Kultur – das ist doch dieses kommunikationslose Gebiet der Ausdrucksarmut. Kultur ist stumm und kalt und einsam. Kommt, laßt uns die Kultur erlösen und ihr die Chance geben, sich zu artikulieren. So ähnlich müssen ein paar Leute in Dresden und Umgebung gedacht haben, als sie den Plan faßten, ein Weltkulturforum zu gründen. Denn in Dresden gab es die Frauenkirche und die Semperoper und jede Menge Vergangenheit, aber noch kein Weltkulturforum. Das schmerzte sowohl den Präsidenten des Sächsischen Kultursenats als auch den Kuratoriumsvorsitzenden der um die Holzschnitzkunst verdienten Daetz-Stiftung in Sachsen, den Intendanten des Staatsschauspiels Dresden und den Berater des sächsischen Ministerpräsidenten Prinz Alexander von Sachsen. Sie alle gehören zum Gründerkreis jener sachsenhaften, pardon: sagenhaften Initiative, die an diesem Wochenende mit einem großen Kulturkongreß Gestalt annahm.
Im Hintergrund stand die Idee, so etwas Ähnliches wie das jährliche Stelldichein der internationalen Wirtschaft und Politik, das Weltwirtschaftsforum in Davos, zu veranstalten – nur eben für die Kultur. Das hatte übrigens auch schon Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtschaftsforums, selbst probiert. Vor gut zwanzig Jahren hatte er Hunderte von Kultur-Promis zu einem dreitägigen Palaver nach Venedig eingeladen. Da saßen August Everding und Bazon Brock, Johannes Willms lernte Gabriele Henkel kennen, und das Wetter in Venedig war herrlich, doch der Kulturkongreß war superpeinlich. Denn wenn Kulturverantwortliche in den forciert-enthusiasmierten Managerjargon der Werbebranche verfallen, dann ist das noch schlimmer als die naiv-kulturelle Großsprecherei von Wirtschaftsführern.
Klugerweise ließ Schwab die Sache namens Weltkulturforum raschestens einschlafen, doch offenbar hat man davon in Dresden noch nie gehört. So kommt es, daß die Sachsen jetzt noch peinlichere Sätze in ihren Ankündigung schreiben: Das World Culture Forum wolle „einen Bewußtseinsprozeß anstoßen, damit eine neue Lust der Menschen auf Kultur entsteht“ – so steht es wörtlich da. Und das „World Culture Forum will neue Möglichkeiten der Identifikationen mit der Vielfalt von Kultur anbieten.“
Darauf hat die kulturell interessierte Welt zweifellos gewartet, daß eine Gesellschaft von sächsischen Adabeis einen Bewußtseinsprozeß anstößt und Möglichkeiten der Identifikation mit der Vielfalt anbietet. Geld scheint ja im Freistaat genügend vorhanden zu sein. Man braucht also gar nicht die Davoser Höhenluft zu atmen; man kann auch schon im Elbtal die Besinnung verlieren.