Rainer Bonhorst / 17.02.2015 / 10:50 / 5 / Seite ausdrucken

Der T.- und - A. - Neid

Hier ein überfälliges Lob für die Grünen, die mit zwei exzellenten sprachlichen Beiträgen die politische Debattenkultur wieder einmal deutlich angehoben haben. Da wäre einmal der Vollpfosten zu nennen, der in diesen Tagen gleich zweimal zur Sprache kam. Und dann sind da die Titten und der Arsch, den die emanzipatorische Frauenpartei ebenfalls in die Debatte geworfen haben.

Zur Erinnerung: Es begann damit, dass der Hamburger Grünen-Politiker Michael Kellner einige nicht näher bezeichnete CSU-Politiker als Vollposten bezeichnete. Damit machte er Schule. Denn Tags darauf griff der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki das Wort auf und ernannte den südwestdeutschen Grünen-Politiker Jörg Rupp zum Vollpfosten. Dieser wiederum hat sich den Vollpfosten-Titel erworben, indem er der Hamburger FDP-Politikerin Katja Suding vorgeworfen hat, sie habe mit Hilfe von „Titten und Arsch“ bei der Wahl so gut abgeschnitten.

Soweit der Stand der Dinge. Aber was hat es mit der Einführung dieser beiden Begrifflichkeiten auf sich? Was haben sie zu bedeuten? Was sagen sie uns?

Nun, die Titten und der Arsch aus dem Munde des Südwest-Grünen sind insofern interessant, als sie auf das sonst wenig beachtete Phänomen des männlichen Titten-und-Arsch-Neids hinweisen. Der T.-und-A.-Neid, das männliche Gegenstück zum Freudschen Penisneid, wird selten offen ausgesprochen, schein aber ebenso verbreitet zu sein wie der offiziell anerkannte weibliche P.-Neid.

Im Falle Jörg Rupp darf man davon ausgehen, dass er ganz im Sinne Freuds seinen Mangel an T.-und-A.-Ausstattung nicht länger stillschweigend ertragen konnte. Ein womöglich jahrelanger Neidstau hat sich ungewollt und unkontrollierbar in einer verbalen Neid-Explosion in Richtung FDP Luft gemacht.

So viel über diese Thematik. Rätselhafter ist der Vollpfosten. Sicher, er ist im Duden zu finden und hat es auch schon zu Filmruhm gebracht („Vollpfosten hoch 2“). Aber was hat so ein Pfosten zu bedeuten? Wikipedia vermutet, dass damit angedeutet werden soll, eine so beschriebene Persönlichkeit verfüge über einen Intelligenzquotienten, der dem eines hölzernen Pfostens entspricht. Wir haben es also lediglich mit einer Steigerung des konventionellen Begriffs Dummkopf zu tun.

Gut, das erklärt den Pfosten. Aber was soll das „Voll“ vor dem Pfosten? Gibt es auch einen Leerpfosten? Etwa einen „Pfosten leer“ im Sinne von Giovanni Trappatonis „Flasche leer“? Mir ist so ein leerer Pfosten noch nicht untergekommen. Meines Erachtens ist ein Pfosten von Hause aus voll. Er besteht durch und durch aus Holz. Nein, mit dem „Voll“ muss es eine andere Bewandtnis haben.

Vielleicht handelt es sich bei dem Vollpfosten ganz einfach um eine Tautologie. Der Pfosten, der voll und ganz aus Holz besteht, wird überflüssigerweise zum Vollpfosten gemacht. Ähnlich dem weißen Schimmel oder dem alten Greis. Vielleicht hat diese überdeutliche Doppelmoppelung aber auch einen tieferen Sinn. Vielleicht ist sie der Sorge geschuldet, dass der als Vollpfosten Beschimpfte so blöd ist, dass er die einfache Bezeichnung „Pfosten“ gar nicht als die gewünschte Beleidigung erkennt. Mit Hilfe des zusätzlichen Wörtchens „voll“ soll er auf den vollen Umfang seiner Blödheit hingewiesen werden.

Wie dem auch sei. Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass uns die Grünen („uns geht es um Inhalte“) wieder einmal zu neuen Erkenntnistiefen verholfen haben. Sowohl der Hinweis auf den männlichen Titten-und-Arsch-Neid als auch die sprachwissenschaftliche Einführung in das Geheimnis des Vollpfostens kann man sich aus der politischen Debattenkultur schon jetzt kaum noch wegdenken.

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Leserpost

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Andreas Glaesel / 19.02.2015

Hallo Herr Bonhorst, da mir der Begriff Vollpfosten vor allem aus dem Fußballer-Milieu bekannt ist, wird es sich damit wohl wie mit dem “Vollfriseur” verhalten, welcher quasi eine negative Steigerung des “Halbfriseur” (Spieler mit überschaubarem Talent) darstellt. Insofern ist rein sprachtechnisch ein “Halbpfosten” (bei dem noch nicht ganz die Hoffnung verloren ist) wahrscheinlicher als ein “Leerpfosten”... Schönen Gruß, Andreas Glaesel

Roland Stolla-Besta / 18.02.2015

Sehr geehrter Herr Bonhorst, ein interessanter Artikel mit schlüssigen Gedanken zu dem „Titten-und-Arsch“-Zitat. Was den „Vollpfosten“ angeht, so habe ich da meine durchaus passende und, wie ich hoffe, nicht weniger schlüssige Erklärung: Pfosten = eindeutig phallisches Symbol, das dazugehörige „voll“ drückt die ungeheure Potenz aus. Somit ist das als Beleidung und meiner Erfahrung nach ausschließlich für Männer gedachte Wort freudianisch gesehen tatsächlich ein im Grunde unbewußtes, aus dem Neid geborenes Lob.

Tilo Weller / 18.02.2015

Lieber Herr Bonhorst, bedenken Sie bitte, es gibt ja noch die “Hohlpfosten”, also die modernen Aluminiumtore im Fußball. Da macht die Unterscheidung zum “Vollpfosten”, dem guten alten Holztor doch Sinn. Spätestens bei transportieren merkt man den Unterschied. Was wäre jetzt eigentlich die schlimmere Beleidigung? *grübel*

Peter Luetgendorf / 17.02.2015

Sehr geehrter Herr Bonhorst, Herr Kubicki ist ein spezielles Projekt. Wohin das führt, weiß man noch nicht. Ich glaube, daß viele Wähler von Frau Suding gar nicht mehr zwischen diesen Körperteilen unterscheiden können. Jörg Rupp hat doch die Möglichkeit, sich umzukleiden, wenn er will. Und wenn wir uns Pfosten betrachten, die komplett aus Holz bestehen, müssen wir uns zugestehen, daß sie mehr erreicht haben als das was sich viele Politiker erträumten. Gruß  

Sven Reitner / 17.02.2015

Lieber Herr Bonhorst, Sie sind mir ja einer! Nach meinen Recherchen haben Sie den Grünen-Politiker Jörg Rupp nicht ganz richtig zitiert, aber unter anderem gerade deshalb habe ich mich beim Lesen Ihres Artikels köstlich amüsiert. Freundliche Grüße, Sven Reitner

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