Rainer Bonhorst / 22.02.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 60 / Seite ausdrucken

Biber oder Baum – ein Kampf auf Leben und Tod

Immer wieder ratlos stehe ich als alter weißer, manchmal pinker und im Sommer lichter-ockerer Mann vor den Eigenheiten des modernen Lebens. Das Thema der heutigen Sinnsuche heißt: Biber oder Baum? Diese Frage klingt unscheinbar, sie weist aber in Abgründe des neuzeitlichen Naturschutzes, hinter dessen Fassade ein Kampf auf Leben und Tod tobt.

Warum stellt sich mir die Frage „Baum oder Biber“ gerade jetzt? Weil mir bei einem Spaziergang am Waldrand ein ausgesprochen zeitgeistiges Warnschild begegnet ist: „Vorsicht, aktiver Biber! Angenagte Bäume!“ Die Warnung war gut gemeint, aber untertrieben. Der Biber, um den es hier ging, war nicht einfach nur aktiv, er war ein Workoholic. Ein Akkordnager. Ein Stachanow des Baumfällens. Und da er über eine unbegrenzte Nagefreiheit verfügt, sehe ich schwarz für den kleinen Wald am Rande seines Baches. Der Biber hat das Recht auf seiner Seite. Der Baum ist vogelfrei.

Das kann man ungerecht finden, es ist aber nicht der alleinige Grund meiner Ratlosigkeit. Denn hinzu kommt das Geschehen ein paar Kilometer weiter östlich, also in der nahen Stadt. Dort sollten mal wieder einige Bäume gefällt werden. Weshalb sich aktive Baumfreunde zu Protesten versammelten. Es kam zu innigen Baumumarmungen. Ja, es hat sogar Ankettungen gegeben, also eine Art liebevolles Bondage zwischen Mensch und Baum.

Auch das ist in Ordnung. Man kann es übertrieben finden, aber meine Verwirrung, mein Absturz in die Ratlosigkeit entsteht erst durch das Kontrapunktische der beiden Ereignisstränge. Ich frage mich: Warum darf der Biber, was der Mensch nicht dürfen soll? Worauf stützt sich sein Baumfäll-Privileg? Oder anders gefragt: Würden sich die Baum-Umarmer in der Stadt zurückziehen, wenn die geliebten Bäume nicht von Menschenhand sondern vom Biberzahn gefällt würden? Ist der Biber eine politisch korrekte Alternative zur Motorsäge?  

Eine große Baum-Biber-Fehde

Oder ist die Familie der deutschen Naturschützer etwa in zwei Lager gespalten? In Fauna-Schützer und Flora-Schützer? Kann es sein, dass beide Clans zwar Lippenbekenntnisse für die gesamte Natur abgeben, aber wenn es darauf ankommt, zu Parteigängern werden? Etwa so: „Biber first!“ Beziehungsweise „Eiche first!“ 

In diesem Fall würde über kurz oder lang eine große Baum-Biber-Fehde drohen. Baum oder Biber – die beiden Positionen sind schwer zu vereinen. Wie sollte auch ein Kompromiss aussehen? Dem Biber etwas anderes zu nagen geben? Biberfeste Bäume züchten? Die Lage ist vertrackt. Früher kam es vor, dass man sich zwischen Baum und Borke befand. Wer hätte damals geahnt, dass man einmal zwischen Baum und Biber würde wählen müssen? 

Da hatte es die früh verstorbene Sängerin Alexandra doch leichter, als  sie – von der Biber-Problematik gänzlich unbelastet – das traurige Lied sang „Mein Freund der Baum ist tot“. Das große Waldsterben hatte gerade begonnen; der seither wieder auferstandene Wald schien von Menschenhand und Menschenwerk bedroht. Vom Biber noch keine Spur. 

Würde sich Alexandra – sänge sie heute – vom Biber in Loyalitätskonflikte bringen lassen? Würde sie gar die Seite wechseln und singen: „Mein Freund der Biber ist tot“? Oder würde sie zeitgemäß um ihren vom Bibertod bedrohten Baum trauern? Dem würde ich mich in diesem speziellen Fall anschließen. Baum vor Biber. 

Ins Wanken geriete ich allerdings, müsste ich mich zwischen Baum und Rehlein entscheiden. Da könnte ich zum Parteigänger werden: „Bambi first!“

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Leserpost

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Henri Brunner / 22.02.2021

Manfred Knake / 22.02.2021 Danke für den Rundumschlag. Nun ich wohne gleich neben einem typischen Voralpen-Flüsschen, dh. meist wenig Wasser, ausser nach Regen im Hinterland und Gebirge, dann wird das zu einem reissenden Fluss. welcher alles mitnimmt, das nicht fest ist. Hier toben sich seit neuerem ebenfalls die Biber aus. Es geht dabei aber nicht um “Holzentnahme”, das Holz wird hier sowieso nicht genutzt, es dient - oder besser gesagt, diente der Stabilisierung der Ufer. Seit der Biber da ist, ist alles anders. Aber ok, wenn Sie 20 bis 40 jährige Bäume als rasch wachsende (ausschlagende) Gewächse bezeichnen, ja dann ..... Mich wundert es tatsächlich: zuvor war es beinahe bei Todessrafe verboten, einen Baum zu fällen, nun werden sie durch den Biber reihenweise gefällt oder sterben ab, und alles ist ok. Da halte ich es mit der Parole von Robert Korn: “Schießen, Schaufeln, Schweigen.”. Ich füge dem noch dazu: vergiften, erschlagen, egal was, hauptsache dass.

Ulrike Russ / 22.02.2021

Für das Bauvorhaben “Eggarten” in München-Nord sollen angeblich 600 gesunde Bäume weichen und die Frischluftschneise wird durch Neubauten ersetzt. Das schafft kein noch so hyperaktiver Biber!

W.-D. Schleuning / 22.02.2021

Liebern Her Bonhorst, vielen Dank für Ihren klarsichtigen Beitrag, hier in Brandenburg werden auch Waldgebiete großflächig durch Biber zerstört. Nur in Hinblick auf Bambi muss ich Sie enttäuschen. Es handelt sich hier nämlich nicht um ein Rehlein, sondern einen Weißwedelhirsch, dem bedeutendsten Vegetatiosschädling in den USA.                        

Robert Korn / 22.02.2021

@Herr Knake: Es geht doch nicht um die Holzentnahme. Das ist zu verschmerzen. Und soweit wir Waldbesitzer das machen,  erfolgt es in Abstimmung mit den Forstämtern und nach bewährten Regeln der Bewirtschaftung. Es geht beim Biber um die Schäden an Wasserläufen, überschwemmte Äcker und unterhöhlte Wege. Sind Sie schon mal mit dem Traktor in sowas eingebrochen? Und kommen Sie mir nicht mit Kanada und seinen bekannt “weitläufigen” Kulturlandschaften. Also entweder haben Sie keine Ahnung oder Sie wollen ablenken. Setzen, mangelhaft!

Manfred Knake / 22.02.2021

Hier toben sich wohl die Naturschutz-Basher aus, faktenbefreit, mit viel Meinung, aber wenig Wissen. Ja, Biber fällen Bäume. Es sind aber überwiegend die rasch nachwachsenden und holzwirtschaftlich kaum interessanten Weichholzarten, die nach dem Abnagen nicht absterben, sondern rasch wieder ausschlagen. Vergleicht man die Holzentnahme der Biber mit der der Forstwirtschaft, den Fällaktionen für neue Straßen, Wohn- oder Gewerbegebiete, dem jährlichen Zurückschneiden von Bäumen und Büschen durch die Landwirtschaft an den Randstreifen, dann ist der Biber nur marginal am Bäumefällen beteiligt, für ihn ist noch viel Platz im Lande. Wer schon mal in Kanada war und die Biberbauten und -seen gesehen hat wird gemerkt haben, dass die umliegenden Wälder nicht gelitten haben. Dort gibt es doch tatsächlich trotz der Biber noch riesige Wälder. Und auch in Deutschland gibt es Waldzuwächse, sogar mit dem Biber. Also, Ihr naturentwöhnten Naturschutzhasser: schämen!

Paul Siemons / 22.02.2021

In einem streng geschützten Moorgebiet nicht weit von meinem Zuhause gibt es einen kleinen See, der, so heißt es, ein Relikt der Eiszeit ist. Ein idyllischer Ort. Rings um das Gewässer stehen Jahrhunderte alte Bäume, die dem rauen Klima trotzen und bizarre Formen aufweisen. Bzw. wiesen. Heute sieht es dort so aus, als hätten ein Dutzend Aktivisten der Kita “Rote Rüpel” mit Kettensägen für ihre ersten Hausbesetzungen üben können. Mir leuchtet nicht recht ein, wieso das frühere, sehr authentisch wirkende Landschaftsbild an dem Teich weniger wertvoll sein soll als die Ansiedlung von - ohnehin nie sichtbaren - Bibern. Noch irrer finde ich die Wiederansiedlung von Wölfen. Mir kommen da, von der Ideologie her, zwangsläufig Parallelen zu Anstrengungen seitens der Migrationsindustrie in den Sinn… Immerhin regiert offenbar manchmal doch die Vernunft : so wurde gerade in der Schweiz eine Wölfin zum Abschuss frei gegeben, nachdem sie Dutzende von Nutztieren getötet hatte. Dutzende! Rinder, Schafe und Ziegen sind für die vom Bambi Syndrom Infizierten offenbar so etwas wie “Weiße”, also Einwohner, die schon länger hier leben, und ihre Existenz ist offenbar minderwertiger als die der edlen Wilden. Da müssen erst ganze Herden massakriert werden, ehe nachgedacht wird. Sind ja nur dumme Haustiere. Und wenn sie das Zusammenleben mit dem Wolf nicht täglich neu aushandeln, ist es ihre eigene Schuld.

Robert Korn / 22.02.2021

Ich lebe auf dem Land. So richtig mit Bäumen, Bauern, Bibern. Zu Bibern, Wölfen und ähnlich Überflüssigem ist man sich einig. Parole: “Schießen, Schaufeln, Schweigen.”

Peter Ackermann / 22.02.2021

Dabei gibt es doch den wunderschönen Beruf des Kürschners: Der Biber hätte wieder einen natürlichen Feind, der Baum könnte noch einige Dekaden stehen und der Mensch hätte es warm im Winter.

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