Was Roland Koch geritten hat, den ZDF-Chefredakteur Nikolaus „Bürste“ Brender (der Mann mit dem schärfsten Schnauzer östlich von San Francisco) absägen zu wollen, bleibt unklar. Das frenetische Geheul aus den üblichen Kreisen war voraussehbar. Vermutlich ist das dem ohne eigenes Zutun auferstandenen Koch völlig wurscht. Er geht wohl davon aus, dass er für die Meinungsmacherzirkel sowieso das größte anzunehmende Arschloch ist und bleiben wird bis ans Ende seiner Tage, so dass er ebenso gut auf raffinierte Spielchen verzichten kann. Koch kennt die Spezies der politischen Journaille vor allem aus dem Hessischen Rotfunk, wo es zeitweilig regelrechte abteilungsinterne Oders gab, ihn zur Strecke zu bringen, ihm irgendeine Schweinerei anzuhängen. Mit diesen Jungs ist er eh durch. Was „SZ“- oder „Spiegel“-Leser von ihm halten, kann ihm noch wurschter sein.
Sein Argument gegen Brender, unter dem seien die Einschaltquoten von „Heute“ und „Heute Journal“ – anders als die von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ - dramatisch eingebrochen, ist barer Quark. Der Zuschauerschwund bei den Nachrichtensendungen trifft in Wahrheit beide Anstalten. Das Minus ist aber nicht so heftig, wie Kochs Zahlenkosmetik suggeriert…
Ein mähliches Sinken der einstigen Flaggschiffe ist ohnehin unvermeidlich und weder durch Brender noch durch sonst jemanden aufzuhalten. Die großen Zeiten des Nachrichtenverkündungsfernsehens sind vorbei. Lange vor 19.00 Uhr oder vor 20.15 Uhr haben Millionen sich die News des Tages bereits aus dem Internet gefischt. Die Online-Konkurrenz ist ja gerade der Grund, weshalb die Öffentlich-Rechtlichen, sehr zum Ärger der Verleger, selber massiv ins Netz drängen.
Aus dem Koordinatensystem des Staatsfernsehens betrachtet, ist Brender kein schlechter Mann. Ein mediokrer Apparatschik, genau der Richtige für die Anstalt auf dem Lerchenberg. Natürlich ist er so langweilig wie seine Schuhbürste über der Oberlippe. Aber wer erwartet denn Kreativität vom Chef eines Senders, welcher krisensicher von GEZ-Kohle lebt? Selbstredend beugt sich einer wie Brender jedem politischem Druck, wenn es die Machtverhältnisse erfordern. Natürlich spielt er sich als heroischer Fighter für die TV-Freiheit allenfalls dann auf, wenn der Gegner ihm nicht mehr an die Wäsche kann. Sein berühmtes Bashing des als Kanzler faktisch schon erledigten Gerhard Schröder in der Talkrunde bei der Bundestagswahl 2005, das Brender-Getreue wie das NDR-Medienmagazin „Zapp“ zum Ruhme von Bürste gerne abnudeln, verströmte ja den Schneid eines jugendlichen Hooligans, der in der U-Bahn einen Rentner verprügelt. Woran Friedrich Küppersbusch dieser Tage in der „taz“ erinnerte. Der ehemalige TV-Moderator („“Zak“, „Privatfernsehen“), kennt Brender aus der gemeinsamen Zeit beim WDR. Als wackeren Verteidiger journalistischer Unabhängigkeit gegen politische Einflussnahme hat er ihn nicht gerade in Erinnerung.
Es bleibt also rätselhaft, warum Koch Brender kippen will. Will er, wie spekuliert wird, im Auftrag der Kanzlerin mit einem neuen Chefredakteur eine für die CDU genehmere Besetzung des ZDF-Hauptstadtstudios durchpauken? Aber wie käme er bloß auf die Idee, einer wie Brender könnte sich solcher Zumutung standhaft verweigern?
Koch hat mit seiner Brender-Nummer klargestellt, was ZDF und ARD sind, was sie aber hartnäckig bestreiten: Staatssender. Ganz normale, in allen wichtigen Gremien nach Proporz besetzte Verlautbarungsanstalten mit angeschlossenem – oft gar nicht schlechtem -Unterhaltungsprogramm; mit Zuschauergeld betrieben zwecks Verbreitung von Politiker-Sprechblasen sowie der rhabarbernden Kommentierung derselben durch sorgfältig ausgesuchte Hofschranzen. Das war so, seit die ersten Nachrichten über unsere Schirme flimmerten, und das bleibt so. Wer daran zweifelt, wie die Unterstützer des Gebühreneinzugsfernsehens, müsste einfach mal zuhören, wenn in einer ARD-Schaltkonferenz das Hauen und Stechen darüber tobt, wer zu einem politisch wichtigen Thema den Kommentar quasseln darf. Oder er müsste an einer Sitzung des ZDF-Verwaltungsrates teilnehmen, in welcher der Provinzfürst Kurt Beck den auf seinem Territorium ansässigen Sender wie Privateigentum behandelt.
Der konservative Publizist Paul Sethe schrieb 1965, die Pressefreiheit sei die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Er meinte Print. Die öffentlich-rechtlich verfasste Fernsehfreiheit ist demnach von jeher die Freiheit von einem Dutzend Parteien und parteinahen Verbänden, ihre Meinung zu verbreiten.
Für die Klarstellung vielen Dank, Herr Koch.