Peter Grimm / 07.04.2021 / 06:29 / Foto: Alx / 91 / Seite ausdrucken

15.000 Menschen nach Hause schicken?

Wenn man liest, hört und sieht, mit welch grimmigem Eifer manche Vertreter des Corona-Regierungskurses noch mehr Verbote und ein noch härteres Vorgehen gegen Protestkundgebungen der Kritiker der Ausnahmezustands-Politik mit Grundrechtsentzug fordern, dann ist man über jeden vernünftigen Amtsträger froh, der noch zu wissen scheint, was Verhältnismäßigkeit ist.

Nach Angaben auch der Medien, die sich bemühen, in Berichten über Demonstrationen von Kritikern der Corona-Politik ein Mindestmaß an Abscheu gegen solcherlei Regierungskritik zu formulieren, haben 15.000 Menschen in Stuttgart am Karsamstag gegen die Beschneidung der Grundrechte protestiert. Der Konsument deutscher Medien wurde ausführlich darüber informiert, welche Arten Spinner, Radikale und Extremisten sich in der Menge tummelten, insbesondere, dass auch der äußerste rechte Rand vertreten war. Auch von den Steinwürfen auf ein ARD-Team, dass daraufhin eine Liveschalte habe abbrechen müssen, schrieben und sendeten die meisten Berichterstatter ausführlich.

Die Nachricht, dass es sich bei den Steinen offenbar nur um ein Ei gehandelt hatte, verbreitete sich später nicht so stark, aber auch hier gilt natürlich: je mehr Drama, desto größer die Reichweite. Und selbst wenn die Verletzungsgefahr nicht so groß ist: Angriffe mit Eiern sind grundsätzlich nicht in Ordnung. Manch Älterer erinnert sich vielleicht noch jenes legendären Treffers beim Eier-Werfen auf Bundeskanzler Helmut Kohl vor fast 30 Jahren im Mai 1991 in Halle. Das Bild des wütenden Kanzlers, der sich den Eierwerfer eigenhändig vorknöpfen wollte, weshalb die Leibwächter größte Mühe hatten, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, ging um die Welt. Aber mit heutigen Eierwürfen hat das nichts zu tun.

Abgesehen davon, dass sich zu Ostern in Stuttgart kaum ein namhafter Vertreter aus Politik und Medien dafür zu interessieren schien, was den größten Teil der Demonstranten auf die Straße trieb – über die Aushebelung der Grundrechtsgarantien und den Verlust der Freiheit wird in diesen Kreisen wohl nur selten und eher ungern gesprochen – war es schon überraschend, wieviel Abscheu und Empörung etliche Politiker gegenüber einer Demonstration aufbringen konnten, die größtenteils friedlich verlaufen war, was auch die Polizei bestätigte. Einzelne Rangeleien und Übergriffe wie der Eierwurf sollen nach den Berichten so etwas wie die regelbestätigende Ausnahme gewesen sein.

„Das eigentliche Problem“

Dennoch sahen sich die Polizei und der für Ordnung und Sicherheit zuständige Bürgermeister lautstarker Kritik aus verschiedenen Ministerien und Parteibüros ausgesetzt, weil sie diese friedliche Demonstration laufen ließen und die Nichteinhaltung der Maskenpflicht nicht zum Einschreiten und Auflösen genutzt hätten. Das polizeiliche Argument der Verhältnismäßigkeit überzeugte diese Kritiker erwartungsgemäß nicht. Für sie ist die Maske offenbar schon so sehr zum zentralen Symbol der „neuen Normalität“ geworden, dass sie sich kaum noch erinnern können, dass „Gesicht zeigen“ und unmaskiert für eigene Anliegen einzustehen das eigentlich Normale ist und die Pflicht zur Maskierung ein Teil jenes Ausnahmezustands, gegen den die Demonstranten auf die Straße gehen. Auch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist nicht an eine Maskierung, negative Testergebnisse oder einen Impfpass gebunden, sondern es gilt für jeden Bürger. Man muss eigentlich nicht einmal zwingend gesund sein, um demonstrieren zu dürfen. Grundrechte gelten theoretisch auch für Infizierte, aber das ist ein anderes Thema.

An dieser Stelle sollte eigentlich nur der in diesen Tagen oft angegriffene Stuttgarter Ordnungsbürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler) gewürdigt werden, weil er immerhin die Verhältnismäßigkeit gegen alle Angriffe verteidigt. "Ich glaube, wir haben das Beste daraus gemacht", wird er von zeit.de zitiert. "Wenn die Polizei die Versammlung auf Geheiß der Versammlungsbehörde aufgelöst hätte, hätte sie versuchen müssen, 15.000 Menschen nach Hause zu schicken." Diese wären aber nicht freiwillig gegangen, die Polizei hätte massiv Gewalt einsetzen müssen. All das sei durchgespielt worden in Gesprächen mit der Polizei. Die Frage, die sich die Politiker vielmehr stellen müssten, sei – so Maier – warum Menschen keine Masken tragen wollten. "Warum erreicht die Politik Teile der Gesellschaft nicht? Das ist das eigentliche Problem".

Foto: Alx

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Volker Kleinophorst / 07.04.2021

Krankhafte Verbotsgier. Es reicht Ihnen nicht unsinnige Maßnahmen zu befolgen, richtig gut ist es nur , wenn man alle Anderen dazu zwingen kann. Was sagt der Psychologe? Geht in Richtung Zwangsneurose.

F. Auerbacher / 07.04.2021

Hier steht ein Grundrecht (Versammlungsfreiheit) gegen eine Ordnungswidrigkeit (Maske tragen).

Rolf Rüdiger / 07.04.2021

Ich denke, Alle die Diktaturen verabscheuen und sich ein historisches Aufbegehren anmaßen. Für all jene ist jetzt ihre Zeit des Aufstehens gekommen. Denn die historische Reue hat nur dann eine Bedeutung wenn sie im Menschen den Mut auslöst das zu verhindern, was einmal war.

Klaus Biskaborn / 07.04.2021

Man darf gespannt sein, wie lange der offensichtlich vernunftgeleitete Ordnungsbürgermeister noch sein Amt begleiten darf. Vernunft, Realität, Wahrheit sind aus dem Sprachgebrauch deutscher Medien und Politiker längst gestrichene und vor allem ungern gesehene Begriffe. Erst Recht werden Menschen die sich derartiger Charakteristika tatsächlich noch bedienen diskreditiert und fallen nicht selten der Cancel Culture zum Opfer.

Alexander Schilling / 07.04.2021

Angenommen es war ein faules Ei, das der live zugeschaltete Qualitätsmedienvertreter im Eifer des Gefechts als Stein identifizierte (oder vom Ei zum Stein umetikettierte, wie es eben ein Berufsstand erheischt, deren Vertretern es in Fleisch und Blut übergegangen sein sollte, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen), dann darf doch wohl in jedem Falle davon ausgegangen werden, dass es sich da um nicht mehr, als eine Retourkutsche handelte—angesichts der vielen faulen Eier, welche die Qualitätsmedienanstalten ihrem Publikum tagtäglich ins Nest legen, nicht mehr als ein Wink mit dem Zaunpfahl.——Dass die Demonstranten bei der Darreichungsform noch üben müssen, ist unbestritten; am Nachdrücklichsten hilft sicherlich eine Verknappung der Ressource, die zur Produktion von faulen Eiern unabdinglich ist, so dass bald auch bei denen das Licht ausgeht, die sich in der ersten Reihe zu sitzen wähnen, und zwar in deren Mitte, beziehungsweise dem Glauben anhängen, mit dem Hühnerauge linksaußen sehe man besser…

John Beaufort / 07.04.2021

“Warum erreicht die Politik Teile der Gesellschaft nicht?” Schon die Frage ist falsch. Ja sie ist sogar undemokratisch! Mamchmal ist die Bevölkerung einfach ganz anderer Meinung als die Politik. In der Demokratie sollte das Anlass sein, über seine Politik nachzudenken und nicht darüber, wie man die Bürger zur “richtigen Meinung” erzieht. Das Volk ist Souverän, nicht dessen Vertreter.

H.Wess / 07.04.2021

Diese Minderheit von “Dauerbeschwerer” sollten sich mit der Regel einer Demonstration auseinandersetzen. Regeln:  • KEIN Alkohol oder Drogen während der Ausübung der Ordnertätigkeit. • Verbot von Vermummung und Maskierung – Ordner und Teilnehmer. • Waffen/Gegenstände die als solches Verwendet werden können bleiben ZUHAUSE. • Uniformen sind nicht erlaubt. • Das Mitbringen von Fahnen ist nicht erwünscht! Ich soll eine Maske tragen, mich aber nicht maskieren? Wie jetzt, Irrsinn oder Schwachsinn?

Wolf-Dietrich Staebe / 07.04.2021

Teile der Bevölkerung haben nun einmal keine Lust darauf, sich von Antidemokraten und Stasis bevormunden und gängeln zu lassen.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com