Der Schienenwolf war früher eine Kriegswaffe, die eingesetzt wurde, um dem Feind trotz Rückzug zu schaden. Heute ist er ein Symbol für die erhoffte Klimaneutralität. Gasnetz, Verbrenner und Co. sollen, ähnlich wie die Bahngleise, „vernichtet“ werden.
Der Schienenwolf war ein martialisches Gerät. Er bestand aus einer riesigen, stählernen Kralle, die auf einer flachen Lafette montiert war. Langsam von einer Lokomotive über eine Bahnstrecke gezogen, sollte er die hölzernen Gleisschwellen aufbrechen und die Strecke unbenutzbar machen. Manchmal gab es auf Schienenwölfen, auch Schwellenpflüge genannt, Vorrichtungen, mit denen Sprengladungen ins Gleisbett geworfen werden konnten. Auf diese Weise wurden auch die stählernen Schienen verbogen und konnten selbst mit neuen Schwellen nicht mehr funktionstüchtig gemacht werden.
Wenn der Schienenwolf zum Einsatz kam, bedeutete dies buchstäblich, dass es kein Zurück mehr geben sollte. Verbrannte Brücken, verbrannte Erde. Und es war auch ein Zeichen grausamen Trotzes: Wenn wir schon nicht siegen können, lautete die Botschaft an den Feind, dann sollt ihr doch den größtmöglichen Schaden davontragen.
Heute beherrscht der Schienenwolf auch die Energiepolitik: Ende 2019 wurde im Zuge des „Atomausstiegs“ der letzte Block des Kernkraftwerks Philippsburg am Neckar stillgelegt – schon ein halbes Jahr später sprengte man die Kühltürme. Der Atomausstieg werde „sichtbar“, jubelten die meisten Medien. Ein Zurück soll es nicht geben.
Freiwillige Unterwerfung unter die grüne Allmacht
Jetzt ist auch das Gasnetz ein Fall für den Schienenwolf. Es soll, parallel zum erhofften „Hochlaufen“ von Fernwärme, Wärmepumpen, Biomethan und Wasserstoff, schrittweise abgerissen werden. Kein Zurück, selbst wenn sich der politische Wind drehen sollte, was indes unwahrscheinlich ist, weil außer der geächteten AfD keine Partei den Klimaneutralitäts-Quatsch in Frage stellt. Oder wenn sich herausstellen sollte, dass doch die Sonne und nicht das CO2 an der Erderwärmung schuld ist
Mir graust schon jetzt vor dem Tag, wenn irgendwann Mitte der Dreißigerjahre, also in nicht mal einem Jahrzehnt, das „Verbrenner-Aus“ greift und sich die Kralle des Schienenwolfs auch unter meinem Golf-Diesel verhakt. Ich habe mir zwar vorgenommen, mir ein paar Jahre vor dem Tag X schnell noch einen nagelneuen Diesel zuzulegen. Doch ist zu befürchten, dass die Autokonzerne in freiwilliger Unterwerfung unter die grüne Allmacht schon lange vorher fossile Autos aus der Produktion nehmen. Und wahrscheinlich wird, wenn der Zeitpunkt herannaht, ohnehin ein gigantischer Run auf Verbrenner einsetzen.
Vielleicht sollte man sich schon bald einen Austauschmotor auf Halde legen - werde mal meinen Autohändler befragen. Das Thema Elektroautos sollte man bei ihm eher nicht anschneiden. Der Knackpunkt, sagt er immer, sei nicht der Motor selbst, der stecke in jeder Waschmaschine, sondern die komplexe elektronische Steuerung. Dann rollt er mit den Augen und schaut zur Decke. Die Elektronik spinnt zwar auch in meinem Golf VIII andauernd, ohne dass es meinem mittlerweile zum Elektrotechniker und IT-Spezialisten mutierten Autoklempner bisher gelungen wäre, das Problem dauerhaft zu beseitigen. Doch selbst wenn der Bordcomputer ausfällt, schnurrt der Diesel immer noch wie ein Kätzchen. Bei einem Stromer läuft in so einem Fall gar nichts mehr.
Ein bisschen Trotz ist da schon dabei
Und wenn ich wirklich, sagen wir im Jahre 2033, stolzer Besitzer eines der letzten von VW produzierten Golf-Diesels wäre, wer garantiert, dass es in den nächsten zwanzig Jahren, also der Lebenszeit eines nach klassischen Maßstäben deutsch-ordentlich konstruierten Fahrzeugs, noch Ersatzteile gibt? Noch Tankstellen? Oder Parkplätze für böse Dieselstinker? Ungeachtet weiterer gesetzgeberischer Schikanen müsste es wohl zu schaffen sein, in der mir verbleibenden Zeit als aktiver Automobilist um die Elektromobilität herumzukommen. Jedenfalls bin ich fest entschlossen, so lange Verbrenner zu fahren, bis mir ein Abgesandter des grünen Bürgerrates den Stilllegungsbescheid zustellt oder mir die Kiste unter dem Arsch weggerostet ist. Ein bisschen Trotz ist da schon dabei - siehe Schienenwolf.
Spätestens seit dem jüngsten Osterurlaub in Südfrankreich brennt mir als Bewohner einer mit Öl beheizten Mietwohnung auch das Heizungsthema auf den Nägeln. Kurz nach Rückkehr aus der Provence erwischte mich eine heftige Erkältung. Grund war wohl die Klimaanlage in der von uns angemieteten Ferienwohnung. Die diente nämlich auch zum Heizen der Bude, zusammen mit in jedem Raum an den Wänden klebenden, flachen Elektroheizungen, auch Wandtoaster genannt. In Frankreich heizen rund 40 Prozent aller Haushalte auf diese oder ähnliche Weise mit Strom. Jedes zusätzliche Kältegrad soll die Leistung zweier Atomreaktoren verschlingen.
Es war nun leider über Ostern empfindlich kalt und regnerisch in Frankreichs ansonsten von der Sonne verwöhntem Süden. Gut für die Natur, weniger gut für Touristen, die der Kälte des Nordens entfliehen wollen. Am Karsamstag war der Himmel so rot von Saharastaub, dass wir dachten, der Tag des Jüngsten Gerichts sei angebrochen. Glücklicherweise gibt es in der Provence so gut wie keine Solarkollektoren, sonst hätte es vielleicht einen Blackout gegeben.
Fernwärme als Alternative
Mit Hilfe sämtlicher Klimaanlagen und Wandtoaster gelang es uns während unseres Aufenthaltes, die Innentemperatur in einem erträglichen Bereich zu halten, wobei, sicher ist sicher, noch ein von zu Hause mitgeführter Radiator zum Einsatz kam. Doch Elektrowärme ist keine schöne Wärme. Vor allem der ständige Luftzug nervt und jeden Morgen wacht man mit trockener Nase und Halsschmerzen auf. Nachhaltig ist diese Heizungsform auch nicht, weil es sofort nach Abschalten der Quellen wieder kalt wird.
Schreckliche Vorstellung, wenn man in ein paar Jahren auch bei uns gezwungen wäre, mit Wandtoaster, Heißlüfter oder Klimaanlage zu heizen. Der Dauerschnupfen wäre programmiert. Ich fühle mich übrigens auch in den zu Tode gedämmten, kunstbelüfteten Niedrigenergiehäusern nicht wohl und Fußbodenheizungen mag ich generell nicht. Da weiß man nie, wo man die Handtücher trocknen soll. Außerdem liebe ich das Gluckern des Wassers in den Heizkörpern und stecke gerne meine kalten Hände zwischen die Lamellen.
Bliebe als vertretbare Alternative zur Öl- oder Gasheizung eigentlich nur Fernwärme, gegen die ich grundsätzlich nichts einzuwenden habe. Allerdings bedeutet Fernwärme wieder ein Stück mehr Sozialismus. Und davon haben wir wahrlich genug in diesem Land.
Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik u.a. für die Süddeutsche Zeitung. Er schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss, und auf Achgut.com eine kulinarische Kolumne.