Der neue EU-Emissionshandel (ETS II) betrifft nicht nur Unternehmen, sondern alle Bürger. Ihnen werden zur Erreichung der Klimaziele kostenintensive Energieeffizienzmaßnahmen wie Hausisolierung, Wärmepumpen, Solarzellen und Elektromobilität vorgeschrieben.
Am 19. Dezember dieses Jahres veröffentlichte das Europäische Parlament eine Pressemitteilung mit dem Titel „Klimaschutz: Einigung über ehrgeizigeren EU-Emissionshandel (ETS)“. Die entsprechende etwa einstündige Pressekonferenz wurde aufgezeichnet und kann hier in voller Länge angeschaut werden. In der Mitteilung heißt es zur Erklärung der Ausgangssituation:
„Das EU-Emissionshandelssystem (ETS) ist das Herzstück der europäischen Klimapolitik und der Schlüssel für die Klimaneutralität der EU. Es setzt einen Preis für Treibhausgasemissionen fest und führt so zu deutlich niedrigeren EU-Emissionen. Die Industrie erhält einen Anreiz, ihre Emissionen zu verringern und in klimafreundliche Technologien zu investieren.“
Nun einigten sich Parlament und Rat jedoch auf eine Reform des ETS, das 2005 in Kraft getreten ist, und erhöhten ihre Ambitionen: Die Emissionen in den ETS-Sektoren sollen bis 2030 um 62 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden. Das sei ein Prozentpunkt mehr als von der Kommission vorgeschlagen. Deswegen sollen ab 2026 die kostenlosen Emissionszertifikate für Unternehmen auslaufen und ab 2034 vollständig abgeschafft werden. Laut Umweltbundesamt werden im ETS die Emissionen von europaweit rund 10.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie erfasst, die zusammen rund 36 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Europa verursachen.
Hausbesitzern drohen hohe Kosten
Seit 2012 ist auch der innereuropäische Luftverkehr in den EU-ETS einbezogen. Das System funktioniert nach dem Prinzip „Cap & Trade“: Eine Obergrenze (Cap) legt fest, wie viele Treibhausgas-Emissionen von den erfassten Anlagen insgesamt ausgestoßen werden dürfen. Die Mitgliedstaaten geben eine entsprechende Menge an – teils kostenlosen, teil versteigerten – Emissionsberechtigungen (Zertifikaten) aus, wobei von den Unternehmen für jede Tonne emittiertes CO2 ein gültiges Zertifikat vorgelegt werden muss. Die Zertifikate können auf dem Markt frei gehandelt werden (Trade), wodurch sich ein Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen bildet und Anreize geschaffen werden, Treibhausgas-Emissionen zu verringern.
Schon am 13. Dezember wurde im EU-Parlament ein vorläufiges Abkommen geschlossen, das die Verlagerung von CO2-Emissionen ins Nicht-EU-Ausland verhindern soll, um Wettbewerbsnachteile für die EU-Industrie auszugleichen. Außerdem soll 2027 nun zusätzlich ein zweiter neuer Emissionshandel (ETS II) für CO2-Emissionen im Straßenverkehr und von Gebäuden eingeführt werden. In der Pressemitteilung heißt es dazu: „Sollten Energiepreise außergewöhnlich hoch sein, kann das ETS II bis 2028 verschoben werden, um die Bürger*innen vor zu hohen Kosten zu schützen.“
Mit anderen Worten: Spätestens ab 2028 werden sich die nun getroffenen Beschlüsse in Bezug auf Kraftstoffe, die im Straßenverkehr oder zum Heizen genutzt werden, für die Verbraucher massiv bemerkbar machen. Ob der ebenfalls geplante „Klimasozialfonds“, der bei Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen wie Hausisolierung, Wärmepumpen, Solarzellen und Elektromobilität unterstützen soll, ausreichen wird, um Bürger und Kleinunternehmer zu schützen, steht in den Sternen. Und was ist dann mit denjenigen, die sich beispielsweise die teuren Umrüstungen ihres Wohnhauses nicht leisten können? Müssen sie ihr Haus verkaufen?
Keine Absichten oder Ambitionen, sondern Verpflichtungen
Der „grüne Übergang“ (im englischen Original: „green transition“) soll u.a. durch die Aufstockung des Innovationsfunds, einem der weltweit größten Finanzierungsprogramme für CO2-arme Technologien, von derzeit 450 auf 575 Millionen Zertifikate finanziert werden. Und zum Hintergrund der ETS-Reform wird angegeben: „Das Emissionshandelssystem ist Teil des Pakets „Fit for 55 in 2030“, mit dem die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 im Einklang mit dem europäischen Klimagesetz um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken will.“ Das „Fit for 55-Paket“ wurde im Juli 2021 geschnürt und dient der schnelleren Umsetzung des europäischen Green Deals.
Laut EU-Kommission seien wir die letzte Generation, die noch rechtzeitig gegen den Klimawandel vorgehen könne, weswegen ein transformativer Wandel unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Industrie herbeigeführt werden müsse. Dabei handele es sich nicht mehr um bloße Absichten oder Ambitionen, sondern um Verpflichtungen aufgrund des ersten Europäischen Klimagesetzes. Mit dem „Fit für 55“-Paket werde außerdem die weltweite Führungsrolle der EU als Akteur und Vorbild bei der Bekämpfung des Klimawandels gestärkt.
Verarmung der EU-Bürger wird in Kauf genommen
Wenn es um alles geht und vor allem auch um die Vorbildfunktion der EU, ist natürlich jedes Mittel recht. Ob die EU-Bürger bei der Transformation verarmen, weil sie die Kosten der Green Deal-konformen Gebäudesanierungen oder der Verkehrswende nicht tragen können, darf dann konsequenterweise ebenso keine Rolle spielen. Zum EU-Klimagesetz wird in einer Pressemitteilung des EU-Parlaments vom 24. Juni 2021 vermerkt: „Das Parlament hat das Klimagesetz, das im April informell mit den Mitgliedstaaten vereinbart wurde, mit 442 Stimmen zu 203 und 51 Enthaltungen gebilligt. Es macht aus dem politischen Versprechen der EU – dem europäischen Grünen Deal –, bis 2050 klimaneutral zu werden, eine verbindliche Verpflichtung und bietet Bürgern und Unternehmen die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit, um für den anstehenden Wandel gerüstet zu sein. Nach 2050 soll die EU negative Emissionen erreichen.“ Und: „Die Kommission wird spätestens sechs Monate nach der ersten weltweiten Bestandsaufnahme im Jahr 2023, gemäß dem Übereinkommen von Paris, einen Vorschlag für ein unionsweites Klimaziel für 2040 vorlegen.
In Übereinstimmung mit dem Vorschlag des Parlaments wird die Kommission die Höchstmenge an Treibhausgasemissionen veröffentlichen, die die EU schätzungsweise bis 2050 ausstoßen kann, ohne dadurch die Verpflichtungen der Union gemäß dem Übereinkommen von Paris zu gefährden. Dieses sogenannte „Treibhausgasbudget“ wird eines der Kriterien zur Festlegung des überarbeiteten EU-Ziels für 2040 sein.“ Schon im November 2019 hatte das Europäische Parlament den Klimanotstand ausgerufen und die Kommission dazu aufgefordert, dafür zu sorgen, dass alle relevanten Gesetzes- und Haushaltsvorschläge vollständig mit dem Ziel übereinstimmen, die Erderwärmung auf unter 1,5°C zu begrenzen.
Vor diesem Zukunftsszenario erscheinen zunächst belanglose Meldungen aus aller Welt nicht mehr gar so harmlos: Beispielsweise bietet Mastercard einen CO2-Rechner an, mit dem der eigene CO2-Fußabdruck nachverfolgt und so reduziert werden kann. Der CO2-Rechner zeigt, wie viel CO2 bei einzelnen Einkäufen ungefähr verbraucht werden, woraus dann der CO2-Fußabdruck monatlich berechnet wird. Noch ist die Nutzung einer derartigen Karte freiwillig, aber wäre es nicht sehr praktisch, wenn alle Konsumenten mittels solcher Karten zur Klimaneutralität erzogen werden könnten?
Alles dreht sich nur noch um die Klimaziele
Und was hat es mit dem „Oxford Local Plan 2040“ von September 2022 auf sich, in dem großen Wert auf das Konzept der 15-Minuten-Stadt gelegt wird? Zwar klingt das Konzept, dass alle Dinge des täglichen Bedarfs innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sein sollen, zunächst sympathisch, doch für Verkehrsteilnehmer, die weiterhin ihr Auto nutzen wollen, könnten die geplanten „Verkehrsfilter“ teuer werden.
Einer Mitteilung der Stadt Oxford vom 7. Dezember ist zu entnehmen, dass ab 2024 versuchsweise Verkehrskameras installiert werden sollen, die Nummernschilder lesen können. Wenn nun ein Fahrzeug den Filter zu bestimmten Tageszeiten passiert, liest die Kamera das Nummernschild aus, und es wird – sofern keine Ausnahmegenehmigung vorliegt – ein Bußgeldbescheid per Post zugestellt. Einwohner von Oxford und einiger umliegender Dörfer können eine Genehmigung beantragen, um an bis zu 100 Tagen im Jahr durch die Filter zu fahren; Einwohner der übrigen Regionen von Oxfordshire können dies für bis zu 25 Tagen im Jahr tun. Gut, dass die Menschen schon während der Corona-Lockdowns geübt haben, möglichst wenig unterwegs zu sein.
Auch in Berlin soll das Mobilitätsgesetz laut Tagesspiegel vom 20. Dezember dahingehend novelliert werden, dass „weniger Parkraum für Kraftfahrzeuge“ als auch „weniger Flächen für den fließenden Verkehr“ zur Verfügung gestellt und die Menge an Pkws durch eine „Zuflussdosierung“ gesteuert werden sollen. Wo man auch hinschaut: Auf UN-, EU-, Länder- und Regionalebene dreht sich alles nur noch um die in der Agenda 2030 und im Green Deal formulierten Klimaziele. Die entscheidende Frage, ob die messbaren Daten zum Klimawandel die allumfassende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zur Erreichung dieser als absolut gesetzten Ziele tatsächlich rechtfertigen, wird jedoch ausgeblendet.