Gerd Habermann, Gastautor / 16.06.2023 / 16:00 / Foto: Public domain / 10 / Seite ausdrucken

Adam Smith zum 300.

Vor 300 Jahren, im Juni 1723, wurde der schottische Philosoph und Aufklärer geboren, der als unbestrittener „Vater der modernen Ökonomie“ gilt.

Der Historiker Thomas Buckle schrieb: „…dass dieses Buch („Der Wohlstand der Nationen“) mehr zum Glück der Menschheit beigetragen hat als alle Staatskunst von Politikern und Gesetzgebern“. Mehr als alle Sozialpolitik und der immer tiefer absinkende moderne Wohlfahrtsstaat jedenfalls. Diesem Buch, auch diesem Buch, verdankt sich der traumhafte Aufstieg des „kleinen Mannes“ (und seiner Frau) bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts. Heute bewegt sich die durchschnittliche Lebenserwartung in nie erlebten Höhen. Heute ist in unseren Breiten eher die Überernährung als die Unterernährung ein allgemeines Problem, fast jeder fährt heute eine Kutsche (das Auto), die an Leistungsfähigkeit jede Kutsche privilegierter Schichten früherer Zeiten weit übertrifft. Fast jedermann kann sich heute luxuriöse Reisen in ferne Länder und zu den bequemsten Bedingungen leisten, der Ausbildungsstand ist erstaunlich, die Bildungsmöglichkeiten sind enorm, die Kommunikationsmittel märchenhaft, technischer Luxus in jedem Haushalt jenseits all dessen, was sich Menschen früherer Jahrhunderte vorstellen konnten, ganz abgesehen von der phänomenalen Freizeit.

Absolute Armut ist keine Massenerscheinung mehr, zudem können mehr Menschen überleben als in jeder anderen Zeit. Und wenn wir vor alten und neuen Krisen stehen, so vor allem deswegen, weil die Überlebensbedingungen der modernen Wirtschaft durch „Staatskunst und Politik“ in bedenklichster Weise ignoriert werden – durch einen verhängnisvollen „Destruktionismus“, oder politischen Interventionsmus, wie Ludwig von Mises das nennt. Bereits der Begriff „Ordnungspolitik“ ist so ziemlich außer Kurs geraten. Das dramatische Scheitern des Sozialismus nach 1989 gerät im Generationenwechsel mehr und mehr in Vergessenheit. „Die Geschichte ist eine glänzende Lehrmeisterin mit  schlechten Schülern“, wie der Schweizer Liberale Robert Nef einmal schrieb.

Man muss Adam Smiths „Wohlstand der Nationen“ gelesen haben, um die dynamisierende Wirkung des Kapitalismus, des modernen Liberalismus zu verstehen. Nur seine Arbeitswertlehre ist überholt, von der „österreichischen Schule“ der Ökonomie seit langem widerlegt. Im Rahmen eines moralisch disziplinierten und durch Tradition und Sitten regulierten Eigeninteresses ist jedermann im System der Arbeitsteilung genötigt,  sich durch Dienste am Nächsten (nicht durch Gewalt und Betrug) vorwärtszubringen. Der Kapitalismus – die Marktwirtschaft – als System gegenseitiger Dienste! Die vielleicht berühmteste Stelle seines Hauptwerkes lautet: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von deren Bedachtnahme auf ihr eigenes Interesse. Wir wenden uns nicht an ihre Menschenliebe, sondern an ihre Eigenliebe und sprechen ihnen nie von ihren eigenen Bedürfnissen, sondern von ihren Vorteilen“. Der Markt mit seinem Wettbewerb als moralisches Disziplinierungsinstrument, was all jene vergessen haben, die bis heute entrüstet vom unmoralischen Egoismus sprechen, der vom Markt entfesselt werde. Vertieft hat Adam Smith seine Morallehre in der „Theorie der ethischen Gefühle“. Die Basis von Kapitalismus und Markt ist Moral. Auch in Deutschland, sogar in Preußen, erlebten die Lehren von Adam Smith bis zur wohlfahrtsstaatlichen Wende von Bismarck (1879) einen Siegeszug und Jubel sondergleichen. Die Bücher dieses Mannes sind auch schriftstellerisch ein Genuss.

Adam Smith hat uns die „natürliche“ oder, wie Hayek sagt, „spontane“ Ordnung verstehen gelehrt. Gegen die Anmaßung des Politikers schrieb er: „Er scheint sich einzubilden, dass er die verschiedenen Glieder einer Gesellschaft mit ebensolcher Leichtigkeit anordnen kann wie die Hand, welche die verschiedene Figuren auf dem Schachbrett anordnet. Er bedenkt nicht, dass die Figuren auf dem Schachbrett kein anderes Bewegungsprinzip besitzen als jenes, welches die Hand ihnen auferlegt, dass aber auf dem großen Schachbrett der Gesellschaft jede einzelne Figur ein eigenes Bewegungsprinzip besitzt, das durchaus von jenem verschieden ist, welches der Gesetzgeber nach seinem Gutdünken ihr auferlegen möchte“.

 

Prof. Gerd Habermann, geb. 1945, ist Wirtschaftsphilosoph, Hochschullehrer und freier Publizist. Er ist seit 2003 Honorarprofessor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam und geschäftsführender Vorstand der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.

Foto: Public domain

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R. Reiger / 16.06.2023

Die unsichtbare Hand des Adam Smith, das sind die Millionen guter, innovativer Egoismen einer Volkswirtschaft, die so aus Eigeninteresse jedes einzelnen den Wohlstand aller schaffen. Das negative an den Eigeninteressen ist aber: Tun es alle, dann tun es auch die Politiker und Regierenden. Das kann dazu führen, dass aus Eigeninteresse und Machtbedürfnis der Politiker »Überlebensbedingungen der modernen Wirtschaft durch „Staatskunst und Politik“ in bedenklichster Weise ignoriert werden – durch einen verhängnisvollen „Destruktionismus“, oder politischen Interventionsmus«. Das betrifft vor allem den Stimmenkauf durch Wahlgeschenke auf Pump und die daraus folgende Staatsverschuldung, die das demokratische System gefährden werden. So gibt es zu guter Letzt wieder mehr von denjenigen, die glauben, dass man die Millionen innovativer Egoismen durch ein paar Dutzend Politbüroköpfe ersetzen kann. Interessant ist auch die Verbindung zu Laozi (6. Jh. v.Chr.) und dem „Dao De Jing“: Kapitel 48: Wer vom Dao hört, wird täglich geringer. (Regierender:) Geringer werden und wieder geringer werden, um zum Nicht-Handeln zu kommen. (Regierender) Bleib ohne Tun – Nichts, das dann (durch das Volk) ungetan bliebe. Kapitel 37: Das Dao bleibt stets namenlos (nicht fassbar, nicht ergründbar == ohne Namen). Können Fürsten und Könige es bewahren, dann wandeln sich alle Wesen von selbst. Kapitel 60: Regiere den großen Staat, wie man kleine Fische brät (ohne viel Zutun). Kapitel 63: (Regierender) Handle das Nicht-Handeln. Bewältige die Aufgabe der Aufgabenlosigkeit. Schmecke das Geschmacklose. Nehme das Kleine für groß. Nehme das Wenige für viel ((Technologie-) Konzerne weltweit, mit großer Wertschöpfung und Marktkapitalisierung, haben klein, in einer kleinen Werkstatt, in einer Garage, angefangen; niemals ließe sich das von einem Herrscher, einem Politbüro anordnen). Chja, die alten (und auch die neuen) Chinesen.

Stefan Riedel / 16.06.2023

@Jürgen Fischer / 16.06.2023: Danke! Abiturienten? Vielleicht verlangen wir auch zu viel? Wie heißt das heute, Bachelor in VWL? Fragen wir doch diese “erfolgreichen” Absolventen. Doch lieber nicht? Antwort: John Maynard Keynes? Noch Fragen?

Hans-Peter Dollhopf / 16.06.2023

Der Riese Christophorus trägt das Jesuskind auf seinen Schultern über den Fluss. Diese Allegorie beschreibt wie keine andere die Vertiefung des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts im europäischen Nucleus seit der Renaissance. Standing on the shoulders of giants! In hoc signo vinces.

Ludwig Luhmann / 16.06.2023

Die, die jetzt jung sind, sollen gar nicht erst erfahren, wie gut es uns ging. Die werden mit allerlei Schrott zugeschmissen und dadurch dann vom Wesentlichen abgelenkt und obendrauf werden sie noch körperlich und psychisch zersetzt. Die werden also nicht auf den Schultern der großen Wegbereiter stehen. Die individuelle Abhängigkeit vom Staat wird drastisch zunehmen, was man ja bereits seit Jahren deutlich erkennen kann. Mit dem Great Reset wurde ganz offen der Rückwärtsgang eingelegt.

sybille eden / 16.06.2023

Rolf PÖHLING, - ...im 18. Jahrhundert war Europa auf gar keinen Fall noch ein ” abgeschottetes Biotop ” !

Jürgen Fischer / 16.06.2023

@Stefan Riedel, mit Hayek oder Mises wären schon vor Jahrzehnten die meisten Abiturienten überfordert gewesen. Adam Smith war zu meiner Abiturzeit noch Lehrstoff, Hayek und Mises wurden damals schon totgeschwiegen. Ich bezweifle, dass diese beiden Größen jemals überhaupt im Schulunterricht Erwähnung gefunden haben. Und wenn wir vor 40 Jahren solche Namen nie vernommen haben, wie soll dann die Generation Emilia ...? Die können ja nichtmal ihren Namen unfallfrei tanzen.

Jacob Gröning / 16.06.2023

“Das dramatische Scheitern des Sozialismus nach 1989 gerät im Generationenwechsel mehr und mehr in Vergessenheit” - Keineswegs. Der Realsozialismus des Ostblocks war auch nur Staatskapitalismus, der in manchen Ländern den Menschen weitaus mehr Wohlstand, Sicherheit und Freiheit ermöglichte als das, was nach dessen Ende kam - siehe der Zerfall Jugoslawiens. “Der Kapitalismus – die Marktwirtschaft – als System gegenseitiger Dienste!” - Kapitalismus ist nicht dasselbe wie Marktwirtschaft. Kapitalismus ist ökonomischer Sozialdarwinismus.  Kapitalismus bedeutet, dass am Ende Menschen, die astronomisches Eigentum besitzen, frei über Menschen verfügen können, die kein Eigentum besitzen. Welche gegenseitigen Dienste sind gemeint, wenn die eine Seite alles besitzt, während die andere nur die Wahl hat zwischen Unterwerfung und Verhungern? “Unsere Wahrnehmung der Dinge, unsere Meinungsbildung folgt einem industriell organisierten Prozess.” (Bernd Hamm)

Atticus Finch / 16.06.2023

Ja, die “unsichtbare Hand des Marktes”, geleitet von einem Ordnungsrahmen, der nichts vorschreibt, sondern nur das Nötigste verbietet. Etwas, das der gemeine Linksgrüne nie verstehen wird. Ich werde nostalgisch.

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