Ausgestoßene der Woche: Otto Waalkes und Otto von Bismarck

Ottos Jubiläum kann der WDR nicht zelebrieren, ohne den Komiker madig zu machen. Der Versuch, Bismarck „neu zu denken“ scheiterte kläglich, aber kostete viel. Musks Twitter-X versteckt den frisch gewählten AfD-Spitzenkandidaten, Maximilian Krah, in den Suchergebnissen, und dem Sprössling einer Neuen Rechten von Schnellroda widerfährt die Sippenhaftung.  

75 Jahre alt wurde Komiker-Legende Otto Waalkes im Juli, diesen Monat jährt sich sein frühester Fernsehauftritt zum 50. Mal. Der WDR zeigt diesen, nämlich die erste Otto Show, auf seiner Website bzw. in der ARD-Mediathek. Zu Beginn muss man allerdings lesen und hören: „Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden.“ Welche das sein sollen – Ostfriesenwitze vielleicht? – erfährt man nicht. Bei der zweiten Otto Show (von 1974) stimmt der erste Satz der Trigger-Warnung mit der zur Sendung aus dem Vorjahr überein, der zweite wird allerdings variiert: „Es enthält Passagen mit diskriminierender Sprache und Haltung“.

In Deutschlands jahrelang erfolgreichstem Spielfilm, Otto – der Film von 1985, gibt es eine Szene, die vor mehreren Jahren ein paar Gemüter erregt hat. Dort wird ein „Neger“ als Sklave namens „Bimbo“ an eine Ministerialbeamtengattin verkauft. Waalkes könne sich glücklich schätzen, so Kai Rebmann bei reitschuster.de, „dass sein Aufstieg zu einer Zeit begonnen hat, in der die Deutschen noch einen Sinn für Humor hatten“.

Verschnaufpause für Bismarck

Dem großen Bismarck-Denkmal in Hamburg zum Trotz kennt nicht jeder Politiker aus der Hansestadt den Eisernen Kanzler. Bei anderen hat der ostelbische Junker bisweilen einen schweren Stand. So ließ die grüne Außenministerin das Bismarck-Zimmer im Auswärtigen Amt Ende letzten Jahres umbenennen, und in Hamburg plagt man sich mit erwähntem Denkmal. Man möchte es gerne „kontextualisieren“ – in erster Linie vor dem Hintergrund des deutschen Kolonialismus – und rief dazu landesseitig einen Wettbewerb unter dem Titel „Bismarck neu denken“ aus. In die zweite Runde der Ausschreibung schafften es acht Entwürfe, die das Museum für Hamburgische Geschichte derzeit in einer Schau namens „Hamburg dekolonisieren“ präsentiert

Zu den Einreichungen gehören eine Indianerhäuptlings-Feder, die man der Figur gerne aufsetzen möchte, ein leuchtendes „Tränen-Tattoo“ oder ein gigantischer Zahnstocher als Accessoires. Als größter Hingucker würde sich wohl die Darth-Vader-Maske samt Lichtschwert eignen. Beiden, dem entlassenen Reichskanzler und dem gefallenen Jedi, hatte ja zuletzt ein Kaiser das Vertrauen entzogen. „Die Jury entschied allerdings“, berichtet die Junge Freiheit, „dass keiner der Entwürfe den didaktischen und ästhetischen Gesichtspunkten genügte.“ Immerhin, ganz umsonst war der Wettbewerb nicht: Gut 200.000 Euro Steuergeld hat er gekostet. Außerdem hat man zur postkolonialen Umgestaltung noch ein Kriegerdenkmal und eine Gedenktafel im Hamburger Michel ins Auge gefasst.

Die im Schatten sieht man nicht

Maximilian Krah, frisch gewählter AfD-Spitzenkandidat zur EU-Wahl, unterliegt auf Twitter einem sogenannten Shadowban. Er kann seinen Account nutzen, der ist aber über die Suchfunktion der Plattform nicht direkt auffindbar. Nur über Umwege – oder einen direkten Link – gelangt man dorthin. Auf einer Prüfseite für Twitter-Shadowbans bestätigt sich dies. „@TwitterDE greift hier entgegen der eigenen Richtlinien in den deutschen Wahlkampf ein“, kritisiert der Brüsseler Parlamentarier – indem es ihn bei der Reichweite schlechter stellt als Bewerber konkurrierender Parteien. Krah habe sich bereits an die Twitter-Zentrale gewandt.

Sippenhaft

Ebenfalls davon betroffen ist Ellen Kositza, Publizistin und Gattin des Verlegers Götz Kubitschek. Das Vordenker-Ehepaar der Neuen Rechten hat ganze sieben Sprösslinge in die Welt gesetzt, die mitunter ihre Abstammung zu spüren bekommen. Wie Kositza vergangenen Samstag berichtete, wurde eines ihrer Kinder bei einem „Studentenjob“ nicht mehr eingeteilt. Aus den anonymisierten Screenshots eines Textchats geht hervor, dass der Arbeitgeber dafür zunächst Kostengründe anführte, auf Nachfrage dann aber mit der Wahrheit rausrückte: Der Vater sei das Problem, zumal der betreffende Unternehmer selbst sich in irgendeiner Form für die Linkspartei betätigt. „Da passt irgendwas nicht so richtig zusammen“, dünkt ihm. Zum Ende der Begründung hin zeigt er sich geradezu mitfühlend: „Ich möchte mich […] und am Ende auch dich vor Debatten und Angriffen schützen.“ Vielleicht findet sich trotz Fachkräftemangels jemand mit einem Stammbaum nach Geschmack des Hauses.

Bitte melden!

Zu staatlichen Gesetzen, die „Schutz“ versprechen (Infektions-, Klima-, Nichtraucher-, Jugend-, Prostituiertenschutz usw.) habe ich mich an anderer Stelle schon geäußert. Inzwischen gilt in Deutschland auch noch ein Hinweisgeberschutzgesetz. Vor einer Woche ist auf dessen Grundlage eine Hinweisgeberschutzgesetz-Externe-Meldestelle-des-Bundes-Verordnung in Kraft getreten, die wirklich so heißt. Über diese Stelle kann man anonym Rechtsverstöße melden. Den Spruch „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“ zitiert aus diesem Anlass Achgut-Autor Hubertus Knabe. Zuständig ist Bundesjustizminister Marco Buschmann, dessen FDP ab 1990 zeitweise überwiegend aus früheren Mitgliedern zweier DDR-Blockparteien bestand.

Zeitung bestimmt Kulturprogramm

Denunzieren geht allerdings nicht nur anonym, sondern man kann sich sogar in aller Öffentlichkeit damit schmücken. Die Redaktion der Badischen Neuesten Nachrichten klopft sich auf die Schulter, einen Auftritt des Kabarettisten Uli Masuth in Ettlingen verhindert zu haben. (Achgut berichtete.) Dieser war für Februar kommenden Jahres vorgesehen. „Unsere Redaktion hatte Kulturamtsleiter Christoph Bader wenige Tage nach Erscheinen der […] Termine darauf aufmerksam gemacht“, so Redaktionsleiterin Heidi Schulte-Walter, dass Masuth „aktiv in der Querdenkerszene in Thüringen“ sei. Der Künstler hatte es offenbar gewagt, an Montagsspaziergängen teilzunehmen und sich erdreistet, für die Partei dieBasis bei der Bundestagswahl zu kandidieren. Der Herr Amtsleiter vereinbarte daraufhin „in Absprache mit dem Oberbürgermeister […], den Termin mit Masuth zu canceln“. Denn: „Für Kabarett dieser Art sei Ettlingen keine Adresse.“ 

Noch hat, wer Masuth und sein aktuelles Programm Lügen und andere Wahrheiten sehen möchte, andere Adressen zur Auswahl. Nicht verwundern sollte allerdings, wenn sich weitere Vertreter der sogenannten Vierten Gewalt dem modischen Kopfjäger-Journalismus anschließen, der Unbotmäßige aktivistisch abräumen will. Kunst- und Meinungsfreiheit enden dann auf Redaktionsschreibtischen. Und das Publikum hätte keine Chance mehr, dem eigenen Empfinden Ausdruck zu verleihen. „Bei den letzten vier Auftritten hat niemand den Saal vorzeitig verlassen“, freute sich Masuth im März.

Auftrag futsch

„Live in Krummhörn 2“ hieß ein Konzert, das vorvergangenen Samstag in Ostfriesland stattfand und nicht ohne Folgen blieb. Schauplatz war das Gelände des ortsansässigen Lohnunternehmens Friedrich Voß, das Bauarbeiten durchführt. Dort war bereits vor einem Jahr ein ähnliches Konzert veranstaltet worden, dem keine große öffentliche Beachtung zuteil geworden war. Als im Vorfeld öffentlich wurde, dass nun eine rechtsextreme Band dort auftreten sollte und Mitorganisatoren sowie der Sanitätsdienst ebenfalls der Neonaziszene zuzurechnen sind, regte sich Protest, nicht zuletzt aus Antifa-Kreisen. Die Firma Friedrich Voß wies Vorwürfe von sich, und betonte, es handle sich um eine „unpolitische“ Veranstaltung. Außerdem habe man statt der ursprünglich angekündigten eine andere Band gefunden. Ob diese überhaupt existierte oder nicht eher ein Täuschungsmanöver vollzogen werden sollte, wurde in der Presse diskutiert

Jedenfalls wurde das Konzert in Krummhörn-Canau (nahe Emden) gespielt, auch Gegendemonstranten fanden sich ein. Für das Lohnunternehmen ist die Sache damit keineswegs ausgestanden. Denn vor einer Woche wurde bekannt, dass es einen wichtigen Auftrag (als Subunternehmer) verloren hat. Das Papenburger Bauunternehmen Johann Bunte kündigte Friedrich Voss den Vertrag als Dienstleister beim Umbau des nahegelegenen Bundeswehr-Fliegerhorsts Wittmundhafen.Wir haben die Zusammenarbeit eingestellt“, bestätigt eine Unternehmersprecherin der Nordwest-Zeitung. „Eine Rolle dabei spielte das Konzert“. Die Voss-Juniorchefin möchte noch das klärende Gespräch suchen. Auf dem Fliegerhorst ist übrigens normalerweise das Luftwaffengeschwader „Richthofen“ stationiert, dessen Bezeichnung auch Sensibilitäten berührt.

Inklusion durch Exklusion

„Wir sind ein inklusiver Veranstaltungsort und erlauben solche Sichtweisen nicht“, schrieb die Eventstätte Leith Arches im schottischen Edinburgh, um die Absage eines Auftritts von Comedy-Autor Graham Linehan zu begründen. Der Ire Linehan hatte erfolgreiche Comedyserien für das britische Fernsehen geschrieben und probiert sich nun als Bühnenkünstler. Problem: Er engagiert sich seit Jahren gegen die Transgenderideologie und ihre Folgen. Nachdem seine Teilnahme an einer „freidenkenden Comedy“-Show bekannt geworden war, reagierte die Veranstaltungsstätte auf entsprechende Beschwerde-E-Mails. Zuvor war er als anonymer Überraschungsgast und „berühmter gecancelter Comedian" angekündigt worden. Nomen est omen. Für die Show wurden Alternativräumlichkeiten gefunden.

Bei Anruf Kündigung

Es geht auch umgekehrt. Marcus Venable darf an der Louisiana State University (LSU) in den USA keine Lehrveranstaltungen als studentische Hilfskraft mehr geben. Was der (nicht mehr ganz junge) Soziologiestudent auf den Anrufbeantworter eines republikanischen Bundesstaats-Senators gesprochen hatte, ist nämlich öffentlich geworden. Venable hatte Senator Mike Fesi, weil dieser nicht zugunsten von „Transrechten“ abgestimmt hatte, übel beschimpft, u.a. als „fettes, verdammtes Stück Scheiße“; er könne es kaum erwarten, Fesis Namen in einer Todesanzeige zu lesen. Darauf entzog die LSU Venable seine Lehrmöglichkeit, ohne ihn vorher anzuhören; studieren darf er weiter. Die Bürgerrechtsorganisation FIRE sieht in Venables Tirade keine Drohung und betrachtet sie als von der Meinungsfreiheit gedeckt. Sie steht jedenfalls in keinem direkten Zusammenhang zu seiner Berufstätigkeit an der LSU.

Reise nach Jerusalem

Anderer Bundesstaat, andere Partei: Eine Senatorin der Demokraten in Michigan hat sich nach einer Israel-Reise entschuldigt. Sylvia Santana bittet um Verzeihung für „die Wut und die Enttäuschung bei vielen in der arabischen/muslimischen Community“, die ihre Teilnahme an der – von einer jüdischen Organisation in Detroit mitorganisierten – Reise ausgelöst hat. Sie habe „keine bösen Absichten“ verfolgt. In Teilen von Santanas Wahlkreis wohnen viele Arabischstämmige. Aus deren Reihen war nach dem Trip einige Kritik auf die Landesparlamentarierin hereingeprasselt. Unter anderem zeigte sich der Verleger der Arab American News, Osama Siblani, darüber empört. Dieser „fiel schon öfter mit offenen Antisemitismus auf“, wie Apollo News schreibt.

Serientod

Am Dienstag starb Schauspielerin Ursula Cantieni im Alter von 75. Bekannt geworden war sie vor allem durch die SWR-Serie Die Fallers, in der sie 28 Jahre lang zu sehen war, und die Rateshow Sag die Wahrheit beim gleichen behördlichen Sender. Bei ihrem Ausstieg aus den Dreharbeiten Anfang 2022 war spekuliert worden, dass Cantieni sich dem damals dort herrschenden faktischen Impfzwang, technokratisch 2G-plus genannt, nicht hatte unterwerfen wollen oder können. Der SWR ging seinerzeit bei dieser Diskriminierung weiter als andere ARD-Sendeanstalten. Cantieni hat das Gerücht weder bestätigt noch dementiert und sich nicht zu ihrem Impfstatus geäußert. „Auch eine Krankheit zähle zu den Gründen für den Abschied“, ließ sie letzten Dezember wissen. Nun ist sie nach schwerer Krankheit von uns gegangen – offenbar nicht plötzlich und unerwartet.

Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!

Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Webseite auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.

Foto: Huhu Uet & Frank Schwichtenberg CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Thomas Szabó / 18.08.2023

Dekolonisieren? Dämlich, wie dumme & degenerierte Deutsche ihre Identität demontieren.

Claudius Pappe / 18.08.2023

Eigentor der Woche des DFB : Als Nachfolger von Oliver ( Die Mannschaft ) Bierhoff als Manager des DFB hat man das SPD Mitglied Nadine Keßler eingestellt. Sie ist lesbisch, UEFA Funktionär, Ex Spielerin des VW Konzern und hat mit ihrer Frau einen Sohn…....leider fehlt ihr ein wenig Farbe und den Migrationshintergrund

Frank Baumann / 18.08.2023

Otto war einer der Helden des Humors meiner Kindertage, als die Welt zwar nicht perfekt, aber wenigstens nicht irre war. Großhirn an Faust: Ballen!

Thomas Szabó / 18.08.2023

Sie wollen Hamburg dekolonialisieren? Die ganzen kulturfremden Kolonialisten in ihre Heimatländer abschieben?

Peter Wachter / 18.08.2023

Zwar nicht zu den Ausgestoßenen der Woche gehören die Klimakleber im VW-Werk, aber zu den Rausgeworfenen der Woche, s.h. YT: “KLIMAKLEBER WOLLEN PRODUKTION ANHALTEN: VW-Mitarbeiter verhindern Klebe-Protest von Klimaaktivisten” !?

Claudius Pappe / 18.08.2023

Gendern der Woche : Gestern bei Eurosport : Radrennen der Männer Artic Race of Norway. Kommentatoren waren die beiden Nonames ( Sidekicks ) der großen Rundfahrten . Plötzlich fiel ein Satz : ...................dann haben die Fahrer:innen zu kämpfen ( oder so ähnlich ). Der nächste Satz : Das Feld besteht nur noch aus 30 Mann…........Zum Glück ist es noch nicht soweit, das Fahrer:innen beim Männerrennen mitmachen…......PS :die Autokorrektur unterstreicht das Wort : Fahrer:innen .......rot

Raffael von Rosenberg / 18.08.2023

Jetzt muss ich zugeben, dass ich mittlerweile mit wirklich allem rechne. Warnhinweise vor einer Otto-Sendung - nun gut - das hatte ich mir allerdings selbst nach drei Joints nicht vorstellen können. Kann mir bitte jemand sagen, auf welchem Planeten ich mich befinde? Und warum stoppt niemand diese schwer Geisteskranken, die so etwas durchsetzen? Und wie und wo endet dieser Comic?

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