Bernhard Lassahn / 16.12.2011 / 20:57 / 0 / Seite ausdrucken

Männer und Frauen passen nicht zusammen

Wenn sie es dennoch versuchen, hält es nicht lange. Es ist aus zwischen Mann und Frau. In der Schweiz hat die Verbreitung dieser Erkenntnis im November einen gewissen Höhepunkt erlebt. Da haben nicht nur die Kuhglocken, sondern auch die Alarmglocken gebimmelt. Was war los? Männer warnten vor der Ehe. Frauen kündigten sie.

Es wirkt wie ein heimlicher Wettbewerb unter Liebenden, der unter dem Motto steht: Wer macht zuerst Schluss. Wie bei Leonard Cohen, wo es heißt „But all I’ve ever learned from love was how to shoot at someone who outdrew you.“

Die „Warnung vor der Heirat“ sieht aus wie die bekannte Warnung vor den Risiken und Nebenwirkungen des Rauchens mit schwarzem Trauerrand. Sie wird auch so begründet: „Wer heute einen Bankkredit unterschreibt, muss von der Bank über die Risiken aufgeklärt werden – sonst ist der Vertrag ungültig. Wer eine Packung Zigaretten kauft, wird über die Gefahren des Rauchens aufgeklärt. Aber wer die Ehe eingeht, der wird nicht über Risiken aufgeklärt.“

So soll nicht so bleiben. Deshalb hat die „Interessengemeinschaft Antifeminismus (IGAF) ( ...) einen Flyer erstellt, welcher heiratswillige Männer über die Risiken einer Heirat aufklärt. In der Schweiz werden 51,05% der Ehen geschieden und dabei Männer und Väter ruiniert.“

Es heißt darin: „Im heutigen Scheidungsrecht muss der Mann immer zahlen, wenn die Frau kein ausreichendes Einkommen hat. In Wirklichkeit ist das Schuldprinzip also nicht abgeschafft, sondern der Mann ist per Gesetz immer der Schuldige = der Zahlende (...) In jedem anderen Bereich des Vertragsrechts, würde ein Vertrag, bei dem die Rechte und Pflichten zwischen den Vertragspartnern so ungleich verteilt sind, wie in der Ehe, als sittenwidrig und unwirksam gelten.“

Dieser Flyer wurde, wie es in der Schweiz so schön heißt, vor „Traulokalen“ verteilt. Und so können sich die Männer das noch einmal überlegen. Aber gibt es da überhaupt noch was zu überlegen? Als hätten sie sich heimlich abgesprochen (das haben sie natürlich nicht, reiner Zufall), kam fast zeitgleich eine Breitseite von der Frauenseite: „Die Kündigung an den Mann“.

Die kommt eigentlich aus Amerika. In einem spektakulären Artikel hat Kate Bolick das Ende der Ehe in der Zeitschrift ‚Atlantic’ beschworen, nachdem sie sich zu ihrem 40. Geburtstag entschlossen hatte, ein Leben ohne Mann zu führen – in der Schweiz wurde darüber berichtet, der Text wurde übersetzt, und die Zahlen wurden auf die Verhältnisse im Lande umgerechnet (Es muss ein spektakulärer Artikel gewesen sein, der „zweitmeistgelesene Artikel des Jahres“, Einladungen in talkshows folgten postwendend, schon am nächsten Morgen rief Hollywood an).

Da ist viel Schwung dahinter. Es geht um etwas. „Die Frauen sind nämlich gerade daran, jahrhundertealte gesellschaftliche Verträge zwischen den Geschlechtern aufzulösen oder neu zu definieren.“ So heißt es. Da ist von „Bildungsexpansion“ die Rede und von „dem wirtschaftlichen Einfluss, den das schwache Geschlecht in den letzten Jahren gewonnen hat“. Und so sind „die Frauen heute nicht nur in der Lage, sich selber zu ernähren, sie bestimmen auch, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Und wenn, ob allein oder lieber mit einem Mann.“ Und sie wollen nicht. Denn: „Die Männer taugen nichts“.

Es ist nicht einfach, für die anspruchsvolle Frau, den richtigen Mann zu finden, das musste Nicole Althaus in ihrem Bericht über die „Kündigung“ für den ‚Tagesspiegel’ feststellen. Leider. „Der Pool an gut ausgebildeten Männern, in denen Frauen noch immer am liebsten fischen, wird nämlich immer kleiner. Auch in der Schweiz bleiben rund 30 Prozent der Akademikerinnen unverheiratet.“

Ehe und Kinderglück werden immer seltener. „Im Jahr 1970 wurden in der Schweiz rund 106’000 Einelternhaushalte gezählt, heute sind es rund 70 Prozent mehr, nämlich 182’000. Davon bestehen neun von zehn aus einer Mutter mit Kindern.“

Diese Entwicklung sieht sie allerdings nicht als Zeitbombe, sondern als Gewinn für die Frauen. „Klar ist vorest bloss eines: Die Fähigkeit, Kinder auszutragen und zu gebären ist innert bloss zweier Generationen von der Reproduktionslast, die Frauen jahrhundertelang sozial und wirtschaftlich benachteiligt hatte, zur Reproduktionsmacht geworden.“

Damit wird „innert“ (um auch mal so ein schönes Wort made in Switzerland zu benutzen) weniger Zeilen das Drama dieses Denkens klar: Die Gebärfähigkeit wird als Nachteil gesehen, als Last, und die „Macht“, von der hier die Rede ist, ist eitle Selbsttäuschung.

Mir kommt es vor, als würde sich die Autorin damit etwas in ihre vermutlich teure Handtasche lügen, die sie möglicherweise nicht mit eigenem Geld bezahlt hat. Es kann aber auch sein, dass sie so weltfremd ist, dass sie tatsächlich noch nie etwas davon gehört hat, wie teuer die „Selbständigkeit“ der Frauen in Wirklichkeit ist, wie viel für Frauenförderung ausgegeben wird und für die Unterstützung der Alleinerziehenden, die von Spöttern als „Alleinkassierenden“ bezeichnet werden. Das ist keine Macht. Das ist Abhängigkeit.

Und da stehen nun die Männer der Schweiz mit ihrem Beipackzettel, und es kommt ihnen möglicherweise vor, als hätten sie da einen Reiseführer, der dringend von einer Gaststätte abrät, bei der man sowieso nichts mehr zu Essen kriegen würde.

 

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