Gastautor / 23.03.2024 / 16:00 / Foto: Montage Achgut.com / 11 / Seite ausdrucken

Das woke Gütesiegel des Kapitalismus

Von Joanna Williams.

Unternehmen lassen sich als sogenannte "B-Corporation" nachhaltig und politisch korrekt zertifizieren. Angestellte und Kunden werden zum mitmachen genötigt, sollten sich aber dagegen wehren.

Auf Websites, in Anzeigen und in Schaufenstern ist ein neues Logo aufgetaucht. Es ist ein großes „B" in einem Kreis, begleitet von dem Slogan „Zertifizierte B Corporation". Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, werden Sie es wahrscheinlich bald entdecken. Dieser März ist nämlich „B Corp Monat“. Das ist ein Stichwort für mehr Markenbildung und Hochglanzmagazin-Werbung.

B Corp ist das öffentliche Gesicht des sogenannten ethischen Kapitalismus. Eine „zertifizierte B Corp" ist ein Unternehmen oder ein Konzern, dem „hohe Sozial- und Umweltstandards" bescheinigt wurden. Dieses Gütesiegel wird vom „B Lab" vergeben, einer kleinen Gruppe, die „Best Practices für Unternehmen in den Bereichen Soziales, Umwelt und Unternehmensführung" festlegt. Das hochtrabende Ziel all dieser Zertifizierungen lautet, „eine globale Wirtschaft zu schaffen, die Unternehmen als eine Kraft für das Gute einsetzt". Für nicht Eingeweihte erläutert B Corp dies näher: „Durch ihre Produkte, Praktiken und Gewinne sollten Unternehmen danach streben, keinen Schaden anzurichten und allen zu nutzen.“

„Keinen Schaden anzurichten" mag unbedenklich erscheinen, aber es gibt gute Gründe, bei B Corp Vorsicht walten zu lassen. Erstens tritt sie unverblümt politisch auf. B Lab wirbt großspurig damit, dass es „das Verhalten, die Kultur und die strukturellen Grundlagen des Kapitalismus verändern" wird, um „die größten Herausforderungen der Gesellschaft zu bewältigen". Wie anders sähe die Welt heute wohl aus, wenn Revolutionäre durch die Geschichte hindurch nicht auf die Barrikaden gegangen wären, sondern Firmenchefs mit Abzeichen versehen hätten...

Die lautstarke Gemeinschaft

In Wirklichkeit ist B Corp weit davon entfernt, den Kapitalismus zu demontieren, sondern sie verleiht ihm vielmehr mit moralischen Zielen einen neuen Sinn. Ihre weitreichenden politischen Ziele decken sich perfekt mit dem heutigen Konsens der Eliten. Zum Beispiel Nachhaltigkeit: Jeder Davos-Teilnehmer, der einen Privatjet besitzt, predigt die Bedeutung der Klimaneutralität. So ist es kaum verwunderlich, dass die Verpflichtung zur Einhaltung von Umweltzielen eine der Hauptanforderungen an Unternehmen ist, die sich als B Corp zertifizieren lassen wollen. Von den Unternehmen wird erwartet, dass sie über ein „Umweltmanagementsystem" verfügen, das die Abfallerzeugung, den Energieverbrauch, den Wasserverbrauch und die CO2-Emissionen abdeckt. All dies geht weit über die Einhaltung nationaler Gesetze und lokaler Vorschriften hinaus.

Oder nehmen wir die B-Lab-Richtlinien zu „Gerechtigkeit, Gleichstellung, Vielfalt und Integration" (JEDI). Unternehmen, die sich anmelden möchten, wird mitgeteilt, dass B Corp „gegen alle Formen der Unterdrückung eintritt, einschließlich Rassismus, Transphobie, Klassenfeindlichkeit, Sexismus und Fremdenfeindlichkeit". B Lab ist bestrebt, „die grundlegenden Ungerechtigkeiten, mangelnde Gleichstellung und Gewalt zu bekämpfen, von denen Persons of Colour und Frauen unverhältnismäßig stark betroffen sind". Es reicht nicht aus, im Stillen nicht rassistisch und nicht sexistisch zu sein", so B Lab weiter, „wir haben die Verantwortung, eine Gemeinschaft von lautstarken, sichtbaren, antirassistischen und feministischen Unternehmensführern aufzubauen".

Wenn Firmenchefs privat Aktivisten sein wollten, wäre das ihre Sache. Aber das Ganze hat weitreichende Folgen für die Beschäftigten von B-Corp-zertifizierten Unternehmen, von denen man erwartet, dass sie – unabhängig von ihren persönlichen Überzeugungen – Teil dieser „lautstarken Gemeinschaft" werden.

Sind sie trans?

Über 8.000 Unternehmen aus 96 Ländern wurden überprüft und dürfen das B-Corp-Logo führen. Das bedeutet, dass die Werte von B Corp nun für über 755.000 Arbeitnehmer und viele Millionen Kunden in allen Teilen der Welt gelten. Allein im Vereinigten Königreich gibt es mehr als 1.900 B Corps mit über 81.000 Beschäftigten. In Deutschland sind es inzwischen mehr als 100 B Corps. Heutzutage reicht es nicht mehr aus, dass Mindestlohnempfänger ihre Arbeitskraft verkaufen. Sie müssen sich auch den ideologischen Überzeugungen ihres Arbeitgebers anschließen. Sie müssen an Schulungen und Sensibilisierungskursen teilnehmen. Sie müssen Namensschilder tragen und ein genehmigtes Vokabular verwenden. All dies kann sich sogar auf ihre persönliche Nutzung sozialer Medien außerhalb der Arbeitszeit erstrecken.

Der genderkritische Kommentator James Esses hat kürzlich anhand einer Reihe von Beispielen aufgezeigt, wie sich der „woke Kapitalismus" auf die Beschäftigungspraktiken auswirkt. Der britische Zoofachhändler Pets at Home fragt potenzielle Mitarbeiter: „Sind Sie trans?“ Die korrekte Antwort für angehende Hundefutterverkäufer lautet vermutlich „Ja". Unter den Beschäftigten bei Pets at Home findet sich ein weitaus größerer Anteil von Personen, die sich als LGBT identifzieren als in der Gesamtbevölkerung. Nach ihrer Einstellung werden die Mitarbeiter auf Leitfäden verwiesen, die ihnen zeigen, wie sie sich besser mit LGBT-Menschen „verbünden“ können. Ihnen werden einseitige Definitionen von Begriffen wie „Transphobie" und „weißes Privileg" beigebracht, und sogar, dass „kinderlos" zu sein eine Form von Privileg sei.

Pets at Home ist nicht B-Corp-zertifiziert – die Chefetage scheint lieber dem „Equality Inclusion Index" von Stonewall anzugehören –, aber unabhängig von der Bezeichnung gehen die Geschäftsführungen davon aus, dass sie das Recht haben, ihre eigenen Ansichten den Beschäftigten aufzuzwingen. Esses hat auch die Einzelhandels-Kette John Lewis entlarvt: Sie wirbt für ein internes Magazin, das transsexuellen Kindern von Mitarbeitern Ratschläge zum Brustabbinden gibt.

Politische Umerziehung

Die Verbraucher werden ebenfalls gezielt umerzogen. Die Outdoor-Bekleidungsmarke North Face bietet ihren Kunden 20 Prozent Rabatt an, wenn sie einen „digitalen Kurs zur Rasseninklusion" absolvieren. Wohlhabende Luxusgut-Konsumenten freuen sich vielleicht über eine Extraportion Wohlfühl-Ethik zu ihren teuren neuen Schuhen. Aber überall werden die Käufer dazu gedrängt, bei jedem Kauf politische Botschaften zu akzeptieren. Es gibt kaum noch ein größeres Geschäft in bester Lage, in dem das Personal keine Namenschilder mit für die Anrede gewünschten Pronomen trägt, die Schaufenster nicht mit Regenbogenflaggen geschmückt sind, der „Black History Month“ nicht gefeiert wird oder man sich nicht rühmt, Klimaneutralitäts-Ziele zu erreichen.

B Corp dient dazu, Vorstellungen zu normalisieren, die politisch strittig sind und im Großen und Ganzen nicht durch ein demokratisches Mandat legitimiert sind. Statt die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, mit auf diesen Zug aufzuspringen, setzt das B-Corp-Projekt seinen Willen durch lächelnde Verkäufer durch.

Wir sollten diesen Monat, wenn man uns zum Namensschilder mit Pronomen als Beilage zum Tierfutter reicht, „Nein” sagen. Die Vorstandsvorsitzenden des Kapitalismus mögen den Wohlfühlfaktor schätzen, der mit der B-Corp-Zertifizierung einhergeht. Arbeitnehmer und Kunden sollten aber nicht gezwungen werden, die politischen Ansichten der Chefetagen zu schlucken.

Dieser Beitrag ist zuerst beim britischen Magazin Spiked erschienen und danach bei Novo.

 

Mehr von Joanna Williams lesen sie in den Büchern „Die sortierte Gesellschaft: Zur Kritik der Identitätspolitik“ und „Schwarzes Leben, Weiße Privilegien: Zur Kritik an Black Lives Matter“. Joanna Williams ist Kolumnistin beim britischen Magazin spiked und Autorin von „How Woke Won”.

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Christine Holzner / 23.03.2024

Und der genervte Konsument fragt sich mal wieder: Was gibt es denn an dieser Zertifizierung zu verdienen? So viel wie an anderen (ähnlicher Unfug)? Umsonst wird dieser B-Trupp ja wohl nicht tätig werden, oder? Ansonsten: Derartige Gütesiegel und ähnliche Anschläge (“Wir sind gegen rechts”) auf meine Konsumlaune (die seit 2G eigentlich eh nicht mehr existiert) führen nur noch zu einem: Ich spare mir den Einkauf in dem betreffenden Laden - und zwar auf Dauer.

sybille eden / 23.03.2024

B Corp Firmen einfach ignorieren und die Milch bei Müller kaufen !

Ulrich Viebahn / 23.03.2024

Bei jedem gesunden Mitmenschen sollte der ‘B Corp’ Aufkleber einen strikten Nichtkaufreflex auslösen.

Heidi Falkenberg / 23.03.2024

Wo immer ich woken Unsinn im Schaufenster wahrnehme, gehe ich vorbei. Wo immer ich mit nervigen Anzeigen zu wohlfeilem politischen Verhalten beim Einkaufen genötigt werde, schalte ich weg! Ich mache da nicht mit! Es gibt immer Alternativen! Gelernte DDR-Bürger können auch mit “unbequem”!

L. Luhmann / 23.03.2024

Mōge der Mahlstrom diese Kranken mit sich in die ungnädigste aller Tiefen ziehen.

B. Ollo / 23.03.2024

Als Bullshit-Zertifikate-Anbieter gehört man ja auch zur Creme-de-la-Creme des Kapitalismus und Salon-Kommunismus. Aus warmer Sch… Geld machen, die Königsdisziplin beim Atemluft-Verkauf. Warum auch beim Sand in die Wüste verkaufen die Hände schmutzig machen? Da muss man ja Sand liefern.  Noch dreister, als vor die einzige Tankstelle mitten in der Wüste einen defekten und leeren Getränkeautomaten zu stellen, einen Groschen günstiger, “Eigentümer unbekannt”, um bei der Kundschaft doppelt zu kassieren. Das sind natürlich ganz feine Kapitalismuskritiker, die sich mit ihrer Kritik einen Arsch voll Geld verdienen. So macht Geld verdienen auch dem wirklich überzeugten Kapitalisten so richtig Spaß. Und seine Vollidioten von Kunden macht man auch noch mit einer Tüte Nichts glücklich. Einfach ein tolles Erfolgsmodell!

Peter Thomas / 23.03.2024

Dave Eggers hat das schon vor Jahren in seinem Roman “The Circle” beschrieben. Es ist das uralte kommunistische Lied in einem neuen Arrangement. Für das ultimativ Gute sind ultimative Opfer notwendig: Freiheit, Gerechtigkeit, Vernunft, Menschlichkeit, Mitleid. Kann alles weg. Hauptsache Baal-Peor wird nicht erzürnt. Wo zur Hacke nochmal ist eigentlich das Ozonloch geblieben?

Roland Völlmer / 23.03.2024

Warum hatte ich nicht die Idee und die Durchsetzungskraft das aufzubauen? Gekonnt hätte ich es sicherlich, denn viel muss man da nicht können. Im Bullshit Bingo war ich immer sehr gut. Viel mehr ist es ja nicht. Aber vielleicht können die meine Kinder zertifizieren. Dann hängen wir uns so was in die Küche und kleben es auf unser SUV ganz groß!

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