Cora Stephan / 17.03.2021 / 11:00 / Foto: Koen Suyk/Anefo / 58 / Seite ausdrucken

Cora Stephan: 50 Jahre dressierter Mann

Wer ist unterdrückt und müsste dringend befreit werden? Der dressierte Mann. Und das könnte er eigentlich seit 50 Jahren wissen.

Wenn man sich antut, was radikalfeministische Mädels neuerdings so alles in die Welt blasen, fragt man sich, warum Männer noch immer nicht begreifen wollen, dass die kleine Frau auch eine reißende Hyäne sein kann. Sie seien alt, weiß, toxisch, Abfall und gehören auf den Müllhaufen, heißt es da heiter. Frauen hingegen sind unterdrückt, egal, ob ihnen untertänigst der rote Teppich ausgerollt wird, damit sie endlich dahin gelangen, wohin sie angeblich streben: in den Bundestag oder irgendeinen Vorstand. 

Der Witz ist nur: Sie wollen nicht. Sie überlassen das großzügig den Männern, ebenso die Müllabfuhr und den Straßenbau. Das ist natürlich nichts als vernünftig – es gibt bestimmt Schöneres als Vorstandssitzungen oder Kungelpartien im Hinterzimmer, ganz zu schweigen von körperlich anstrengenden Tätigkeiten, womöglich im Sommer auch noch mit nacktem Oberkörper. Von so viel Vernunft wollen die schrillsten unter den Radikalfeministen allerdings nichts wissen, den Opferbonus lässt man sich ungern nehmen. Frauen entscheiden selbst? Ach was! Sie sind unterdrückt! 

Jede selbstbewusste Frau müsste das als Beleidigung empfinden.

Doch das Lied von der unterdrückten Frau wird weitergesungen, ohne männlichen Widerspruch. Vielleicht, weil es Männern eine Macht unterstellt, die sie längst nicht mehr haben? Sie sind doch bereits seit 50 Jahren aufgeklärt – seit Esther Vilar ihr Buch vom „dressierten Mann“ veröffentlicht hat. Der 1971 erschienene schmale Band verkaufte sich millionenfach und wurde in mindestens zwei Dutzend Sprachen übersetzt. Bei solchen Auflagen können wir davon ausgehen, dass auch Frauen das Buch gelesen und ihm lachend zugestimmt haben .(50 Jahre später erscheint jetzt Vilars von „Weltwoche“-Journalisten Alex Baur verfasste Biografie.)

Esther Vilar wollte „diesen Unsinn“ nicht mehr hören

Doch irgendwann ist Esther Vilar aus der deutschen Öffentlichkeit verschwunden. Der erste Fall von Cancel Culture in Deutschland? Den Absichten von Alice Schwarzer wäre das sicher entgegen gekommen. In einer legendären Diskussion aus dem Jahr 1975, einer unmoderierten Fernsehsendung, führte Schwarzer der lächelnden Vilar die Werkzeuge vor. Schwarzer von Minute eins in Angriffsstellung, fühlt sich diskriminiert, denkt laut über strafrechtliche Verfolgung nach, und diskriminiert fröhlich zurück. „Haarsträubenden Unsinn“ habe Vilar geschrieben, voller Konfusion und Frauenverachtung, vielleicht sei ja sogar ihr Mann der Autor. Mit überlegenem Gesichtsausdruck und im Verhörton wird Vilar belehrt, bis ihr endlich die Anklageschrift ausgehändigt wird: Man müsse ihr den Prozess machen, sie sei eine Sexistin, ja, eine Faschistin. 

Mit den Kerlen konnte Alice Schwarzer, sie bereicherte ergebene Männer in lustigen Raterunden, mit anderen Frauen jedoch nur dann, wenn die keine Konkurrenz darstellten, denn dann kollaborierten sie mit dem Feind, und wenn sie sich allzu hübsch gaben, betrieben sie „Selbstvernuttung“. „Frau sein allein reicht nicht“, postulierte die Vorkämpferin des Feminismus, sie mussten schon ihre Überzeugungen teilen: Die These von der Unterdrückung der Frauen, nicht nur durch die Männer („potentielle Vergewaltiger“), sondern durch das System. Der private Frust mancher Frau wurde so als gesellschaftliches Problem geadelt, wogegen Widerstand gerechtfertigt war. 

Esther Vilar wollte „diesen Unsinn“ nicht mehr hören und antwortete auf die feministische Erkenntnis von der unterdrückten Frau mit boshaftem Spott. Das sei doch eine Männeridee, weil es den Männern vorerzähle, wie mächtig sie seien - als ob sie nicht alle von ihren Müttern erzogen worden wären, und zwar dazu, den Frauen zu dienen. Durch lebenslange Arbeit, bezahlt durch früheren Tod. 

Ich habe den „Dressierten Mann“ erst spät gelesen und das Buch als eine höchst vergnügliche und überaus treffende Tirade wahrgenommen – verfasst in knappen Sätzen und in halsbrecherischem Tempo. Offenbar stimmten keineswegs nur Männer ihren Thesen zu: Frauen schicken sie für harte und anspruchsvolle Arbeit vor, tun so, als ob sie Dummchen wären, damit der Mann sich überlegen fühlt, und erpressen ihn mit Sex und Nachwuchs. Wahre Emanzipation sei die Befreiung des Mannes aus seiner von den Müttern anerzogenen Sklavenhaltung. 

Sich selbst in die Freiheit entlassen. 

Das war nun das glatte Gegenteil all dessen, was der damals neu erblühte Feminismus verkündete. Reaktionär? Im Gegenteil. Vilar forderte die Frauen auf, sich der Welt und der Verantwortung zu stellen, sich selbst in die Freiheit zu entlassen. 

Eine soeben erschienene Biografie, geschrieben von Alex Baur, einem bekannten Schweizer Autor, zeichnet die Geschichte des Buchs und die seiner Autorin nach. Eine Außenseiterin war sie wohl immer schon: In Argentinien geboren und aufgewachsen, Tochter einer deutschen Mutter und eines Stehgeigers mit jüdischen Vorfahren, der bereits 1931 aus Deutschland emigrierte. Heimweh trieb die Mutter mit dem Kind 1939 zurück nach Deutschland, das sie wegen des Krieges nicht mehr verlassen konnten. Erst nach Kriegsende ziehen sie wieder zurück nach Argentinien, doch der Ehemann hatte mittlerweile eine andere. 

Esther galt als hochbegabtes Kind, machte mit 16 ihr Abitur und beendete mit 22 ihr Medizinstudium mit dem Doktortitel. Zurück in Deutschland heiratete sie, der Mann kümmerte sich um den gemeinsamen Sohn, sie sorgte als Pharmavertreterin für den Lebensunterhalt, bis der Erfolg das unnötig macht. In zwei Monaten schrieb sie ihre Thesen auf, im Alter von 35 Jahren. Das Manuskript fand erst keinen Verlag, mit dem enormen Echo auf Vilars Thesen war nicht zu rechnen. Erst ein Auftritt im Fernsehen am 31. Oktober 1971 bei „Wünsch dir was“ setzte den Zug in Bewegung. Siehe hier und hier.

Der Hype um sie dauerte sechs Jahre an. Doch auch die feministische Gegenseite formierte sich, und als die Angriffe gewalttätig wurden und die Morddrohungen zunahmen, zog sich die im Grunde schüchterne Frau aus der deutschen Öffentlichkeit in die Schweiz zurück. Sie habe keine Lust, sich „als Zielscheibe hinzustellen“. „Ich bin keine Heldin, die Gegenseite ist in Überzahl.“

Die auf den dressierten Mann folgenden Bücher kamen an den ersten Erfolg nicht heran, dafür schrieb sie erfolgreiche Theaterstücke, darunter „Die Päpstin“. Heute lebt Vilar, mittlerweile 85, in Zürich und in London. 

Ist das lustig – oder nicht im Grunde todtraurig, dass ihr Buch nach 50 Jahren noch so aktuell wie damals erscheint? Wie ist das möglich, dass auch heute noch gejammert wird, da frau alles darf – wenn sie nur will? Dass man sogar die deutsche Sprache verbiegen soll, weil frau sich sonst nicht gemeint fühlt? Wer Frauen klein macht, ist nicht „der“ Mann. Es sind diejenigen, die aus der Opfererzählung ihre Ansprüche herleiten. Es geht um ihre Macht, nicht um die „der“ Frauen. 

Normale Frauen finden das alles längst lächerlich. 

 

Hören Sie morgen Esther Vilar auf Indubio:

Im Interview mit Burkhard Müller-Ullrich blickt sie auf ihre Auseinandersetzungen mit militanten Feministinnen und auf ihre späteren Erfolge am Theater („Die amerikanische Päpstin“, „Speer“) zurück. Anlass des Gesprächs ist das Erscheinen ihrer von dem „Weltwoche“-Journalisten Alex Baur verfassten Biografie:

„Unerhört – Esther Vilar und der dressierte Mann“ von Alex Baur, Zürich: Salis Verlag, 2021, hier bestellbar.

Foto: Koen Suyk/Anefo CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Stephan Bender / 17.03.2021

“Es gibt für intellektuelle Männer zwei Möglichkeiten: Entweder sie geben ihre Lebensangst zu, oder sie verbergen sie hinter einer Maske von Draufgängertum.” (Esther Vilar)

Gottfried Meier / 17.03.2021

Ich hab vor einiger Zeit gelesen, dass es laut einer Studie in 100000 Jahren keine Männer mehr gibt, weil sie durch die Evolution nicht mehr nötig sind. Mir scheint, dass das viel viel schneller geht.

Fritz kolb / 17.03.2021

Ganz ehrlich, Frau Stephan: mir ist so ziemlich egal, was Emanzen in die Welt blasen. In meinem Leben gab es immer Konsens von mir mit dem, was Frauen-typisch ist. Ich hatte nie eine Chefin, sondern habe die Rolle stets selber ausgefüllt. Ich schreibe wie ich schon immer schreibe, ich rede wie ich schon immer rede und mit Weicheiern, vulgo Schneeflöckchen, war mein Umgang auch immer identisch. Daß Weiber möglichst anstrengungslos an die Fleischtöpfe wollen, ist den konkurrierenden Kerlen ebenfalls ein Anliegen. Und was Weiber wegen ihrer, zumindest meistens schöneren Optik leichter fällt, das machen Kerle mit ihrem Networking wett. Wenn sie nicht gerade Harry heißen und in die Venusfalle eines amerikanischen Starlets getappt sind.

Manfred Bühring / 17.03.2021

Wenn normale Frauen das alles lächerlich finden, sollen sie sich endlich einmal zu Wort melden und nicht den hardcorelesbischen Feministinnen das Feld überlassen. Denn was diese gendergetriebene “Frauenbewegung” gesellschaftlich an Segretion und Spaltung anrichtet, ist kaum reparabel, zumindest nicht durch Männer, und dann noch weiße.

Michael Scheffler / 17.03.2021

Frau Neufert, gehts Ihnen nicht gut? In meinem Bekanntenkreis (mich eingeschlossen) kümmern sich ALLE Männer aktuell im Homeschooling mindestens geich viel um die Kinder (teilweise sogar mehr). Die meisten gehen einkaufen, helfen beim Putzen und kochen auch. Sie sollten sich vielleicht andere Bekannte suchen, nicht so aus dem Bereich derer, wo Frauen als Leibeigentum betrachtet werden. Kleiner Tipp: Ihr verengter Blick liegt vielleicht am Nikab.

Uwe Wilken / 17.03.2021

Ich kann mich erinnern: als Pennäler vor der Glotze; Publikumsbefragung. Internet gabs noch nicht, Telefonieren viel zu teuer. Lösung: Für die richtige Antwort loslaufen und überall Licht einschalten sowie Backofen, Toaster, Heizlüfter usw. Schalte (neudeutsch) zu den Stadtwerken: Wer hat den meisten Strom verheizt? Heute undenkbar? Woher kommen denn die Bitcoins?

Dieter Weiß / 17.03.2021

Hier möchte ich Aristoteles zitieren: “Was ist das aber für ein Unterschied, ob die Weiber geradezu den Staat regieren, oder ob die, welche ihn regieren, sich von den Weibern regieren lassen” Diese Probleme gibt es nun schon seit über 2000 Jahren. Da halte ich es lieber mit Liz Taylor: “Ich glaube an den Unterschied zwischen Mann und Frau. Tatsächlich liebe ich diesen Unterschied” oder auch Coco Chanel: “Eine selbstsichere Frau verwischt nicht den Unterschied zwischen Mann und Frau, sie betont ihn” Ob sich die Frauen wirklich besser fühlen, wenn sie nicht mehr als Frau sonden nur noch als “Person unbestimmten Geschlechtes” oder als “Mensch der Kinder gebären kann” wahrgenommen werden sein mal dahingestellt.  

F. Michael / 17.03.2021

Die Linke hat ein Grundsatzpapier zur Familie, die es in ihren Augen so nicht mehr geben soll, die Familie (Frau & Mann&Kind;) wird kaputt geredet, alles nur noch für gleichgeschlechtliche Verhältnisse und das soll die Gesellschaft dann noch gut finden und beklatschen. Das selbe Gedankenbild kommt aus der Grünen Partei und die SPD Frau F. Giffey will das Ehegattensplitting abschaffen, weil dadurch angeblich die Frauen unterdrückt werden, was für ein Club von Schwachsinn regiert diese Land?

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