Heute mal etwas zum Schmunzeln. Gerade erst hat der Klimadiskurs den neuesten Sachstandsbericht des Weltklimarates verdaut (AR5, erster Teil). Zumindest eines dürfte davon hängen geblieben sein. Der IPCC räumt darin unumwunden ein, dass die Modelle unzureichend sind, den derzeitigen Klimaverlauf widerzuspiegeln. Irgendwelche Kräfte sind da am Werk, die den Temperaturen eine unvorhergesehene Entwicklung gaben, seit eineinhalb Jahrzehnten wird es nicht mehr wärmer trotz steigendem CO2-Ausstoß. Der IPCC rätselt.
Ich will mich jetzt nicht darüber streiten, ob die langfristige Tendenz des Klimarates vielleicht doch stimmen könnte, ich habe auch da meine begründeten Zweifel. Eines aber steht fest: Für genau terminierte Vorhersagen eignen sich die Modelle ganz offenbar nicht.
Ob Camilo Mora, Klimaforscher aus Hawaii, wenn er denn den IPCC-Bericht vorher gekannt hätte, Bedenken gehabt hätte, sich mit seiner neuesten Studie lächerlich zu machen? Wollen wir es mal zu seinen Gunsten annehmen. Denn er legt wenige Tage nach jenem Weltklimabericht nun allen Ernstes eine Arbeit vor, die an Genauigkeit nicht mehr zu überbieten ist, und das auch noch in der Langfristprognose.
2047 wird seiner Ansicht nach das Jahr sein, ab dem jedes einzelne Jahr heißer sein wird als alle Jahre zwischen 1860 und 2005. Genauer gehts nicht. Weil er sich da aber nicht ganz sicher ist, bietet er auch noch eine Schwankungsbreite an: Plus minus 14 Jahre (nein, nicht 13 und auch nicht 15, sondern 14, oder sollte man da auch noch ein +/- angeben?). 2047 ist allerdings auch nur der Durchschnitt. In Honolulu wird es schon 2043 der Fall sein, in Dallas wird die Schwelle erst 2063, in Anchorage erst 2071 überschritten sein. Aber an welchem genauen Datum eigentlich, am 1. April, oder am 30. Mai, wenn ja bekanntlich Weltuntergang ist, oder wann jetzt?
Ich weiß, ich weiß, so funktioniert Statistik, das ist Wissenschaft, Durchschnitt, Schwankungsbreiten, Wahrscheinlichkeiten. Und dennoch täten sich bestimmte Klimaforscher einen großen Gefallen, wenn sie sich in diesen bewegten Tagen mit solchen Scheinkonkretionen tunlichst zurückzuhalten, auch wenn sie damit ihr Geld verdienen. Ganz aus Versehen sind solche genauen Vorhersagen nun auch nicht, würde ich mal unterstellen, sie täuschen vielmehr eine Sicherheit vor. Die es aber nicht gibt, weniger denn je.
Unabhängig davon, ob die grobe Richtung stimmt (siehe oben), so haben sich die Experten doch immer umso stärkere Peinlichkeiten erlaubt, je detaillierter sie ihre Vorhersagen fassten. Das fing schon damit an, dass der Klimawandel sich eher in milderen Wintern als in heißeren Sommern bemerkbar machen sollte, inzwischen erklärt man uns, warum gerade die Winter immer kälter wurden. Angeblich sollten die Sommermonate bei uns immer trockener werden, im vergangenen Jahrzehnt waren bis auf eine Ausnahme alle Sommer überdurchschnittlich feucht oder normal. Insbesondere der Osten Deutschland sollte austrocknen, inzwischen hat man dort Sorge, weil das Grundwasser in die Keller steigt (was zwar auch am Wassersparen liegt aber eben auch an der ausbleibenden Trockenheit).
Wer sich weiter lächerlich machen will, der übe sich – IPCC-Selbstzweifel hin oder her – weiterhin in minutengenauen Vorhersagen für die nächsten 50 oder 100 Jahre. Nur zu.
Witzig ja übrigens auch die Überschrift in jenem oben verlinkten Beitrag aus dem Guardian, der die Studie offenbar ernst nimmt: “Shift to a new climate likely by middle of the Century”, ab Mitte des Jahrhunderts also gibt’s wahrscheinlich ein neues Klima. Und ich dachte immer, der Klimawandel hätte schon längst begonnen.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT