Das Europa-Klimaziel 2040: Ohne Technik und Verstand

Die EU-Kommission fordert in ihrer Empfehlung des Klimaziels für 2040 die Verringerung des CO2-Ausstoßes um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990. Technisch steht alles auf tönernen Füßen. Und der eigentliche Gesetzesvorschlag könnte noch radikaler ausfallen.

Am 6. Februar veröffentlichte die EU-Kommission ihre Empfehlung des Klimaziels für 2040. Demnach sollen die Nettotreibhausgas-Emissionen um mindestens 90 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 reduziert werden. Das sei zu wenig, monierten Kritiker wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sofort. Das EU-Klimaziel 2040 sei mehr Schein als Sein, da darin kein klares Ende für fossile Energieträger definiert werde. Das Festhalten an Öl und Gas über 2040 hinaus wäre, so der BUND, ein historischer Fehler. Überhaupt sei eine CO2-Minderung um 95 Prozent nötig statt nur um mindestens 90 Prozent, und außerdem sei ein Klima-Zwischenziel für 2035 unverzichtbar.

Die Aufregung der regierungsnahen NGO ist jedoch schon insofern überflüssig, als die Empfehlung der EU-Kommission vor allem ein taktischer Schachzug ist: Sie enthält keinerlei rechtsverbindliche Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten und die Industrie, sondern bereitet lediglich den Gesetzesvorschlag vor, der erst nach den Europawahlen im Juni vorgestellt werden wird. In Angesicht etwa der europaweiten Proteste der Landwirte wagt es die EU-Kommission schlichtweg nicht, während des Wahlkampfs härtere Maßnahmen vorzuschlagen. Am Ziel der Klimaneutralität des europäischen Kontinents bis 2050 hält sie jedoch unbeirrt fest.

Dabei steht der sogenannte europäische Green Deal aus dem Jahr 2019, in dem die angestrebte Klimaneutralität vereinbart worden ist, auf denkbar wackeligen wissenschaftlichen Füßen: Die dem Green Deal zugrundeliegende Annahme, dass sich die Erde allein auf Grund des anthropogenen Treibhauseffektes erwärme, ist keineswegs bewiesen. Dennoch wird die EU-Politik größtenteils durch den Green Deal bestimmt, der seinerseits auf die sogenannten Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 ausgerichtet ist, die von den Vereinten Nationen 2015 verabschiedet wurde. Nicht mehr die Anforderungen der Realität, sondern die Planerfüllung bestimmt also die EU-Politik. Und da fügt sich auch das Klimaziel 2040 ein. Unter anderem setzt die EU-Kommission auf negative Emissionen, also auf CO2-Entfernung aus der Luft, und auf Wasserstoffherstellung durch Elektrolyse. Die dafür erforderlichen Technologien werden jedoch ziemlich kostspielig werden, da im Zeitraum von 2031 bis 2050 jährlich etwa 660 Milliarden Euro für entsprechende Investitionen benötigt werden, was 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU entspricht.

Für Maroš Šefčovič, Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Grünen Deal, kein Grund zur Sorge. Er zeigt sich überzeugt von der „strategischen Entscheidung, in eine nachhaltige und weltweit wettbewerbsfähige Wirtschaft zu investieren, in deren Mittelpunkt eine flexible, saubere Industrie steht“. Und fügte hinzu:

„Heute unternehmen wir den nächsten Schritt in genau diese Richtung, mit dem übergeordneten Ziel, für dauerhaften Wohlstand, stabile Arbeitsplätze und eine größere wirtschaftliche Sicherheit in der EU zu sorgen. Wir betrachten die Führungsrolle der Industrie und den gerechten Übergang als zwei Seiten einer Medaille. Als starker globaler Akteur auf dem Gebiet der Netto-Null-Technologien hält die EU auch weiterhin an Fairness und Solidarität als wesentlichen Elementen des europäischen Grünen Deals fest.“

Die EU als Vorreiter

Faktisch bedeutet das jedoch, dass weiterhin etwa auf die Dekarbonisierung des Gebäude- und des Verkehrssektors gesetzt wird. Wörtlich heißt es von der EU-Kommission:

„Die Festlegung eines Klimaziels für 2040 wird es der Industrie, Investoren, Bürgerinnen und Bürgern sowie Regierungen in Europa erleichtern, in den kommenden Jahren Entscheidungen zu treffen und auf die angestrebte Klimaneutralität bis 2050 Kurs zu halten. Damit werden wichtige Signale gesendet, wie längerfristig wirksam investiert und geplant und auf diese Weise das Risiko, Vermögenswerte zu verlieren, möglichst gering gehalten werden kann. Eine solche Vorausplanung ermöglicht eine prosperierende, wettbewerbsfähige und gerechte Gesellschaft sowie die Dekarbonisierung der Industrie und der Energiesysteme der EU und stellt sicher, dass Europa ein bevorzugtes Investitionsziel mit stabilen, zukunftssicheren Arbeitsplätzen ist.“

Das Risiko, Vermögenswerte zu verlieren, soll also möglichst gering gehalten werden, und damit es durch den „gerechten Übergang“ nicht zu einer Massenverarmung kommt, sind bereits der Klima-Sozialfonds und der Fonds für einen gerechten Übergang eingerichtet worden. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen, oder?

Außerdem soll die Resilienz Europas gegenüber künftigen Krisen erhöht und die Unabhängigkeit der EU von der Einfuhr fossiler Brennstoffe gestärkt werden. Laut EU-Kommission werde der in Europa entstandene klimabedingte wirtschaftliche Schaden der vergangenen fünf Jahre auf 170 Milliarden Euro geschätzt. Geschätzt. Und auf dieser Schätzung basiert die gesamte Wirtschaftspolitik der EU? Doch es geht noch weiter: Eine stärkere Erderwärmung „infolge von Untätigkeit“ würde selbst bei konservativen Annahmen zu einem Rückgang des BIP der EU bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa 7 Prozent führen.

Neben der Empfehlung des EU-Klimaziels für 2040 veröffentlichte die Kommission daher eine Strategie für das industrielle CO2-Management, in der es unter anderem um Lieferketten und die Infrastruktur von Transportwegen geht. Auch das EU-Emissionshandelssystem (ETS) soll eine wichtige Rolle spielen, durch das eine Bepreisung von Treibhausgasemissionen festgelegt wird und Unternehmen motiviert werden sollen, ihre Emissionen zu verringern sowie in klimafreundliche Technologien zu investieren (wir berichteten hier und hier). Die EU spiele beim internationalen Klimaschutz eine Vorreiterrolle und müsse diesen Kurs beibehalten, um der europäischen Industrie erfolgversprechende Möglichkeiten auf neuen globalen Märkten für saubere Technologien zu eröffnen, so die Kommission. Das Ergebnis der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai Ende letzten Jahres zeige allerdings, dass sich die restliche Welt in die gleiche Richtung bewege.

Nun sei es wichtig, dass erst einmal alle bestehenden Rechtsvorschriften umgesetzt würden, die im Legislativpaket „Fit für 55“ enthalten sind, um die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Sobald die folgende Kommission nach den Europawahlen dann das Klimaziel für 2040 angenommen hat, wird dieses Ziel übrigens die neue Grundlage für den Beitrag der EU zum 2015 beschlossenen Klimaabkommen von Paris bilden, der dem Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention 2025 mitgeteilt werden muss. Dieses Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, kurz: UNFCCC)  besagt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur in diesem Jahrhundert möglichst auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau gehalten werden muss. Mit vorindustriell ist allerdings nur der Mittelwert der Jahre 1850 bis 1900 gemeint. Frühere Warmphasen werden vollständig ignoriert. Das UNFCCC-Sekretariat, das 1992 eingerichtet wurde, hat seinen Sitz übrigens seit 1996 in Bonn und beschäftigt rund 450 Mitarbeiter.

Bürgerwohl oder Glaubenscredo?

Aus dem Grünen Deal, so fordert die Kommission weiter, müsse nun ein Deal für die Dekarbonisierung der Industrie hervorgehen, der auf den bisherigen industriellen Errungenschaften wie Windkraft, Wasserkraft und Elektrolyseuren aufbaut und die heimischen Produktionskapazitäten in Sektoren wie Batterien, Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen, Fotovoltaik, Biogas und Biomethan sowie die Kreislaufwirtschaft weiter stärkt. Die derzeitige Aktualisierung der Entwürfe der nationalen Energie- und Klimapläne sei ein „Schlüsselelement bei der Überwachung der Fortschritte“, und die Kommission trete in einen „offenen Dialog mit allen Interessenträgern“, etwa aus Industrie und Landwirtschaft.

So könne „mit den richtigen Strategien und der richtigen Unterstützung“ der Agrarsektor gleichzeitig für eine ausreichende Lebensmittelerzeugung in Europa sorgen und die Fähigkeit von Böden und Wäldern verbessern, mehr CO2 zu speichern. Was in der Realität auf die Stilllegung von Ackerflächen hinausläuft, aber von der Kommission so nicht benannt wird. Den Prognosen zufolge soll der Energiesektor kurz nach 2040 vollständig dekarbonisiert sein. Die Industrieallianz für kleine modulare Reaktoren, die ebenfalls zusammen mit dem Klimaziel für 2040 ins Leben gerufen worden ist, sei nun die jüngste Initiative zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Nicht zuletzt schwebt der jetzigen EU-Kommission vor, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit Stimmung für den Green Deal zu machen und dadurch der nächsten Kommission die Vorlage von Legislativ-Vorschlägen zu erleichtern.

Und die EU-Kommission verspricht:

„Die Festlegung eines Klimaziels für 2040 wird nicht nur klare wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen, da die Risiken, dass es zu Extremwetterereignissen und damit verbundenen Verlusten kommt, gesenkt werden, sondern sie wird auch verschiedene nützliche Nebeneffekte haben, darunter eine verbesserte Luftqualität und dadurch bedingte positive gesundheitliche Auswirkungen, eine geringere Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen und Vorteile für die biologische Vielfalt. Der Klimawandel verursacht immer häufiger immer schwerere Extremwetterereignisse, die immer gravierendere soziale Auswirkungen und wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen. Diese wirtschaftlichen Verluste übersteigen bei Weitem die Kosten des Klimaschutzes.“

Denn der Klimawandel habe sich im Jahr 2023 stärker beschleunigt als je zuvor, was zu einer Erderwärmung von 1,48 °C über dem vorindustriellen Niveau und zu Meerestemperaturen und einer Eisschmelze im Antarktischen Ozean, die weit über allen bisher gemessenen Werten liegen, geführt habe. In Europa habe sich die Lufttemperatur sogar noch stärker erhöht, mit einem Fünfjahresdurchschnitt, der zuletzt bei 2,2 °C über dem vorindustriellen Niveau gelegen habe. Waldbrände, Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen würden voraussichtlich allesamt zunehmen. Die Verringerung der Emissionen und die Verstärkung der Anpassungsmaßnahmen seien die einzige Möglichkeit, die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern und Leben, Gesundheit, Wirtschaft und Ökosysteme zu schützen.

Sprechen so verantwortungsvolle Politiker, die sich an der Wirklichkeit und am Wohl der Bürger orientieren, oder klingt das alles nicht eher nach dem Credo einer Glaubensgemeinschaft oder von Gralshütern?

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Ludwig Ziegler / 09.02.2024

Klimawandel gibt es seit die Erde existiert und das ganz ohne Menschen. Dieser folgt kosmischen Gesetzmäßigkeiten und hat meiner Meinung nach mit CO2 null komma null zu tun. Der so genannte Green Deal ist in erster Linie eine Gelddruckmaschine für daran Beteiligte und führt zudem zur Dämpfung bzw. Zerstörung der deutschen /europäischen Wirtschaft zu Gunsten USA, China, Russland, ja jedem Land, das diesen hirnverbrannten Irrsinn nicht mitmacht. Der Michel ist leider besonders verbrannt und macht den Wahnsinn immer noch zu großen Teilen mit. LEIDER muss es erst noch viiiel schlimmer kommen, bis die Mehrheit in unserem Lande begreift, welch übles “Spiel” getrieben wird.

S. Wietzke / 09.02.2024

Finde ich gut. Es wird die EU final erledigen.

WF Beck / 09.02.2024

Nichts ist wissenschaftlich bewiesen, daß das böse CO2, allein für die Erderwärmung verantwortlich ist. Diese CO2 HYSTERIE, ist das übelste Abkassierungsmittel gegen die Bürger. Für alle die in Physik geschlafen oder diese in der Schule abgewählt haben, hier meine Aussage. Die Sonne macht unser Wetter und somit auch das Klima. Mit diesen Klimazielen werden die Menschen so richtig abgezockt und sollen in eine gut lenkbare oekofaschistische Gesellschaft über führt werden. Einige wenige profitieren. Die große Masse verarmt. Das eigentlich Problem der Umweltzerstörung, die überbordende Reproduktionsrate der Menschheit, spricht kein Politikkasper an.

a.ziegler / 09.02.2024

Die Welt sollte froh sei, dass die Industrialisierung die fossilen Brennstoffe „entdeckt“ und freigesetzt hat und dies weiterhin geschehen wird. Die Erhöhung des CO2 Gehaltes der Atmosphäre hat den Planeten ergrünen lassen. Bei 150 ppm CO2 stirbt praktisch alles Leben. Ende 19.Jhd. waren es 280 ppm, jetzt 430 ppm ( 0,043 Prozent). In der anderen Richtung also minus 150 ppm wären wir jetzt tot. Wir bewegen uns Gottseidank in die richtige Richtung. Die Pflanzen weltweit würden Protestmärsche für mehr CO2 veranstalte. Da sie das nicht können, tun sie etwas viel besseres, sie danken uns die Superdüngung durch CO2 mit Wachstum und Rekordernten.

Thorsten Lehr / 09.02.2024

Jedem klar denkenden Bürger bleibt nur übrig, die sich abzeichnende EU-Diktatur mit allen Mitteln und Möglichkeiten auf allen Ebenen zu bekämpfen. Es ist erstaunlich, wie sehr die eigentlich gute Idee einer europäischen Gemeinschaft von einer Clique unfähiger Apparatschiks pervertiert wurde. Jedem europäisch denkenden Menschen muss die real existierende EU abartig vorkommt.

Heiko Stadler / 09.02.2024

Ja, die größte Bedrohung der Menschheit ist der menschengemachte Klimawahn. Er lässt sich bekämpfen, indem wir in diesem Jahr alle zur Wahl gehen und das Kreuz an der richtigen Stelle setzen.

Dr. Joachim Lucas / 09.02.2024

Diese völlig irrsinnigen Klimaziele entspringen einer rein pseudoreligiösen Denkverirrung und kollektiven Psychose. Keiner innerhalb der Politkaste wagt den Mund aufzumachen angesichts des immensen Gruppendrucks. Die gebetsmühlenartige und permanente Anrufung des neuen Gott “Klima” hat einen Großteil der Gesellschaft restlos hirnerweicht. Die Reduzierung von CO2 in dem Ausmaß führt zwangsläufig zu Zuständen wie im Mittelalter: minimale Mobilität, irrsinnige und sinnlose Grenzkosten, kaum noch Wertschöpfung und Steuern - mit einem Wort: reine Subsistenzwirtschaft. Es wäre schlicht der Zusammenbruch der westlich zivilisatorischen, technischen und ökonomischen Welt, in der hier die Insassen dieses EU-Irrenhauses leben müssten. Und das für nichts, einer reinen Wahnidee. Keine Ahnung wie lange die den Kampf gegen die Realität noch durchhalten. Vermutlich bis alles kaputt ist.

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