Maxeiner & Miersch / 18.08.2012 / 08:43 / 0 / Seite ausdrucken

Vorbild Kuba

Wir wissen nicht, ob es am Sommerloch liegt oder ob wir uns in einer intellektuellen Endlosschleife befinden und deshalb immer wieder den gleichen alten Stuss ertragen müssen. Jedenfalls beschlich uns diese Woche bei der Lektüre von „Spiegel Online“ ein echtes Déjà-Vu-Gefühl. Dort wird allen Ernstes geschildert wie Kuba „zum nachhaltigsten Land der Welt“ geworden sei. Voller Begeisterung beschreibt der Bericht (der zuvor in der Zeitschrift „Natur“ veröffentlicht wurde) wie Castro seine Untertanen zum Energiesparen „erzogen“ habe. Ein kubanischer Haushalt verbrauche nur etwa ein Achtel der Energie eines US-Haushaltes heißt es weiter, weil man mit der „Revo-lucion Energetica“ aus der Not eine Tugend gemacht habe. Der Text wimmelt nur so vor lachenden, klatschenden und sich im Rhythmus wiegenden Menschen, die einige Parolen „sogar mitsingen“. Ganz besonders eindrucksvoll wird das Provinzstädtchen Cárdenas“ geschildert, in dem das Fahrrad als „Symbol des ökologischen Fort-schritts“ mit einem Denkmal geehrt worden sei. „Wir haben Hunderte Pferdekut-schen, die feste Routen fahren und jeweils zwölf Personen fassen, dazu Ochsenkar-ren, die Lasten transportieren und schätzungsweise 100.000 Fahrräder“, wird ein vom kubanischen Fortschritt hingerissener Bürger der Stadt zitiert.

Wer es noch ein bisschen sparsamer mag, so möchten wir hinzufügen, der sollte nach Nordkorea reisen, wo energiesparend gehungert wird. Dass dort ebenfalls güti-ge Führer mit der nachhaltigen Ertüchtigung des Volkes beschäftigt sind, wissen wir von der 2002 verstorbenen Schriftstellerin, einstigen Nationalsozialistin und Kandida-tin der Grünen für das Amt des Bundespräsidenten, Luise Rinser. Die beschrieb vor genau 25 Jahren (ebenfalls in der Zeitschrift „Natur“) den damaligen Diktator Kim II Sung, neben Stalin und Pol Pot wohl einer der grausamsten kommunistischen Dikta-toren des 20. Jahrhunderts, als fürsorglichen Naturliebhaber und Umweltfreund. Und kam zu dem Schluss: „Ein halbes Jahrhundert Erziehung des koreanischen Volkes müsste ein international wirksames Beispiel werden.“

Demokratie ist irgendwie unökologisch, lernen wir aus solchen Elaboraten deutscher Schriftsteller und Journalisten. Und der kritische Verstand ist ein Hindernis, das zum zwecke der Weltrettung beseitigt werden muss. Wirklich nachhaltig scheint uns in diesem Zusammenhang eigentlich nur die konsequente Verblödung, aus der heraus solche Phrasen immer wieder gedroschen werden.

Erschienen in DIE WELT am 17.08.2012

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