Warum soll man nicht auch einmal führende SPD-Politiker loben? Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, äußert Ansichten, die aus dem Lager der Linken in den letzten zehn Jahren nicht zu vernehmen waren: “Der Erhalt von Arbeitsplätzen sei wichtiger als eine schnelle Energiewende.” So fasst die Süddeutsche Zeitung in ihrer Online-Ausgabe die Kernaussage aus einem Kraft-Interview in ihrer gedrückten Samstagsausgabe zusammen. Wörtlich lautet die Aussage in dem Interview: “Wir sind für eine Energiewende, für uns als SPD ist Klimaschutz ein Fortschrittsmotor, der Chancen für neue Arbeitsplätze bietet. Aber entscheidend ist, dass wir neben der Versorgungssicherheit auch die Preise für Verbraucher und Unternehmen im Blick behalten. Es geht auch nicht isoliert um Kohle, sondern wichtig ist, dass wir die Industriearbeitsplätze in unserem Land erhalten.”
Die tatsächliche Politik der Sozialdemokraten, eingefangen in ihrem rotgrünen Lager und ebensolchen Scheuklappen, ist von einer solchen Präferenzsetzung noch meilenweit entfernt. Und es ist auch die Frage, wie ernst es Kraft mit diesem Satz meint. Das Entscheidende aber ist, dass sie es überhaupt gewagt hat, so etwas auszudrücken. Eine Präferenzsetzung, in der der Klimaschutz mal nicht in allen seinen Übertreibungen als heilig angesehen wird – man höre und staune. Ein Satz, der vor wenigen Jahren selbst in der FDP nur mutigen Granden, die nichts mehr zu verlieren haben, über die Lippen gekommen wäre. Man darf hoffen, dass sich dieses Denken in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene durchsetzt und nicht von vermeintlich fortschrittlichen Unionsstrategen, die lieber gestern als heute auf schwarz-grün setzen würden, geblockt wird.
Klar, die überaus flexible Hannelore Kraft (mal positiv ausgedrückt) hat aus der letzten Bundestagswahl gelernt, dass die Zukunft der SPD nicht in einer grüneren Politik als die der Grünen liegen kann, das dürfte das Haupt-Motiv für diese Äußerung sein. Ebenso ist es aber wohl auch kein Zufall, dass dieser Tabubruch (als solchen darf man
diese Präferenz-Verschiebung durchaus ansehen) wenige Wochen auch nach Vorlage des letzten Berichtes des Weltklimarates IPCC erfolgt ist, der die ganze wissenschaftliche Unsicherheit in Sachen des Klimawandels zumindest andeutete, und der auch in anderen seriösen Medien als Anlass gesehen wird, über die Absolutheit der Klimapolitik nachzudenken, wie etwa kürzlich der Wirtschaftswoche. Wir stehen nicht unmittelbar vor einem Weltuntergang, wir dürfen noch überlegen vor dem Handeln, bevor wir die ganze Welt umbauen, von deutschem Boden aus.
Wenn wir dann noch den Kommentar aus dem gedruckten Spiegel der letzten Woche (21.10.) hinzufügen, in dem Alexander Neubacher einmal darauf hinwies, dass ”sämtliche Windräder und Solaranlagen Deutschlands noch kein einziges Gramm CO2 eingespart” haben (auch weil die hier eingesparten, im weltweiten Konzert ohnedies minimalen Einsparungen über den Emissionshandel unmittelbar zum erhöhten Ausstoß in anderen Ländern führen), darf man ein klein wenig Hoffnung haben auf einen minimalen Paradigmen-Wechsel hin zu vernünftigem Abwägen, angesichts explodierender Energiekosten. Angesichts auch eines sichtlich wachsenden Unwillens bei den Energie-Unternehmen, die mit ihrer überlebensnotwendigen fossilen Grundlast die Luftschlösser der Erneuerbaren erden müssen, damit es keinen Blackout gibt, und der Überlegungen dieser Unternehmen, lieber im Ausland zu investieren – eine gefährliche Tendenz zum Rückzug, deren Tragweite langsam in den Köpfen der Politiker ankommen sollte.
Es geht ja nicht darum, sich einer vernünftigen Wende hin zu mehr erneuerbarer Energie entgegenzustellen. Doch die Tabuisierung eines vernünftigen Abwägungsprozesses sollte langsam aber sicher beendet sein.
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