Ach, wenn man doch in die nähere Zukunft blicken könnte, wenigstens ein bisschen. Aber: „Prognosen sind schwierig, zumal, wenn sie die Zukunft betreffen. Ich habe mich mal eine Zeitlang beruflich mit der Prognosterei beschäftigt. Was ist das, eine Zukunftsprognose? Mehr als ein Blick in die Glaskugel? Bei einer Zukunftsprognose werden auf der Grundlage vorhandener Fakten verschiedene Möglichkeiten ausgearbeitet, in welche Richtungen ein Trend weiterverlaufen könnte, welche Konsequenzen externe Ereignisse haben könnten. In der Regel werden daraus mehrere Szenarien entwickelt. Ein Szenario ist eine hypothetische Sequenz über die Zukunft, quasi eine Vorwärts-Extrapolation der Gegenwart, bei der wahrscheinliche Faktoren berücksichtigt und unwahrscheinliche Faktoren ausgeklammert werden.
Nach Reduktion der Szenarien durch Ausschluss inkonsistenter Kombinationen (z.B. es kommen lauter Raketenwissenschaftler und Neurochirurgen aus Afghanistan und retten die Rentenökonomie) und Ausschluss besonders unwahrscheinlicher Szenarien (z.B. die Bundeswehr putscht und Ursula von der Leyen wird Kanzlerin), bis hin zu physikalisch unmöglichen Varianten (die Energiewende wird ein Riesenerfolg) lassen sich für verbleibende Szenarien die Auswirkungen auf die Zukunft ausmalen. Wobei solche Merkmale, die sich in mehreren Szenarien vernetzen, eine höhere Wahrscheinlichkeit zugesprochen bekommen.
Auf nicht hundertprozentig wissenschaftliche Weise will ich die Anwendung dieser Technik mal mit der Politik versuchen. Im Resultat meiner Überlegungen heißen vier Szenarios:
- Szenario 1: Es bleibt alles ganz anders (Merkel regiert weiter)
- Szenario 2: Vorwärts, Genossen, es geht zurück! (Merkel vollzieht eine Politikwende)
- Szenario 3: Auch Du, mein Sohn Brutus? (Die CSU als Sollbruchstelle der GroKo)
- Szenario 4: Jähe Wendungen sind nicht ausgeschlossen.
Im nächsten Artikel werde ich die vier Szenarien beschreiben, um dann in einem dritten Beitrag dieser Serie die Vernetzungen herauszuarbeiten und eine Prognose zu erstellen.
Wichtig ist es zu bemerken, dass ich keine Prognose über die Legislaturperiode hinaus wage. Wie zutreffend die Prognose letztlich sein wird, dürfte eher ein Gegenstand von Achse-Leserwetten werden.
Lassen Sie mich diesen Artikel mit einem Schwank aus meiner eigenen beruflichen „Szenario-Laufbahn“ beschließen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich in den neunziger Jahren einen großen deutschen Energieversorger in Zukunftsstrategie beraten durfte. Es ging um die Zukunft der Stromerzeugung, darum, wie die Energieversorgung im Jahre 2020 aussehen würde und wie sich das damals sehr gut dastehende Unternehmen auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen sollte. (Ja, damals meinte das Wort „Herausforderungen“ noch wichtige zu lösende Aufgaben. Heute werden mit dem Wort „Herausforderungen“ eher handfeste Krisen verniedlicht).
Unser kleines Berater-Team war sich durchaus darüber im klaren, dass die Zukunft ziemlich schwierig vorherzusagen sei. Also beschlossen wir, mehrere Szenarien zum gleichen Thema zu entwerfen und dann die sich überlappenden Bereiche – also solche mit ähnlichen Aussagen – als „höher wahrscheinlich“ einzustufen und daraus unsere Schlussfolgerungen abzuleiten.
Ich trug nach einigen Wochen Arbeit die Ergebnisse der Studie den distinguierten Vorständen des Unternehmens in einem feierlichen Rahmen vor. Unsere Prognose war, dass im Jahre 2020 die Windenergie eine gewichtige Rolle auf dem deutschen Energiemarkt spielen würde. Oha – Windenergie für einen deutschen Energieversorger im Jahre 1997. Was für ein Affront.
Mein Vortrag nötigte den feinen Herren nur mitleidiges Lächeln ab und der Vorstandsvorsitzende bemerkte leicht pikiert: „Herr Haferburg, wenn unser Unternehmen eine Windmühle benötigt, dann werden wir eine auf dem Markt beschaffen“. Für mich bedeutete das: „Setzen Haferburg, fünf“.
Das Jahr 2020 ist noch nicht erreicht. Das einst so mächtige Unternehmen geht am Stock, weil es zu spät auf den Zug der Erneuerbaren Subventionen aufgesprungen ist. Die damaligen Vorstände sind längst mit goldenen Fallschirmen auf ihren Villengrundstücken gelandet.
Ich bin überzeugt, dass ein Vortrag der Ergebnisse diesem Dreiteiler eine ähnliche Reaktion bei den heutigen Politikern hervorrufen würde. Der zweite Teil dieses Beitrages erscheint morgen.
Was wird aus der GroKo? (Teil 2)
Was wird aus der GroKo? (Teil 3)