Ulli Kulke / 12.11.2013 / 17:17 / 3 / Seite ausdrucken

Taifun Haiyan und billige Meinungsmache in Sachen Klima

Es fällt schwer, angesichts der Bilder von den Tausenden Taifun-Opfern im Fernsehen sofort daran aufgehängte, alte Streitereien auszutragen über die Ursachen des Wirbelsturms, hier im fernen, sicheren Deutschland. Doch das Überbordwerfen grundlegender Erkenntnisse über den Klimawandel in einigen Medien, mit dem einzigen Zweck, billige Vorurteile zu schüren, verlangt nach Widerspruch. Wenn jetzt die “Zeit” und vor allem auch das ZDF in seinen Heute-Nachrichten geradezu pietätlos mitteilen, die Experten seien sich sicher, dass der Taifun Haiyan menschengemacht sei, so ist das ein starkes Stück. Auch wenn die oben genannten Bedenken unterschwellig bleiben, die Vernunft muss zu ihrem Recht kommen.

Dieser sehr, sehr starke Wirbelsturm, der so verheerende Wirkung zeigte, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er auch gemessen an seiner Kraft nicht völlig aus dem Rahmen des bisher Dagewesenen fällt. Und so darf schon daran erinnert werden, dass die Entwicklung der tropischen Wirbelstürme in den letzten Jahrzehnten den Weltklimarat IPCC dazu veranlasst hat, in seinem gerade vorgelegten letzten Sachstandsbericht AR 5 seine Befürchtungen über den Zusammenhang zwischen einem menschengemachten Klimawandel und dem Entstehen von tropischen Wirbelstürmen deutlich zurückzunehmen gegenüber dem vorherigen Bericht AR4 im Jahr 2007. Die Datenlage gab eben zu wenig her über diesen Zusammenhang, es hat eben keine signifikante Zunahme der Wirbelstürme gegeben. Was die nahe Zukunft, die nächsten Jahrzehnte angeht, so misst der IPCC einer weiteren Erhöhung des Risikos solcher Stürme nur eine bedingte Wahrscheinlichkeit bei, kaum oberhalb der Zufallsrate. Und auch was die späteren Jahrzehnte dieses Jahrhunderts angeht, wurde die Wahrscheinlichkeit zurückgenommen. Ein eigener Absatz zum Thema tropischer Wirbelstürme, der noch im Bericht von 2007 enthalten war, entfiel im letzten Bericht völlig. So viel zur vermeintlichen Sicherheit der Forscher über die Ursache der Katastrophe auf den Philippinen.

Der Wirbelsturm Haiyan, der ein Land traf, das seit Menschengedenken von schwersten Taifunen heimgesucht wird, kann die Erkenntnisse als singuläres Ereignis nicht von heute auf morgen obsolet werden lassen, auch wenn eine neue Sichtweise jetzt angesichts der Dramatik gut gemeint sein mag. Forscher, die das Gegenteil behaupten, lassen sich in unseriöser Weise vor den Karren allgemeiner Panikmache spannen. Woher ziehen diese Medien die Erkenntnis, dass sich nun auf einmal alle einig sind, dass dieser Sturm menschengemacht sei? Auch wenn man jetzt damit Stimmung machen will für die Klimakonferenz in Warschau, so ist die Behauptung im Grunde eine Frechheit.

Wenn Haiyan der stärkste je auf Land getroffene tropische Wirbelsturm ist, so ist dies keine Verschärfung der klimatischen Grunddaten, keine neue Kategorie, sondern eine zufällige Folge der Lage von Inseln und Landmassen. Der Sturm hatte schon kurz nach seiner größten Kraftaufnahme die philippischen Inseln erreicht, und traf sie dann mit voller Wucht. Das Meer war, dort, wo er entstand, warm, mit


27 bis 29 Grad allerdings auch nicht exorbitant warm im Vergleich zu anderen Hurrikan-Geburtsstätten. Es hat in den letzten Jahrzehnten mindestens drei stärkere Wirbelstürme gegeben, bemerkenswerterweise in den Jahren 1958 und 1961 (da gleich zwei): Nancy, Violet und Ida.

Was übrigens auffällt bei der Geburt von Haiyan auf dem Meer: Seine Entstehung wurde offenbar erleichtert dadurch, dass es so gut wie keine Scherwinde gab – jene Turbulenzen, die nach Meinung der Klimaforscher durch die Klimaerwärmung eher zunehmen würden und die Bildung tropischer Wirbelstürme so erschweren oder geich im Keim ersticken. Dies ist der Grund, weshalb die Experten annehmen, dass mit der Erderwärmung die Anzahl der Hurrikane und Taifune eher ab- als zunehmen (die Stärke der wenigeren allerdings zunehmen könnten).

Wer jetzt behauptet, die Forscher seien sich einig, dass Haiyan menschengemacht sei, hat die Diskussion der letzten Jahre nicht verstanden oder er blendet sie im machiavellistischer Manier aus. Nun gut: Wenn es nur darum ginge, dass der Mensch seine Trägheit überwindet, um endlich Gutes zu tun, könnte solch ein Varhalten nach dem Muster “Der Zweck heiligt die Mittel” vielleicht weniger verwerflich sein. Tatsache ist aber, dass es eben nicht nur Trägheit ist und beileibe auch nicht nur schnöde Profitgier, die den Umbau der gesamten Weltwirtschaft und Weltenergie von einem auf den anderen Tag bremst, sondern auch auch eine gewisse Restvernunft, die uns davon abhält, sofort alle Grundlast-Kraftwerke abzuschalten und alle Industriestandorte dichtzumachen. Als ob es zum Beispiel in den Koalitionsverhandlungen derzeit nur darum ginge, in der Energiewende auf Trab zu kommen. Es geht darum, das Nachdenken, das Abwägen wieder walten zu lassen. Der Wohlstand in den Industrieländern versetzt diese nicht zuletzt auch in die Lage, jetzt Hilfsprogramme schnell in Gang zu bringen.

Solche Katastrophen haben ihre eigene Agenda, diese beliebte jetzt, gerade zur Eröffnung der Weltklimakonferenz über die Bühne zu gehen. Das verleitet manchen Zeitgenossen, sie als Menetekel zu sehen: Dann muss ja wohl was dran sein, daran, dass der Mensch daran schuld ist, dass wir die Katastrophe als Chance begreifen müssen…

Als der letzte Weltklimabericht Anfang 2007 vorgelegt wurde, war der Winter 2006/2007 in Deutschland gerade ausgefallen, Temperaturen von über 20 Grad im Januar trieben überall die Blüten aus den Pflanzen. “Nie wieder wird es Winter geben”, sagte damals der Klimaforscher Mojib Latif. Jetzt hatte ihn das ZDF wieder als Zeugen ins Studio gebeten, natürlich erklärte er wunschgemäß auch dieses Mal, der Mensch sei wieder an allem Schuld. Und wie ging es damals weiter? Die sechs Winter seither waren durchweg so kalt wie wie sie zuletzt in den 50er und 60er Jahren kennenlernten. Auch scheinbare Menetekel dürfen das Denken nicht abschalten.

Übrigens: Hut ab vor der ARD. Auch das Erste brachte gerade (Montagabend) die Katastrophe in den Philippien breit in der Tagesschau, ließ auch einen Brennpunkt folgen. Doch die ARD war einfach zu seriös, ihre Berichterstattung mit billigen Assoziationen zu einem menschengemachten Klimawandel anzureichern. Kein einziges Wort dazu. Respekt.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog Donner und Doria

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Leserpost

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Peter Bereit / 15.11.2013

Vielleicht haben sie ja Recht und dieser Wirbelsturm, so wie andere Unbilden der Natur, sind normale Erscheinungen unserer Natur und nicht auf Menschenhand zurückzuführen. Was aber könnten wir mit diesem Recht anfangen? Wir könnten beispielsweise darüber nachdenken, ob es wohl Sinn macht, den natürlichen Gegebenheiten, auf welche wir keinen oder kaum Einfluss besitzen, hausgemachte Ursachen hinzuzufügen, welche die ohnehin schon schreckliche Natur, noch schrecklicher erscheinen lässt. Ihr Ausflug in die Vergangenheit der 60-er Jahre, lässt ihre Argumentation nicht plausibler wirken. Na klar, könnten auch die dort genannten, nicht weniger zerstörerischen Stürme, auf natürliche Ursachen zurückgehen. Vielleicht beruhen sie aber auch darauf, dass schon damals natürliche UND durch den Menschen zu verantwortende Ursachen, zusammen wirkten. Die Industrialisierung der Welt begann bekanntermaßen nicht erst gestern. Seit rund 200 Jahren, blasen wir unseren Dreck in die Atmosphäre und lassen unsere Industriegifte in den Boden und die Meere fließen. All das, berücksichtigen sie in ihrer Argumentation nicht. Ihr Beitrag ist nicht mehr als eine Aufforderung zum WEITER SO, WIE BISHER, ist die Erteilung der Absolution für ein Wirtschaftssystem, das die Oberfläche dieses Planeten vernichten wird. Wie erst jetzt wieder festgestellt, geht die Bewaldung der Erde immer weiter zurück. Jedes Jahr verschwinden Waldflächen, die um ein vielfaches größer sind, als Deutschland. Zu diesem Thema fällt ihnen vermutlich nur ein, dass es durchaus normal sein kann, wenn unsere Enkel und Urenkel eines Tages ersticken, weil die Sauerstoffkonzentration der Luft immer weiter zurückgeht und die Konzentration der Schadstoffe immer weiter ansteigt. Dann allerdings, werden sie längst unter der Erde liegen. Ich hoffe, dass die unausrottbar erscheinende Lebensauffassung, „nach uns die Sintflut“, vor oder mit ihnen stirbt, wenngleich ich wenig Hoffnung besitze. Ihr wirklich langer und ausführlicher Beitrag, ließe sich auf einen Satz subsummieren. DIE WELT IST MIR WURST. Weshalb also dieser schriftstellerische Aufwand? Vielen Dank für diese Offenbarung.  

Helmut Erb / 14.11.2013

Nur verschämt wird sich die ARD über Ihr Lob freuen, denn am Abend zuvor gab es auch schon einen Brennpunkt mit der unvergleichlichen Hanni Hüsch. Die hatte sich Professor Latif eingeladen. Und der zog in gewohnter Manier vom Leder. Wetterextreme intensivieren sich infolge der Erderwärmung, wovor er seit Jahren gewarnt habe. Am 12.11. hatte Latif dann einen ähnlichen Auftritt in der Phoenix-Runde. Wer Latif vor die Kamera bittet, bekommt, was das Publikum hören soll. Bei einem Lob für die Öffentlich-Rechtlichen kann es sich nur um ein Versehen handeln.

Hans-Peter Hammer / 12.11.2013

In anderen Fällen ist die ARD aber auch nicht besser! Siehe: Meldung der ARD-Tagesschau vom 11. März : „Japan gedenkt heute der Opfer der verheerenden Erdbeben- und Tsunamikatastrophe vor zwei Jahren. Ein Erdbeben der Stärke neun hatte damals den Nordosten des Landes erschüttert und eine bis zu 20 Meter hohe Tsunamiwelle ausgelöst. In der Folge kam es zu einem Reaktorunfall im Kernkraftwerk Fukushima. Dabei kamen ungefähr 16.000 Menschen ums Leben. Tausende gelten immer noch als vermisst.“ Da wird suggeriert der Reaktorunfall hätte 16.000 Menschenleben gekostet, statt des Tsunamis!

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