Frankreichs Präsident François Hollande wird als Versager in die Geschichte eingehen, so viel schien den Beobachtern am Beginn des dritten Jahrs seiner Amtszeit klar zu sein. Ein Staatschef mit dem Habitus eines überforderten Dorfbürgermeisters, hat der Sozialist bis anhin keine Rezepte gegen die tiefsitzende wirtschaftliche Depression gefunden, die seinem Land zu schaffen macht. Zwar deutet derzeit nichts darauf hin, dass sich daran etwas ändern wird. Dennoch dürfte der Respekt vieler Franzosen vor dem Herrn im Elysée ein wenig gewachsen sein, seit vergangene Woche bekannt wurde, dass Hollande eine Geliebte hat, die Schauspielerin Julie Gayet.
Damit ist dem pausbackigen Politiker nämlich etwas gelungen, das ihm kaum einer zutraute: Er darf sich nun, wenigstens was sein Liebesleben betrifft, in eine Reihe mit seinen Vorgängern stellen. Ein französischer Präsident war immer mehr als nur ein Politiker, er war immer auch ein Ersatzmonarch, und als solcher durfte das Volk von ihm erwarten, dass er Mätressen hatte, so wie Ludwig XV., von dessen zahllosen Gespielinnen Madame de Pompadour nur die bekannteste war. Ein Vorbild, dem die Präsidenten der Republik nacheiferten: Hollandes Parteikollege François Mitterrand unterhielt zahlreiche Liebschaften, von denen die Franzosen zwar ahnten, doch erst nach seinem Tod mit Gewissheit erfuhren. Der Präsident war ein Geheimniskrämer: Eine uneheliche Tochter anerkannte Mitterrand erst zehn Jahre nach deren Geburt; wenn er sie besuchte, musste der Geheimdienst dafür sorgen, dass alles diskret ablief. Die Amouren seines bürgerlichen Nachfolgers Jacques Chirac wiederum brachten das Präsidialamt in eine hochnotpeinliche Situation: Am Morgen des 31. August 1997 wollten die Beamten Chirac über den Tod Dianas informieren, der englischen Prinzessin, die in einem Pariser Strassentunnel verunglückt war. Doch der Präsident blieb unauffindbar, sogar für seine engsten Mitarbeiter. Gerüchte, wonach sich Chirac in den Armen einer Geliebten befunden haben soll, wollten nie verstummen.
Sein Nachfolger im Amt, Nicolas Sarkozy, zelebrierte sowohl die Trennung von seiner zweiten Ehefrau Cécilia als auch die darauffolgende Eroberung der Chansonette Carla Bruni vor den Augen der ganzen Nation. Nur Charles de Gaulle blieb seiner Yvonne ein Leben lang treu, zumindest soviel man weiss. Doch der war ja auch ein historischer Solitär, ein Mann, für den eigene Massstäbe galten. So gesehen hat sich François Hollande seines Amtes doch noch als würdig erwiesen. «Chapeau, Monsieur le Président!», möchte man ihm zurufen.
Zuerst erschienen in der „Basler Zeitung“ hier.