Die „Unstatistik des Monats“ wirft Anja Reschkes Sendung „Reschke TV“ zweifelhaften Umgang mit Zahlen vor.
Die „Unstatistik des Monats“ ist eine Meldung, in der der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller sowie der RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer „jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen“ hinterfragen.
In der neuesten Ausgabe nahmen sich die Autoren dem „Bayern-Bashing in Anja Reschkes Auftaktsendung 'Reschke TV'“ zum Thema „Ego-Land Bayern: So zieht die CSU uns alle ab“ an. Genauer gesagt unterstellte die ARD-Sendung dem Bundesland Bayern mangelndes Engagement im Punkt „Erneuerbare Energien“.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wurde darin mittels verschiedener Einspieler vorgeworfen, sich permanent zu widersprechen: „Mal spricht er davon, Bayern läge bei den erneuerbaren Energien auf Platz eins, mal soll es 'nur' Platz zwei sein.“
Die Autoren von der „Unstatistik des Monats“ erläutern dazu:
„Dieses Rätsel lässt sich leicht lösen, wenn man sich klar macht, dass hier von verschiedenen Referenzklassen gesprochen wird. Das Problem der Referenzklassen haben wir in unserer Unstatistik vom August 2016 schon einmal aufgegriffen. Dort ging es um die Frage, warum Fußball-Fans auf einem Karriereportal eine andere Referenzklasse bilden als alle deutschen Fußball-Fans.
Beim Strom hingegen sind die theoretisch erzeugbare und die tatsächlich erzeugte Leistung zwei verschiedene Referenzklassen, sozusagen die theoretische Spielstärke einer Mannschaft und ihre tatsächlich erbrachte Leistung in einer Saison. Die theoretische Spielstärke eines Bundeslands ist die installierte Leistung, also die maximale Gesamtleistung, die aus erneuerbaren Energien erzeugt werden könnte. Daten dazu liefert die Bundesnetzagentur im Marktstammdatenregister. Wind und Solarstrom zusammengenommen, ist Bayern der klare Sieger aller Bundesländer.
Bei der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien, also dem tatsächlich „auf dem Platz“ produzierten Strom, lag Bayern hingegen zuletzt auf Platz 2. Dies erfährt man aus den umweltökonomischen Gesamtrechnungen der Länder. Interessiert man sich aber nicht für die absolute Gesamtleistung, sondern für den Anteil der erneuerbaren Energien am erzeugten Bruttostrom, dann rutscht Bayern weiter ab auf Platz 5.“
Anja Reschke argumentiert nun, dass Bayern als flächenmäßig größtes Bundesland am meisten Platz hat, um Windräder und Solarpanels aufzustellen. Deswegen müsse man die installierte Leistung auf Quadratkilometer beziehen. Unter allen Flächenländern, also ohne Berlin, Bremen und Hamburg, liegt Bayern damit auf Platz 9. So steigt Bayern nur durch die Änderung der Referenzklasse aus der Bundesliga in die Kreisklasse ab.
Ein toller Trick – den man am besten dann anwendet, wenn er zur gewünschten Geschichte passt: Dass Bayern sich gerne mit fremder Leistung schmückt. So soll Bayern dank dreier aufeinanderfolgender CSU-Bundesverkehrsminister weit überproportional von Bundesmitteln für Bundesfernstraßen profitiert haben. Das zeigt die Grafik ab Minute 20 der Sendung.
Die dahinter liegenden Daten liefert ein Sachstandsbericht des Deutschen Bundestags. Dem ist zu entnehmen, dass im Verlauf der Zeit tatsächlich immer mehr Geld vom Bund in bayerischen Fernstraßen verbaut wurde. Aber bei den letzten dokumentierten Ist-Ausgaben liegt Bayern absolut gesehen nur auf Platz 2.
Wie wir außerdem bereits wissen, hat Bayern allerdings auch mehr Fläche zu erschließen, die man statt mit Windrädern und Solaranlagen auch mit Fernstraßen bebauen könnte. Pro Quadratkilometer verglichen, rutscht Bayern dann auf Platz 5 ab. Interessiert man sich nun zusätzlich zum Straßenneu- und Ausbau auch für das Geld, das in die Straßenerhaltung geflossen ist, dann ist Bayern, absolut betrachtet, die klare Nummer 1. Bezogen auf die Fläche, liegt es bei den Gesamtausgaben nur auf Platz 8 der Bundesländer, wie Berechnungen auf Grundlage einer Bundestags-Drucksache zeigen.
Was stimmt denn nun? Es kommt darauf an. Anders als beim Fußball, gibt es im Ranking der Bundesländer keine objektive Referenzklasse oder Einheit, in der die Spielteilnehmer miteinander zu vergleichen sind. So oder so, Frau Reschke sollte sich entscheiden, welche Maßstäbe sie anlegt, wenn sie Bundesländer gegeneinander ins Rennen schickt. Jedenfalls wenn nicht der Eindruck entstehen soll, dass der NDR dort, wo man gegen Bayern noch Siegchancen hat (also überall außer beim Fußball) mit Zahlen-Doping nachhilft.“