Rainer Bonhorst / 26.01.2015 / 12:30 / 1 / Seite ausdrucken

Der Norden gegen den Süden. Und umgekehrt.

Hier aus aktuellem Anlass ein paar Bemerkungen über Nordsüdkonflikte. Sie müssen nichts bedeuten. Aber die Spannungen zwischen Berlin und Athen regen nun mal die Phantasie an.

Schließlich sind Nord-Süd-Konflikte uralt. Der dramatischste herrscht(e) zwischen Europa und Afrika. Die Folgen des Kolonialismus sind in dem Südkontinent nicht überwunden. Aber Afrika benutzt die Geschichte der nördlichen Unterdrückung längst als billige Ausrede für eigenes Versagen.

Auf dem amerikanischen Doppelkontinent gilt der nördliche Riese USA als böser Hauptschuldiger an den Miseren und an dem Versagen lateinamerikanischer, also südlicher Staaten. Die Vereinigten Staaten selber haben sich sogar einen fürchterlichen Bürgerkrieg geleistet, weil die südlichen Baumwoll- und Sklavenstaaten und die nördlichen Industrie- und Handelsstaaten nicht auf einen Nenner zu bringen waren. Sind sie dann doch, aber nur mit Gewalt. Die seelischen Wunden leckt sich mancher im Süden noch heute. Und dass es einigen amerikanischen Südstaaten heute viel besser geht als einigen Rostgürtelstaaten des Nordens genießen die südlichen Gentleman mehr oder weniger schweigend.

In Europa haben wir eine wunderbare Vielfalt an Nord-Südkonflikten. Deutschland zeigt, wie die USA von heute, dass nicht immer der Süden das Nachsehen haben muss. Bei uns hängen die Nordstaaten am Tropf der Südstaaten, vor allem am Tropf der Bayern. In Berlin findet man das sogar sexy. Und ganz allgemein findet man im Norden die Bayern, von denen man sich aushalten lässt, im Zweifel komisch. Vor allem dann, wenn man nicht dorthin zieht, was ja viele Nordländer tun. Des Geldes und der Sonne wegen. Aber was soll’s.

In Großbritannien ist der Fall noch dramatischer. Da gibt es einen ausgesprochen wohlhabenden Süden und einen stark angeschlagenen Norden, auf den man vom Süden aus ein wenig mitleidig hinabblickt. Das ging so weit, dass die Schotten als nördliches Bergvolk zu den etwas versnobten Südengländern beinahe „good bye“ gesagt hätten, und: „Wir machen unseren Mist alleine.“ Sie haben es dann doch nicht getan, und der Süden, aus seinem Hochmut zeitweilig aufgeschreckt, hat aufgeatmet.

In Italien geht es klassischer zu. Wohlhabender Norden, armer Süden. Gelegentlich fällt mit Blick auf den tiefen italienischen Süden sogar das Wort Afrika. Das erinnert an die Vermutung linksrheinischer Deutscher (sprich: Kölner), dass Deutschland rechts des Rheins deutliche asiatische Züge trägt. Ernst gemeint ist so was natürlich nicht, ganz abgesehen von der Frage, was denn so schlimm am asiatischen oder afrikanischen sein soll. Im übrigen wollen wir den West-Ost-Konflikt, der auch ein schönes Thema wäre, hier mal außen vor lassen.

Kommen wir also endlich zur Europäischen Union, die von einem klassischen Nord-Süd-Konflikt geprägt ist. Ein wenig Chaos und keinen übermäßigen Wohlstand finden wir dort, wo die Sonne scheint. Ordnung und Reichtum kommen dort vor, wo es schneit und regnet. Dass die Sonne mit diesem Unterschied durchaus etwas zu tun haben könnte, erkennt man an den Südland-Touristen aus dem Norden. Sie lassen, kaum sind sie dort gelandet, den lieben Gott dermaßen einen guten Mann sein, dass eingeborene Südländer über die Disziplinlosigkeit der eingefallenen Nordländer nur den Kopf schütteln können. Würden sie sich selber so verhalten wie die Eingeflogenen, die Lage im Süden wäre gänzlich hoffnungslos.

Aber wie hoffnungsvoll ist die Lage? Die Griechen haben gerade eine Linksregierung gewählt, die sich ihr südliches Leben nicht länger vom Norden diktieren lassen will. Zwar haben die Griechen eine Menge Geld kassiert, damit sie sich zu Preußen umschulen lassen. Aber jetzt haben sie genug davon. Sie sagen sich: Ich bin ein Grieche, will ein Grieche sein.

Das kassierte Geld können sie natürlich nicht zurückgeben. Im Gegenteil, sie brauchen noch viel mehr, wenn sie so gut leben wollen wie wir im Norden. Nur eben auf griechische Art. Aber das Geld kriegen sie nur, wenn sie weiter bei den Preußen in die Schule gehen. Was sie, wie die Wahl zeigt, nicht wollen.

Ein schönes Dilemma. Zu lösen wäre es, wenn die Griechen einfach wieder ihr eigenes Geld drucken und den Euro-Gläubigern den Stinkefinger zeigen würden. Das ist nicht gerade wahrscheinlich. Aber so etwas hat es schon öfter gegeben.

Die Fugger in Augsburg sind reich geworden, weil sie den Habsburger Kaisern viel Geld geliehen haben. So wie die deutsche Wirtschaft auch dadurch reich wurde, dass wir den Südländern viel Geld borgten, damit die unsere Waren kaufen konnten. Als die Habsburger die Schuldentilgung einstellten, standen die Fugger dumm da. Sie konnten ja nicht die Kavallerie gegen den Kaiser losschicken, von der Peer Steinbrück so viel hält. Wird man die Kavallerie statt in die Schweiz nun nach Athen schicken? Sehr unwahrscheinlich.

Statt dessen wird man gespannt beobachten, was die anderen Südländer tun. Was, wenn die auch in Versuchung geraten, sich eine Syriza-Regierung zu wählen und den Berlinern einen Stinkefinger zu zeigen? Was, wenn auch sie feststellen, dass die preußische oder von mir aus auch die schwäbisch sparsame Lebensart nicht ihr Ding ist?

Hier hilft die alte politische Formel, wonach nicht sein darf, was nicht sein kann. Oder die linksrheinische: Et het noch immer joot jejange.

Außerdem hat der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, schon seinen eigenen kräftigen Beitrag geleistet, um den Süden gegen den Norden in eine bessere Stellung zu bringen. Er lässt so viele Euros drucken, dass die Versuchung der Südstaaten, wieder ihr eigenes Geld aus dem Keller zu holen, sinkt. Wer ihm dazu den Auftrag gegeben hat, weiß nur er selber. Wahrscheinlich niemand. Er trägt wohl seinen eigenen Nord-Süd-Konflikt aus. Fortsetzung folgt.

Und das simple Fazit lautet: Die Menschen sind unterschiedlich und es wäre traurig, wenn es anders wäre.

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Ulrich Berger / 26.01.2015

“Und das simple Fazit lautet: Die Menschen sind unterschiedlich und es wäre traurig, wenn es anders wäre.” Stimmt, aber dann sollen die Südländer der EU bitte schön auch die nicht so angenehmen Folgen ihres stolzen Andersseins alleine tragen. mfg

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