Annette Heinisch / 18.10.2021 / 10:00 / Foto: C.Kramer / 62 / Seite ausdrucken

CDU-Deutschlandtag: Meine Vermisstenanzeige

Aufarbeitung ist angesagt, „schonungslose Analyse“ – der Deutschlandtag der Jungen Union (JU) soll eine Abrechnung sein. JU-Chef Tilmann Kuban kritisiert die schlechte Wahlkampagne und moniert, dass die Union aus eigener Schwäche verloren habe. Sein wohl prägnantester Satz: „Die Lage der Union kann man nicht anders als beschissen bezeichnen“. Johannes Winkler, der Chef der NRW-JU, kritisiert nicht nur Laschet, sondern auch Söder. Wer so nachtrete wie dieser, solle besser nicht über Stilfragen reden. Den schlechten Zustand der Union spricht auch er an und führt ihn auf Merkels „asymmetrische Demobilisierung“ zurück. Diese habe die CDU „systematisch destabilisiert und entkernt“.  

Das ist richtig, konnte man in der Presse seit Jahren nachlesen. Die Feststellung von Merz, dass die Union ein insolvenzgefährdeter, schwerer Sanierungsfall ist, entspricht inhaltlich der Bewertung von Kuban. Drollig waren die Absetzbewegungen des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn von Merkel. Er meinte, Formulierungen wie „alternativlos“ dürften nicht mehr vorkommen, auch Parteitagsbeschlüsse müssten umgesetzt werden. 

Da er aber genau diese Politik als Minister der Regierung Merkel mitgetragen hat und verantwortlich ist für eine Corona-Politik, die selbst Anhänger als nicht gelungen bezeichnen, dürfte Spahn nicht derjenige sein, dem die Wähler Vertrauen entgegenbringen. Laschet und Brinkhaus hingegen wollen das Wahlergebnis zwar nicht schönreden, Brinkhaus nennt es sogar „vernichtend“. Sie sehen die Lage der Union aber nicht als so dramatisch an, Brinkhaus hält sogar die Kanzlerschaft Merkels für einen großen Erfolg. Beide meinen, mit Kritik am Gegner sei es getan. Wer keine grundlegenden Fehler sieht, hält natürlich auch eine Neuausrichtung nicht für erforderlich. Weiter wie bisher, heißt die Devise, nur handwerklich vielleicht etwas geschickter.

16 Jahre ausschließlich um den Machterhalt gekümmert

Damit offenbarte das Deutschlandtreffen der JU erneut die Spaltung der CDU: Teile der Partei und viele Beobachter konstatieren eine große inhaltliche Leere der CDU, die kein Konzept für das Land hat. Keiner weiß, warum er sie wählen soll, denn es mangelt ihr an eigenem Profil und Positionen. Die Union hat sich in den letzten 16 Jahren ausschließlich um ihren eigenen Machterhalt gekümmert, die Probleme des Landes hat sie nur notdürftig „auf Sicht“ behandelt, gelöst hat sie keines. Das fällt ihr nun auf die Füße, denn sie hat zutiefst das Vertrauen der Wähler verloren. 

Andere Teile der Partei sehen sich nach wie vor auf einem guten Weg und wollen genau diesen Weg munter weitergehen, zwar mit anderen Personen, aber sonst „the same procedure as every year“. Aus deren Sicht war im Prinzip alles gut, die Positionen prima, nur der Wahlkampf müsse besser werden.

Die CDU wird sich entscheiden müssen. Der bisherige Ansatz eines „sowohl als auch“, der von keinem prominenter verkörpert wurde als dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet, der gerade wegen seiner vermittelnden Art zum Kanzlerkandidaten gekürt worden war, ist krachend gescheitert. Ebenso krachend gescheitert ist die Merkel-Politik. Diese wird von anderen Parteien glaubwürdiger vertreten.

Bekanntlich kann man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Das wusste nicht nur Einstein, das sagt auch die Lebenserfahrung. Das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen, dürfte ein langer und mühsamer Weg sein. Zwei Voraussetzungen müssen dafür zwingend erfüllt sein.

Vor allem fällt auf, welche Themen nicht angesprochen wurden

Erstens muss die Einsicht in die Notwendigkeit des Spurwechsels für Wähler erkennbar sein. Tut die Union zerknirscht, ruft ein lautes „mea culpa“, macht dann jedoch weiter wie bisher, wirkt sie unbelehrbar. Zweitens muss das Signal, dass die Lektion gelernt wurde, durch entsprechendes Personal glaubhaft vertreten werden. Ob die CDU einen solchen Neuanfang schafft, ist fraglich. Vor allen Dingen fällt auf, welche Themen nicht angesprochen wurden. So bleibt unklar, wohin die Reise gehen soll.

Es wird viel über das Verfahren gesprochen, mit dem der neue Vorsitzende gewählt werden soll, nicht aber über das nötige Profil der Führung. Falls eine klare Abwendung vom Merkel-Kurs bezweckt wird, kann ein glaubhafter Neuanfang nur mit Köpfen gelingen, die über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen, aber gerade nicht als Gefolgsleute Merkels. Hier nun liegt das Problem: Haben die Unionisten, auch die, die bisher das Sagen hatten oder auch die Mitläufer, genügen Selbsterhaltungstrieb, um einen solchen Wandel zuzulassen? 

Inhaltlich wurde keine Neupositionierung angedacht. Andere zu kritisieren, ist leicht. Aber welche innovativen Pläne zur Energiewende, zur Wirtschafts- und zur Sicherheitspolitik hat denn die CDU? Dass die Energiesicherheit gefährdet ist, ist bekannt; zudem treibt die Regierung bewusst und zielgerichtet die Energiepreise in die Höhe. Die Folgen für die Mittelschicht sind gravierend, für Ärmere fatal. Mittlerweile hat selbst Gabor Steingart erkannt, dass der Atomausstieg ein Fehler war. Wo bleibt die Diskussion in der CDU?

Die Industrie schlägt Alarm wegen der Vernachlässigung des ländlichen Raums, d.h. des Raums, in dem die meisten KMUs ihren Sitz haben. Aufgrund der grünen Politik fehlt es an ausreichenden Autobahnen und sonstigen Fernverkehrswegen, Baustellen kommen hinzu. Die Bahn ist ein Sanierungsfall, der Güterverkehr findet zunehmend auf der Straße statt. Das alles hat enorme negative Folgen. Waren kommen nicht zeitgerecht an, die Kosten explodieren. Alles das sind Beispiele drängender Probleme. Was sagt die CDU dazu? Außer Lobgesänge auf die erfolgreiche Regierung Merkel?

Arbeitsplätze und Rente in Gefahr

Dass Deutschland als Automobilstandort gezielt von der Politik kaputt gemacht wird, ist nicht nur für tausende von Arbeitsplätzen eine Gefahr, sondern in der Folge auch für unser soziales Netz, speziell für die Rente. Ohne Einzahler in die Rente gibt es keine Auszahlung, und ohne sprudelnde Steuereinnahmen kann auch der bisher schon hohe steuerfinanzierte Zuschuss zur Rente nicht bezahlt werden. Schulden aber will man nicht machen. Belasten wir jedoch die Bürger, um einen soliden Staatshaushalt zu bekommen, bedeutet dies hohe Zahlungen an die EU und das selbst dann, wenn die Bürger der anderen Staaten weniger Steuern zahlen und höhere Privatvermögen haben als die Deutschen. Wo bleiben die Ideen, wie man das in den Griff bekommen soll?

Und was ist geplant, um neue Migrantenströme einzudämmen und illegal hier befindliche Ausländer abzuschieben? Diese Fragen werden gerade wieder hochaktuell, weil die Zahlen der aus Belarus illegal die Grenze Überquerenden stark steigen

Last but not least: Was ist mit der Corona-Politik, dem Riesenelefanten im Raum, über den alle dröhnend schweigen? Auch bei den Sondierungsgesprächen der „Ampelmännchen“ war das Thema offenbar irrelevant. Das aber geht an der Lebenswirklichkeit vieler Bürger komplett vorbei. Die möchten wissen, wann wir endlich wieder normal leben können. Die Methode „vertrösten“ zieht nicht mehr. Alles Fragen, die nicht gestellt wurden. Antworten, die fehlen.

Foto: C.Kramer

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Peter Holschke / 18.10.2021

@Boris Kotchoubey - das gab es schon in der DDR, dass in den besseren Kreisen, in den pseudointerlektuellen Zirkeln usw. über die Dummheit der Partei und der Obrigkeit die Nase gerümpft wurde. Die Intelligenzia dünkte sich schlauer und überlegen und übertûnchte damit ihren Opportunismus und ihre Hilflosigkeit. Das DDR-System war aber schlauer als jeder dieser Besserschwätzer. Auch heute gefallen sich viele darin, die Regierung als unfähig einstufen zu können. Der Gedanke, dass das eine strikten böswillige Agenda verfolgt wird, dieser Gedanke wird vorsätzliche nicht gedacht. Dabei liegen alle Karten auf dem Tisch, die Agenda wurde offen verkûndet, Kampfansagen wurden gemacht, die Kriegsziele offenbart und die Methoden umrissen. Die Leute hören nicht zu, was Gates, Schwab, Soros usw. von sich gegeben haben. Frau Merkel war eine Überzeugungstäterin, hochgehievt, als ihre Bereitschaft sichtbar wurde, die Ziele der Welteliten radikal umzusetzen. Die Zerstörung der Strukturen Nachkriegsdeutschlands, die Schleifung der Eigenständigkeit zugunsten transnationaler Gebilde, die Zerstörung der Wirtschaftskraft und des Rechtsstaates, die Auflösung der Nation und die Völkervermischung usw. alles geplant, gewollt und energisch betrieben.

P. F. Hilker / 18.10.2021

Der CDU fehlen vor allen Dingen konservative Positionen, und diese müssen auch öffentlich benannt werden. Vom Wischiwaschi Merkels sollte man sich endlich lösen. Sonst wird das nix.

Rudi Brusch / 18.10.2021

Wo waren denn die jetzt aufmüpfigen Hinterbänkler als Mama Merkel die ganze CDU entkernte und unser Land ohne substanzielle Legitimation gegen die Wand gefahren hat? Die Aussicht auf einen gut gepolsterten Sitz beim Aufprall in der Realität hat deren Stimme viele Jahre verstummen lassen. Jetzt, wo der Karren im Dreck ist, haben sie es immer schon gewusst. Das ist peinliches Wendehalsgehabe. Jede Putzfrau, die bei Adolf oder Erich die Zimmer fegen durfte, war ehrlicher.

Sepp Kneip / 18.10.2021

“...Brinkhaus hält sogar die Kanzlerschaft Merkels für einen großen Erfolg.” In was für einer Welt lebt dieser Mann eigentlich? Wohl immer noch als Zäpfchen im Hintern seiner Noch-Kanzlerin. Aber hat er vielleicht nicht doch Recht? Die Kanzlerschaft Merkels war ein großer Erfolg. Ein Erfolg für sie selbst und für ihre Auftraggeber. Nicht aber für Deutschland und die Deutschen, denen sie heilige Eide geschworen und alle gebrochen hat. Merkel hat im Auftrag derer, die mit einer vom Menschen bewusst herbei geführten Corona-“Pandemie” den Great Reset umsetzen wollen, ihrer Partei und Deutschland einen vernichtenden Schlag versetzt. Und alle, außer der AfD, haben ihr dafür Beifall gezollt. Wenn jetzt einigen in der CDU die Augen aufgehen, ist das ein bisschen spät. Da man das alles so hingenommen hat, muss man sich allerdings fragen, wer noch alles in Diensten dieser sich gottgleich wähnenden Milliardärs-“Elite” stand und steht. Wenn man sich die Neu-Koalitionäre ansieht, ist die Frage bei rot/grün nicht schwer zu beantworten. Interessanter ist schon die Beflissenheit eines Herrn Lindner, mit den Grünen an einem Strang zu ziehen. Ist dieser samt der FDP mittlerweile auch eine Marionette im Puppentheater der globalistischen Strippenzieher, oder war er das schon immer? Es ist wohl die ganze Riege der Altparteien, was schon daran zu erkennen ist, dass diese unisono auf die Opposition, die dieses Spiel nicht mitmachen will, eindrosch und weiter eindrischt. Die FDP ganz besonders. Will sie sich Liebkind bei ihren Auftraggebern machen?

Christian Müller / 18.10.2021

Sehr geehrte Frau Heinisch, ich verstehe Ihr Problem nicht! Die CDU war in den letzten 50 Jahren eine Partei der Zuwanderung und des Sozialabbaus. Für konservative Politikinteressierte gibt es die AfD. Wofür brauchen wir die CDU?

Petra Wilhelmi / 18.10.2021

Meine Frage: Wo bleibt die sogenannte Werteunion, die von vielen so hoch gehandelt worden ist? Wo bleibt die Stimme von den immer über den grüne Klee gelobten Herrn Maaßen? Hört man etwas von denen. Wenn sie es je ernst gemeint haben, wäre jetzt ihre Stunde gekommen. Aber man hört nichts von ihnen. Sie sind stumm und bleiben stumm. Ob die sich mal zusammenrappeln? Aber sie scheinen keine Eier zu haben. Ich täusche mich gern, aber täusche ich mich wirklich?

Rolf Mainz / 18.10.2021

Dass Laschet immer noch keine persönlichen Konsequenzen gezogen hat, spricht für sich - und sowohl gegen Laschet wie gegen die aktuelle CDU. Man wartet letztlich ab, ob die “Ampel” nicht doch noch scheitern wird. Wer würde in diesem Fall nicht gern als GroKo “Rot-Schwarz” weiterregieren? Und es beweist, dass diese Partei in desolatem Zustand ist. Merkel hat alles und jeden weggebissen, der ihr hätte gefährlich werden können. Und das waren angesichts ihrer vielen, massiven Schwächen etliche. Übrig blieb der bekannte Rest: angepasst, duckmäuserisch, beamtisch, unfähig. Mitläufer par excellence, Bettvorleger ihrer Herrin aus der Uckermark. Damit kann kein Neuanfang gelingen, damit ist gar kein Neuanfang gewünscht…

George Samsonis / 18.10.2021

Entweder schafft die CDU es, ein freiheitlich-konservatives Profil wiederzuerlangen oder es muss sich eine entsprechende neue Partei westlich der AfD bilden, die sich eine solche Politik auf die Fahnen schreibt. Die FDP scheint die Freiheit an SPD und LinksGRÜN zu verschachern. Wie hieß es 2017 doch noch, besser nicht regieren als schlecht zu regieren. Und heute? Ich weiß, Politik ist die Kunst des Machbaren. Aber jedes Entgegenkommen in Richtung der GRÜNEN ist ein Verrat an der Freiheit und Sicherheit in Dtl.

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