Zielgruppe: Jeder, der Augen hat, Plakatwände zu sehen.
Sozialprestige: Allen wohlmeinenden Aufklärungskampagnen zum Trotz rangieren Essstörungen noch immer unter den angesagtesten Leiden. Es sind die einzigen Krankheiten, die allgemein mit Disziplin assoziiert werden – einen Herzinfarkt hat heutzutage ja jeder Prolet. **** / *****
Wahnwitzfaktor: „Aber sicher habe ich zugenommen. Ich habe früher mal drei Kilo gewogen!“, erzählt Dr. Eckart von Hirschhausen. Was die WHO als „leichtes Übergewicht“ definiert, geht mit der höchsten Lebenserwartung einher. Wem es nicht reicht, beim Lebensmittelkauf für besonders wenig Brennwert besonders viel zu bezahlen, der kann den Irrsinn noch weiter treiben und in Diätkochbücher investieren. Oder als Frau, wenn schon nicht sich selbst, dann das Konto der Weightwatchers mästen, um sich wöchentlich vor Leidensgenossinnen demütigen zu lassen. Die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio verspricht zwar langfristig Besserung, kurzfristig benötigt man aber ein Ego aus Granit, um hier nicht vor Selbst- und Welthass zu sterben. Das hat allerdings niemand, der sich zu dick findet. ***** / *****
Persönlicher Nutzen: Die fünf Prozent aller Deutschen, die tatsächlich an Adipositas - also echter Fettsucht – leiden, tun sich gewiss einen Gefallen, wenn sie ein wenig abspecken. Wer im Fernsehen arbeitet, muss berufsbedingt krankhaft dünn sein, weil vor der Kamera einfach jeder kolossal dick aussieht – und die aktuell wie Gratisgoldbarren aus den Händen der Elektromarktverkäufer gerissen werdenden Breitbildfernseher verschlimmern diesen Effekt dramatisch. Wer zu keiner der beiden Gruppen gehört, dem raten wir einer anderen Furcht aus dieser Serie. * / *****
Gesellschaftlicher Schaden: Unterstellt man der Magersuchtindustrie, keine echte Wertschöpfung zu erzielen, ist deren Treiben ein teurer Spaß. Andererseits sehen dünne Menschen zwar nicht gesünder, aber meist besser aus – was das Straßenbild verschönert. Im persönlichen Umgang sind Gewichtsparanoiker dafür um so weniger auszuhalten. Entweder sie verderben ihrer Umwelt mit tadelnden Blicken oder Kommentaren jede Freude an essen und trinken oder ihre Laune schwankt wegen akuter, diätbedingter Unterzuckerung zwischen Attila und Benito Mussolini. **** / *****
Fazit: Mit einem monströsen Körper voller geistiger Schönheit möchte niemand Sex haben. Ein schlechtgelaunter Hungerhaken mit Mundgeruch wird aber ebenfalls kaum genussvoll beschlafen werden. Die wenigen Menschen, die dünner als wir übrigen und trotzdem gesund sind, leben von genau diesem Unterschied sehr gut. So lange wir keinen Bammel vor Übergewicht haben, brauchen die keine Angst vor Arbeitslosigkeit zu haben. ** / *****