Felix Perrefort / 05.12.2020 / 12:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 58 / Seite ausdrucken

Die Gesundheitsgermanen

Mich erinnern die Deutschen derzeit an mittelalterliche Germanen, die Angst davor haben, dass der Blitz sie trifft, wenn die Thor gewidmete Donareiche gefällt wird. Sie fürchten, dass schlimme Dinge passieren, ein großes „Unheil“ über sie kommen könnte, sollte die Alltagsmaske fallen und das Unverantwortliche geschehen: Bundesliga mit Fans! Schweißnasse Konzerte! Weihnachtsmärkte ohne Abstand! Nein, entrüsten sie sich mit ungläubigen Augen, Militär wäre dann auf den Straßen, die Intensivstationen würden überlaufen, die Krematorien wären am Limit. Treten wir einen Schritt zurück. Lassen wir uns einmal auf das intuitiv Undenkbare ein.

Was wäre, wenn all die Opfer, die auf dem Altar der Gesundheit erbracht wurden, für nichts und wieder nichts waren? Nein, das darf nicht sein. Wer das sagt, ist ein Leugner, ein Ketzer, einer, der uns alle in Gefahr bringt, ein Feind der Wissenschaft, der an düstere Verschwörungen glaubt, womöglich gar ein Antisemit, ein… Nazi… Schauder… 

Der Sündenfall 

Und doch sei die anrüchige Frage einmal erlaubt. Was genau ist eigentlich anders als in den Jahren davor? Kein erhöhter Krankenstand, keine Übersterblichkeit, auf den Intensivstationen ist nichts Ungewöhnliches los… Sind in Ihrem Bekanntenkreis mehr Leute krank als sonst? Wie viele kennen Sie, die Corona ernsthaft erwischt hat? Übersteigt dies die Anzahl derjenigen, die im Vorjahr die Grippe hatten?  

Doch mit dem Tabu des Grippe-Vergleichs kommen die „Bilder aus Bergamo“, die traumatisierten und den nicht zu hinterfragenden Beweis erbrachten: Dieses Virus ist schlimmer als jede Influenzawelle. Wie Naturgeister verfolgen sie die Deutschen und gemahnen: Du sollst Deinem Nächsten nicht zu nahetreten, Jesus hätte Maske getragen, höre auf Drostens „pandemischen Imperativ“ – und die WHO.

Die empfiehlt inzwischen übrigens, die Masken auch zuhause zu tragen, wobei sie dabei bleibt, dass „der Nutzen eines allgemeinen Maskentragens bei gesunden Menschen bislang nicht eindeutig nachgewiesen sei.“ Und während der RKI-Chef aufs monatelange Zusammenkneifen der Pobacken einschwörtweiß das RedaktionsNetzwerk Deutschland über eine Kontaktperson eines Mers-Infizierten: „Die Erkrankung verlief jedoch unbemerkt und symptomfrei.“ 

Sind die Deutschen nun völlig irre? Haben Söder, Merkel, Spahn, Drosten und Wieler die Bundesrepublik in ein Freiluftsanatorium verwandelt, in dem sich Politiker wie Gurus und Medizinmänner aufführen, die der Bevölkerung krank machende Therapien verordnen? 

Doch solche Fragen verkennen die Gefahr… Denn die Nation steht einem gnadenlosen Prinzip gegenüber, dem exponentiellen Wachstum… Ungeimpft, maskenlos und mit geöffneter Gastronomie wäre sie ihm gar schutzlos ausgeliefert. Denn ein Naturgott hat sich zum Jahreswechsel aus den Tiefen der Erde erhoben und die Menschheit auf eine schwere Probe gestellt. In einem fernen Land mit merkwürdigen kulinarischen Sitten ließ er einen Chinesen in eine Fledermaus beißen: der Sündenfall. 

Socken stopfen und Briefe schreiben  

Doch muss es das Virus schon mindestens seit Mitte 2019 in Italien geben, wenn diesbezüglich bereits spezifische Antikörper im September nachgewiesen werden konnten. Und niemand hatte etwas Auffälliges bemerkt? Vielleicht weil der Erreger grippeähnliche Symptome auslöst, die für kollektive Panikstimmung erst dann empfänglich machen, nachdem China im wahrsten Sinne des Wortes Theater gespielt hat

Wie dem auch sei, die Deutschen sind nicht ungeschützt. Sie haben Wissenschaft, Technologie und Experten. Christian Drosten, der Weise, flüsterte der Kanzlerin in der Krisenzeit seine profunden Ratschläge ins Ohr. Wie viele Menschen wurden durch ihn gerettet? 10.000? 200.000? 4.000.000? Wer weiß das schon so genau…, die Prophezeiungen der mathematischen Orakel fielen unterschiedlich aus. Den Enkeln wird man jedenfalls diese Geschichte irgendwann erzählen können… mit Tränen in den Augen… ein bescheidener, kluger Deutscher schenkte der Welt selbstlos seine Forschung… es werden Tränen voller Stolz sein. 

Doch zurück in die Gegenwart, in der „Zahlen“ steigen und steigen, was die FAZ bereits dazu trieb, die Demokratie infrage zu stellen. Und auch bei der Zeit verfiel man schon ins Grundsätzliche: „Unsere Vorfahren konnten das besser, ‚sich schicken in das Unvermeidliche‘“, meint dort eine besonders tiefsinnige Germanin und empfiehlt: „Socken stopfen und täglich einen Brief mit der Hand schreiben“. Die Stammesführer lassen indes wissen: Die Deutschen werden Helden gewesen sein, wenn sie nur brav gehorchen und keine Fragen stellen.

Man müsste ihnen mal einen Eimer Wasser über den Kopf gießen, damit sie den Wald vor lauter Bäumen wieder sehen. Die vom Bundestag beschworene „Epidemie nationaler Tragweite“ ist laut RKI „auf Bevölkerungsebene“ nicht einmal „wahrnehmbar“. Bei einer Epidemie von nationaler Tragweite, die auf nationaler Ebene nicht existiert, handelte es sich bis 2019 noch um eine Wahnvorstellung. Gefüttert wird der Spuk von einem PCR-Test-basierten, pseudo-wissenschaftlichen Meldesystem, das im Bann der „Bilder von Bergamo“ hektisch konstruiert wurde und seitdem verteidigt wird wie ein archaischer Kult gegen die Aufklärung. Hypnotisiert von „Infektionszahlen“, deren Erhebung so stümperhaft ist, dass sie keiner kritischen Befragung standhalten würden, will der Groschen bei den Gesundheitsgermanen auch dann nicht fallen, wenn belastbare Fakten eindeutiger nicht sein könnten: „Trotz steigender Infektionszahlen hat die Corona-Epidemie kaum noch Einfluss auf den Krankenstand in Deutschland“ (faz.de). Auch die Sterbestatistiken zeigen, dass die heutigen „Corona-Toten“ nicht „hinzu“ kommen, sondern letztes Jahr unter ferner liefen geführt worden wären.  

Der „Wellenbrecher-Lockdown“ war für die Katz‘ 

In Madrid, wo „ein Wunder“ geschehe, sinken „die Zahlen“ trotz geöffneter Fitnessstudios, Kinos, Theater, Gasthäuser und Kneipen, seitdem man weniger testet und nicht mehr den PCR-Test benutzt, sondern auf Antigen-Tests umgestiegen ist; in China, wo man schon im März den Wuhan-Lockdown aufhob, fanden im Sommer Techno-Partys ohne Masken statt, während es in Finnland keine Maskenpflicht gibt. Doch kein Unheil in Sicht. 

Indessen hatte der von der Kanzlerin verordnete „Wellenbrecher-Lockdown“ auch der Statistik der Bundesregierung zufolge keinerlei Wirkung. Apropos Merkel. Was geht eigentlich in ihrem Kopf vor? 

„Wo kommen wir da raus? Wo kommt China raus? Wo kommt Südkorea raus? Wenn die alle mal viel besser die Masken tragen und nicht so viel ,Querdenker‘-Demos haben, sondern derweil schon wieder wirtschaftlichen Aufschwung, dann fragt sich, wo Europa landet nach dieser Pandemie.“

Die mächtigste Politikerin im Lande… Auf solchen Vorstellungen basiert die Ruinierung ganzer Wirtschaftszweige, fußt die in den Schulen grassierende Tyrannei der Mehrheit gegenüber Kindern, die nicht mittun wollen. 

Seien wir ehrlich: Die Kanzlerin ist nackt. Sie hat keine Ahnung, wovon sie stammelt. Ihr „Lockdown Light“ wirkte nicht, das offizielle Intensivmelderegister verzeichnet nicht einmal ansatzweise eine bedrohliche Bettenknappheit. Doch statt sich von der Wirklichkeit wenigstens irritieren zu lassen, glaubt Merkel ernsthaft und in geradezu kindlicher Naivität, dass asiatische Länder einen wirtschaftlichen Aufschwung hätten, weil dort mehr Maskendisziplin herrsche und es keine Anti-Lockdown-Demos gebe, wobei ihr das Naheliegende nicht in den Sinn kommt: Ökonomisch geht es jenen Nationen gut, weil sie ihre Wirtschaft nicht „herunterfahren“. Und es passiert dort nichts Fürchterliches, weil man das ach so gruselige SARS-CoV-X nicht kontrollieren muss und auch gar nicht kann. Die Bevölkerungen asiatischer Länder beten keine Infektionszahlen an und richten sich auf deren Grundlage nicht völlig sinnlos zugrunde. Sie sind nicht an einer kollektiven Zwangsneurose erkrankt und führen daher keinen lächerlichen Gesundheitskult auf, der dem verpflichtet zu sein scheint, was Freud den Todestrieb nannte. 

Die Germanen vom Stamm der Chatten klärte Bonifatius auf, indem er die Donareiche einfach fällen ließ. Und siehe da, nichts passierte. Entsprechend wären sämtliche Grund- und Freiheitsrechte kurzerhand wiederherzustellen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, davor Angst zu haben. 

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Eberhardt Feldhahn / 05.12.2020

Wie hat Bohlen so treffend formuliert? “Erklär mal einer Bekloppten, dass sie bekloppt ist”

R.E.Hickel / 05.12.2020

In der Affäre Corona ist mir endgültig der Kragen geplatzt und der Geduldsfaden gerissen, nachdem ich hörte, dass es in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nun “nächtliche Ausgangssperren” gibt. Soll das als Maßnahme dienen, um eine Zahl von über 20000 Neuinfizierten täglich (nehme ich jetzt mal so hin) deutlich zu senken? An diesem Punkt komme ich mir definitiv für dumm verkauft vor. Dies ist doch absoluter Schw*chsinn! bzw. blinder Aktionismus. Wie viele Menschen sind in diesen Corona-Zeiten nachts unterwegs? Ich schätze mal grob, dass 90 (oder eher 95?) Prozent der Einwohner einer Stadt nachts… ja, genau, im Bett liegen und schlafen (oder andere Dinge tun, falls diese nicht mittlerweile auch nicht mehr “hilfreich” sind, ich weiß es nicht). Was soll diese “Maßnahme” ? Sind wir im Krieg? Fallen nachts Covid-Bomben? Und wer hat sich diese “Maßnahme” ausgedacht? Genau, Regierungen unter Führung bzw. Beteiligung der GRÜNEN! Alles klar?

beat schaller / 05.12.2020

Perfekt und grosse Klasse.  Hut ab vor diesem Bericht Herr Perrefort. Kann jemand noch etwas ergänzen zum Kommentar von @Karsten Dörre zu den Antigentests? Da bin ich zu Laienhaft. Danke für diese eindrückliche Zusammenstellung. b.schaller

Jochen Schmid / 05.12.2020

Sehr geehrter Herr Perrefort, sehr guter Text, Danke dafür.

Gudrun Dietzel / 05.12.2020

„Apropos Merkel. Was geht eigentlich in ihrem Kopf vor?“ @Herr Perrefort, nichts. Wenn wir das endlich alle verinnerlicht haben, müssen wir alle, ALLE!!!,  auf die Straße, in die Geschäfte, überall dorthin gehen, wo wir das Schnupftuch tragen müssen, aber OHNE und uns um keine Reaktion von wem auch immer scheren. Es passierte nichts, gar nichts. Nicht mal in Merkels Kopf würde etwas vorgehen. Wetten? Es liefe so, wie in der Nacht zum 9. November 1989 am Grenzübergang Bornholmer Straße in Berlin: Die Uniformierten zogen den Schlagbaum hoch. Nur weil eine überschaubare Menge von Ossis dort stand. Hinterher haben sich alle die Augen gerieben: Was, so einfach war das? Ja, so einfach. Man muß nur deutlich machen, daß man diese Hirnis nicht mehr ernst nimmt. Davor haben die Angst, nur davor.

M.-A. Schneider / 05.12.2020

Nachdem wir nun wissen, dass die Querdenker an allem Schuld tragen und Herr Harbarth , wie erwartbar, das Verbot der Querdenker-Demonstrationen für rechtens erklärt hat, ist doch alles gut. Die Regierung kann unverdrossen, mit einem weder standardisierten noch validierten, höchst unsicheren Test als Grundlage für das ganze Procedere die Bürger weiter mit ihren Maßnahmen strangulieren und alles verbieten, was Lebensfreude ausmacht, ohne Perspektive und mit ständiger Angst-Propaganda, vor allem ohne Abwägungsprozess und Rücksicht auf die Folgen. Dazu kommt noch die Bestätigung der Richtigkeit der Maßnahmen durch den Verfassungsrechtler Di Fabio, der sich noch vor einiger Zeit sowohl hier als auch bei TE meiner Erinnerung nach ganz anders positioniert hat. Was soll da noch schief gehen? Hauptsache, die Regierungsverantwortlichen finden immer neue Wege, ihre eigenen Fehler nicht eingestehen zu müssen und können unverdrossen und gegen den Bürger weiter regieren.

Fridolin Kiesewetter / 05.12.2020

Der Autor vergißt, daß “deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun”, ohne zu fragen. Nicht zufällig ist das germanische Nibelungenlied das Nationalepos der Deutschen geworden. Das endet bekanntlich damit, daß sich die Burgunden in einem Gemetzel abschlachten, von dem zuletzt niemand mehr weiß, wozu eigentlich gefochten wird. Man hat’s dem König geschworen, also wird’s gemacht, auch wenn man knöcheltief im Blut watet. Ein Hundsfott, wer da fragt, warum.

Roland Müller / 05.12.2020

Bergamo war eine Volte, wie sie nur halbseidenen italienischen Politikern einfallen kann. Leichen sammeln bis ein Konvoi zusammen kommt und diesen zu einer Zeit auf die Straße schicken, wenn er die Straße allein für sich hat, auf diese Idee kommt nicht jeder. Übrigens mussten sie den Konvoi am Stadtrand außerhalb der Sichtweite der Bürger auflösen, um die weit verstreuten Krematorien zu erreichen.

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