voller dumpfen Hasses, weil sie sozial abgehängte Versager sind. Speziell die Sachsen sind Versager. Sie wurden nämlich nie von den westdeutschen 68ern richtig darüber aufgeklärt, dass der Sozialismus der DDR das bessere Deutschland darstellte. Stattdessen haben die Insassen des SED-Staats den westdeutschen Genossen diesen Traum vom besseren Deutschland wie eine Seifenblase platzen lassen. Das ist unverzeihlich.

Blieb den Sachsen nur, auf die Empfehlung unseres Bundespräsidenten zu hören und zum Tanz gegen Rechts auf dem Grab des Ermordeten Chemnitzers zu erscheinen. Die Toten Hosen spielten dort kostenlos auf, und nebenher konnte der Sachse auch demütig den Demokraten von „Feine Sahne Fischfilet“ zwecks innerer Läuterung zuzuhören. Die singen schon mal hübsche Zeilen wie diese:

Wir stellen unseren eigenen Trupp zusammen und schicken den Mob dann auf euch rauf. Die Bullenhelme – sie sollen fliegen. Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein und danach schicken wir euch nach Bayern, denn die Ostsee soll frei von Bullen sein.“

Eine klare Ansage, wie auch die der Bundesjustizministerin Katarina Barley: „Chemnitz muss als das benannt werden, was es gewesen ist: Rechtsradikalismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit, Gewalt und Kriminalität. Was hier in Chemnitz passiert ist, das hat mit Sorgen und Nöten und Angst und Trauer nichts mehr zu tun.

„Schämen Sie sich!“

Wenigstens schämen sollten sich die Sachsen und ihre Brüder im Geiste. Empfohlen wird es ihnen ja oft genug. Beispielhaft, wie der Noch-Fraktionsvorsitzende der Kanzlerinpartei CDU, Volker Kauder, so treffend das Stimmvieh abkanzelte: Die AfD will unseren Staat angreifen! Schämen Sie sich nicht, einer solche Partei die Stimme zu geben?"

Ob solcher Zurechtweisung ihrer Obrigkeit werden die Sachsen nun sicher in sich gehen und brav wieder die CDU wählen. Und auf keinen Fall gehen sie demonstrieren – es könnten ja Nazis dabei sein.

Es wird eine so propagandistische Dämonisierung betrieben, die alle Maßstäbe wegschwemmt. Es ist nachhaltig fatal, wenn die Unterscheidung zwischen einem Nazi und einem Bürger, bei dem sich Groll und Unmut angestaut hat, verloren geht. Und glauben werden die Propagandazerrbilder ohnehin immer weniger Menschen. Die Wirklichkeit schert sich nämlich nicht um ideologische Zerrbilder. Letztendlich werden die Spannungen in einem ohnehin schon recht gespaltenen Land weiter angeheizt. Oder wie sang einst Wolf Biermann:

„Ihr löscht das Feuer mit Benzin/ Ihr löscht den Brand nicht mehr“!

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Werner Brunner / 04.09.2018

Es wird ein jeder seinen gerechten Lohn empfangen ..... Steht so etwas ähnliches nicht in der Bibel ? Man / frau muss es nur ganz fest glauben , dann wird alles gut ! Oder , auch nicht ! Die Zeit wird es uns lehren ...... Vielleicht auch die USA ? Oder , auch nicht !

M. Herold / 04.09.2018

“Speziell die Sachsen sind Versager. Sie wurden nämlich nie von den westdeutschen 68ern richtig darüber aufgeklärt, dass der Sozialismus der DDR das bessere Deutschland darstellte. Ein kluger Satz, den ich gerne meinen Social-media-Freunden zukommen lassen würde, die derzeit zuhauf ihr Konterfei mit einem “Wir sind mehr” dekorieren. Ein unglaublich tapferes Bekenntnis, sich zu etwas zu bekennen, das eh allgemeiner Konsens ist: Rassismus ist doof! Dass der Sachverhalt ein völlig anderer war, wird dank des ÖR gar nicht zur Kenntnis genommen. Wen interessiert schon die Wahrheit, wenn man sich in dem “Wir-sind-die-Guten” Gefühl sudeln kann….

Klaus Reichert / 04.09.2018

“Und auf keinen Fall gehen sie demonstrieren – es könnten ja Nazis dabei sein”. Ziemlich genauso hat es Ministerpräsident Kretschmer beim Bürgergespräch formuliert. Überhaupt hat der Mann in Chemnitz sein eigenes Grab geschaufelt. Es wäre die einmalige Chance gewesen, sich hinter seine Bürger und gegen deren Verunglimpfung zu stellen. Er hätte sich damit natürlich gegen die Bundesregierung, die Bundes - CDU und die Medien stellen müssen. Aber was hätte es ihn gekostet? Nur von den Sachsen kann er wiedergewählt werden, nicht von Berlin, von ARD, ZDF, Spiegel oder FAZ! Der Bruch mit Merkel - geschenkt, eine Karriere im Bund noch unter Merkel wäre sowieso äußerst unwahrscheinlich, wenn überhaupt. Eine Art regionaler Sebastian Kurz, Vorbote einer geläuterten CDU nach Merkel. Ein konservatives Profil, ins Amt gekommen gegen ihren Willen (Sie wollte Lothar de Maiziere nach Sachsen entsorgen, sein Vorgänger Stanislaw Tillich hat stattdessen Kretschmer durchgesetzt), Nun aber? Nichts, bestenfalls ein Mann zwischen den Stühlen.  “Wir sind mehr, wir sind lauter” brüllen die Linken. Nur lauter sind sie, mehr sind sie nicht. Wahlen zeigen das, nicht Rockkonzerte und Demonstrationen. Aber die etablierten Politiker haben sie immer noch fest im Würgegriff.

W. Scholz / 04.09.2018

Demokratie war gestern. Machen wir uns nix mehr vor: Wir haben eine Diktatur. Und wer da nicht mitfeiert, der ist Bodensatz, Pack, NAZI ... Ich las gerade in der gleichgeschalteten Presse, wie toll doch “Feine Sahne Fischfilet” den “Aufstand der Anständigen” geprobt hatte - in der bösen NAZI-Stadt ... und zwar bis zum letzten Atemzug gegen Rechts kämpfend, die Reihen der 65.000 waren fest geschlossen. Und das ganz im Sinne von CDU/CSU, SPD, FDP, GRÜNE, LINKE. Liebe Leute: verbietet die böse NAZI-AfD und schließt euch doch zur “Demokratischen Einheitspartei Deutschlands” zusammen. Dann sind wir immer demokratisch und diese lästige Wählerei ersparen wir uns. Es ist schon ein seltsames Gefühl, in einer gleichgeschalteten Presse aber wirklich ÜBERALL wieder den gleichen linken Stuss zu lesen. Und natürlich hat die Polit-Kaste Angst vorm Volk - es gehorcht nicht mehr so ganz.

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